Faszinierendes Walzenballett in der Wash-City
Wie Abgesandte der antiken Götterwelt wirken die Lkw auf dem Freigelände. In Gruppen träumen Männer in der Wash-City. Die Automechanika in Frankfurt ist das globale Event der Ersatzteil- und Zubehörbranche - und durchaus eine Rezension wert.
Sie bestechen nicht gerade durch ästhetischen Hochglanz, sind eher Gebrauchsgegenstände. Sie sind zylinder- oder kastenförmig. Aber sie haben es in sich: die Fähigkeit zur Verdichtung. Die Produktpalette der Kompressoren zeichnet sich aus durch innere Qualität.
Kolben- oder Schraubenkompressor?
Bei "kleinem und mittlerem Druckluftbedarf" empfiehlt sich der Kolbenkompressor, sucht man den "kompromisslosen Einsatz mit einem Enddruck bis 15 bar", so wäre der öleingespritzte Schraubenkompressor erste Wahl, braucht der Kunde dagegen "stets trockene Druckluft und hohe Luftqualität", so empfiehlt sich der Schraubenkompressor mit Kältetrockner. Möchten wir die Automechanika dagegen als schöne Kunst betrachten, so fällt uns die Suche nicht ganz so leicht.
Aber es gibt sie, die Momente von Dramatik und Pathos, in denen das Autozubehör über sich selbst hinaus wächst und metaphorische Qualität gewinnt. Ich sage nur: Fesseln und Quälen. Schwarze Reifen, hintereinander gestaffelt, in Ketten der seltsamsten Art geschlagen, schicksalsergeben wie die Sklaven von Michelangelo: So wird geworben, erschütternd und beeindruckend, für – Schneeketten. Oder die zersägten Autos, die mit dem Hinterteil aus der Wand ragen, um sich schwarzen, gestaffelten Gestellen anzubieten. So dringen die Fahrradträger mit dem mythisch nordischen Namen "Thule" tief in unser Bewusstsein. Die Spezial-Lkw auf dem Freigelände der Messe wirken dagegen wie Abgesandte der griechischen Götterwelt. In atemberaubenden Positionen stehen sie auf gigantischen Felsbrocken, die sie sich mit lächelndem Kühlergrill gefügig machen: Titanen der Truck-Competence.
Das Auto zuckt wie von Geisterhand
Ja, immer wieder erstaunlich, was die Bässe einer Autostereoanlage so alles anrichten können. Der Golf, den ich besteige, zuckt und vibriert wie von Geisterhand. Und das hat nichts mit den PS zu tun, sondern mit den Dezibel, die hier freigesetzt werden. Vor allem im Bass-Bereich. Diese Höllenmetamorphose eines äußerlich friedlichen Autos fasziniert vor allem die chinesischen Messebesucher: Vermutlich warten die Straßen von Peking auf solche Lärmrüpel.
Na, haben Sie das Geräusch identifiziert? Es durchzieht die schönste Erlebniswelt dieser Automechanika: die Wash-City. In Träume versunkene Männergruppen widmen sich dem Ballett der rotierenden Waschbürsten, inzwischen aus dünnen Streifen von Kunsttextil bestehend. Sie heben und senken sich wie flittrige Sommerröcke. Für mich ist Wash-City schon wegen des Absurditätsfaktors der Höhepunkt dieser Automechanika. Bürsten in schrillen Farbkombinationen, die rucken und zucken, schieben und drängen, streicheln und klatschen. Cheergirls sind nichts dagegen. Schmutzig rein, sauber raus – so der subtile Slogan dieser Waschwelt.
Auf der Suche nach Werkstattatmosphäre
Bei all dem Glanz, den die Tuning-Produkte verbreiten, sucht man grade zu nach ein bisschen Dreck und Werkstattatmosphäre. Wo sich Männer noch die Hände schmutzig machen. Ich werde fündig bei "Trucks and Parts". Gebrauchte Lkw-Motoren und ihre Teile. Die Motorblöcke in Regalen präsentiert, ölverschmiert, angerostet, korrodiert. Wie auf einer Intensivstation. Die Herzen unserer mobilen Gesellschaft, hier sind sie raus präpariert und warten darauf, wieder schlagen zu dürfen.
Apropos Mobilität. Plötzlich tauchen junge Leute auf, mit einem Ghettoblaster, und zeigen, was der junge menschliche Körper so alles an graziöser Verrenkung zu bieten hat. Und das ausgerechnet an einem Stand für Stoßdämpfer und Lenkungssysteme. Ist das nun ein wirklicher oder doch nur inszenierter Flashmob? Egal, für ein paar Minuten wird die Welt des Autozubehörs mal nebensächlich. Sind einfach gut anzuschauen, diese Jungs und Mädels, gleich neben dem aerodynamischen Lkw von Luigi Colani ...