Von Schnapskirschen und Nazibanden
Manja Präkels wuchs im Land Brandenburg auf und wurde schon früh mit rechter Gewalt konfrontiert. Ihre Erfahrungen hat sie in "Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß" verarbeitet. In diesem Jahr erhält sie den Anna-Seghers-Preis, wie die gleichnamige Stiftung mitteilte.
Rechte Gewalt hat Manja Präkels aus nächster Nähe mitbekommen. Die Autorin ist im Land Brandenburg aufgewachsen, in Zehdenick, einem Ort, der vor allem in den 1990er-Jahren immer wieder aus traurigem Anlass in die Schlagzeilen kam. 1992 wird ein Bekannter von ihr von rechtsgerichteten Jugendlichen zu Tode getreten:
"Ich bin Ohrenzeugin dieser Nacht gewesen. Ich war anwesend, als diese Diskothek von einer Gruppe Skinheads überfallen worden ist. Wir kannten ja alle einander – das ist das Brisante, in einer ländlichen Gegend wie dieser kennt man sich. Ich kannte sowohl das Opfer, als auch diejenigen, die diese Diskothek überfallen haben, sehr gut."
Fast genauso erschreckend wie die Tat war der spätere Umgang damit. Dass die Strafen für die teilweise noch minderjährigen Täter sehr gering ausfielen, war nicht alles.
"Tatsächlich ist es so, dass der Fall bis heute nicht endgültig aufgeklärt werden kann, weil Akten vernichtet worden sind, verschwunden sind und ich als einzige offizielle Zeugin dastehe – es gab weitere Zeugen, die sich aber nicht trauen, darüber zu reden."
Wenn der Kindheitsfreund ein Nazi wird
Geschrieben hat sie über derartige Vorfälle zunächst als Lokalreporterin für die "Märkische Allgemeine Zeitung". Aber die Grenzen dessen, was man journalistisch erreichen kann, wurden Präkels irgendwann zu eng. Sie widmete sich dem Thema auch literarisch. Dabei wurde sie durch ein Alfred-Döblin-Stipendium der Berliner Akademie der Künste unterstützt.
Ende letzten Jahres erschien dann ihr stark autobiografisch geprägter Roman "Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß". Die Hauptfigur Mimi muss im Verlauf der Handlung feststellen, dass ihr Kindheitsfreund Oliver zu einem Neonazi, zum örtlichen "Hitler" wird:
"Der Tonfall des Romans ändert sich mit der Fähigkeit Mimis, die Welt zu begreifen. Anfangs geht sie noch ganz naiv dadurch und wird dann wirklich bitter mit der Realität des Systemzusammenbruchs und vor allem mit den damit einhergehenden Folgen konfrontiert."
Die Situation der Nachwendezeit war nicht nur für die Romanfigur, sondern auch für Präkels selber und ihr Umfeld zunehmend bedrohlich – Beleidigungen, Bedrohungen, gewalttätige Übergriffe, ein generelles Klima der Angst, geschürt von einer rechtsgerichteten Jugendbewegung, die in der Lokalreporterin, die die rechte Szene nicht aus dem Blick verlor, einen klaren Feind sah.
Dass die Rechten so ungehindert wirken konnten, sei auch auf die ideologische Leere der Zeit und eine mangelnde Strafverfolgung zurückzuführen. Nach einiger Zeit setzte sich Präkels nach Berlin ab, wo sie sich auf Anhieb sicher und wohl fühlte.
Idylle ohne Perspektive
Inzwischen seien die Zustände auf dem Brandenburger Land zwar nicht mehr so wie in den 90er-Jahren, aber rassistische Bedrohungen gebe es immer noch, so Präkels. Faktoren wie andauernder Abbau von Strukturen und ein allgemeiner Mangel an Kultur führten weiterhin zu einer Landflucht der Jugend.
Die zunächst so idyllische Land-Kindheit ihrer Hauptfigur teilt Präkels ebenfalls. Auch wenn in dieser Gegend später unfassbare Dinge geschehen sind, sei es doch eine wunderschöne Landschaft – ideal für Kinder, die damals "ja noch analog unterwegs" und "einfach viel draußen" waren.
"Allerdings habe ich mit Schrecken festgestellt, dass ich meine ganze Kindheit in Lagererfahrungen aufteilen kann: Pionierlager, Sportlager, Sprachlager – also alle Ferien waren voll verplant."
Als das System dann zusammenbrach, stellte sich bei Präkels ein großer Zweifel an Autoritäten ein, den sie aber als befreiend empfand. Sie sei "aus all den Zwängen" ausgebrochen und habe sich unter anderem anarchistischen Gedanken und Konzepten zugewendet.
Etwas später entdeckt sie Erich Mühsam für sich, dem sie auch über die Jahre treu bleibt. Zusammen mit ihrem Mann Markus Liske rief sie zum Beispiel das Erich-Mühsam-Festival ins Leben.
Mit ihrer Band "Der singende Tresen" singt sie einzelne Gedichte von Mühsam, ebenso wie Texte anderer Dichter und eigene Lyrik. Zu hören ist sie damit auf Bühnen in ganz Deutschland, die nächsten Termine sind der 9. und 10. Juni in Berlin im Brecht-Haus in der Chausseestraße.
Für ihren Roman erhält Manja Präkels in diesem Jahr den Anna-Seghers-Preis – sie liest daraus unter anderem am 26. April im "Zukunft" am Ostkreuz zusammen mit ihrem Mann Markus Liske.