Axel Meyer: Adams Apfel und Evas Erbe. Wie die Gene unser Leben bestimmen und warum Frauen anders sind als Männer
C. Bertelsmann Verlag, München 2015, 416 Seiten, 19,99 Euro
Weitreichende Schlüsse aus mageren Daten
Was ist typisch weiblich, was typisch männlich? Und warum? Auf diese Fragen liefert der Evolutionsbiologe und Genomforscher Axel Meyer Antworten aus Sicht des Naturwissenschaftlers: ein engagiertes Plädoyer gegen politisch korrekte Gleichmacherei.
"Naturwissenschaftler sollten sich mehr in gesellschaftliche Debatten einmischen", schreibt Axel Meyer selbstbewusst gleich auf der ersten Seite und tut es auch: Wortgewaltig mischt sich der Evolutionsbiologe beim Thema Gendermainstreaming ein und argumentiert grundsätzlich aus einer naturwissenschaftlichen Perspektive. Die ersten 130 Seiten seines Buches lesen sich daher auch wie eine Einführung in die Grundlagen der Genetik und Evolution. Ein insgesamt etwas mühsamer Einstieg, garniert mit einigen interessanten Informationsschnipseln. Erst danach wendet er sich dem eigentlichen Thema zu: der Genetik von Mann und Frau und den sich daraus ergebenden Themen wie Inter- und Homosexualität, ehelicher Treue und Intelligenz.
Geschlecht ist kein kulturelles Konstrukt, das ist klar. Geisteswissenschaftler, die das behaupten, liegen schlicht falsch. Es gibt Männer, es gibt Frauen und es gibt - wenn auch selten - Menschen, die mit ihrem Erbgut dazwischen liegen. Allerdings ist ebenso klar: Biologie ist nicht alles und Kultur hat einen sehr großen Einfluss auf das, was aus dem biologischen Geschlecht wird. Axel Meyer schreibt selbst: "Es ist schwierig zu bestimmen, welche Unterschiede zwischen den Geschlechtern biologisch und welche kulturell bedingt sind." Heißt aber auch: Es gibt sie, die Unterschiede.
Konkrete Beispiele fehlen oft
Die Stärke der Naturwissenschaften ist zugleich auch ihr Problem - sie basiert auf überprüfbaren Daten. Und die geben oft nicht so viel her. Die Erblichkeit der Intelligenz beträgt zwischen 30 und 80 Prozent. Das ist belegbar, auch wenn eine solche Aussage unangenehm aufstoßen kann. Aber hilft diese Erkenntnis weiter? Es gibt auch messbare Unterschiede in einzelnen Intelligenzleistungen zwischen den Geschlechtern. Die sind allerdings so gering, dass sie praktisch kaum Folgen haben - allen reißerischen Schlagzeilen zum Trotz, etwa der: "Frauen können nicht einparken".
Mehr noch gibt es genügend Hinweise, dass gerade das räumliche Denken trainiert werden kann und weniger von den Genen bestimmt wird als bislang angenommen. Solche Informationen sucht man in Meyers Buch allerdings vergeblich. Und genau das ist die Schwäche dieses Buches. Zieht der Autor doch vor allem Fakten heran, die zu seiner biologisch geprägten Überzeugung passen. "Zwei von drei Menschen sterben an Krankheiten, die (...) genetische Ursachen haben." Stimmt. Aber genauso richtig ist, dass fast alle Menschen an durch die Umwelt mitbedingten Erkrankungen sterben. Axel Meyer scheut sich auch nicht, aus magern Daten weitreichende Schlüsse zu ziehen: Etwa dass der weibliche Körper auf Schwangerschaft spezialisiert ist, ist ihm Beleg genug, um zu behaupten, gefährliche körperliche Tätigkeiten sei daher Männern vorbehalten. Naja.
"Gendermainstreaming (...) hat geradezu zersetzende Wirkung", behauptet er an anderer Stelle forsch. Aber was genau heißt das? Auch hierzu liefert er keine konkreten Beispiele. Offenbar ist Axel Mayer gegen eine Frauen-Quote und den Girls-Day, aber zerstören die die Gesellschaft? Politiker sollten mehr naturwissenschaftliche Erkenntnisse als Meinungen berücksichtigen, fordert Axel Meyer ja selbst. Sein Buch aber ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich aus den Daten allein kaum ein politisches Programm ableiten lässt. Wer anderes behauptet, verlässt das gesicherte Gebiet der Naturwissenschaft und sollte das dann auch klarstellen.