Azucenas Klausurtagung
Monochromes Bühnenbild, bemerkenswerte Inszenierung und emotionales Dirigat: Regisseur Dmitri Tcherniakov und Dirigent Marc Minkowski geben mit Giuseppe Verdis "Il trovatore" in Brüssel eine markante Opern-Produktion.
Eine Zigeunerin, so der Plot des "krausen" Librettos von Salvatore Cammarano und Leone Bardare, habe im frühen 15. Jahrhundert einen der Söhne des Grafen Luna verhext, wurde zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt, konnte im letzten Moment noch ihre Tochter zur Blutrache anstacheln. Die wird dadurch eingeleitet, dass Azucena einen der beiden Söhne des Grafen im zartesten Kindesalter raubt, in eifernder Wut aber dieses Knäblein mit dem eigenen Sohn verwechselt, den sie ins Feuer wirft und dann Manrico an Kindesstatt aufzieht.Der "Troubadour" erzählt des Weiteren die Geschichte von der Rivalität dieses "Zigeunersohns" mit dem jungen Grafen Luna um die schöne Leonora – samt der Eifersucht, die zu ihrem und Manricos Tod führt.
Eine "Trovatore"- Premiere ist, auch wenn sie am Théâtre de la Monnaie in Brüssel (dem Opernhaus des Jahres!) stattfindet, nicht per se Gegenstand überregionaler Berichterstattung. Doch Dmitri Tcherniakov bestätigte die Erwartung des Besonderen. Tatsächlich präsentierte der postsowjetische Regisseur nun auch in Brüssel ein bemerkenswertes Stück. Man hätte es tunlichst mit "Azucena" betitelt. Denn sie, die Rächerin der entrechteten und ermordeten Mutter, lädt die anderen vier Protagonisten des "Trovatore" zu einer Zusammenkunft – und sie ist in Gestalt und mit der warmen Mezzo-Stimme von Sylvie Brunet Grupposo auch die dominierende Figur auf der Bühne.
Dort setzen sich fünf Menschen zur Erinnerungs- und Trauerarbeit zusammen – Nebenfiguren wie Ines oder Ruiz wurden ausgespart, ihre Partien ebenso wie die des Chors aus dem Graben heraus bestritten. Das Sänger-Quintett konstituiert sich nach erstem Beschnuppern wie zur Therapie-Gruppe in Klausur-Sitzung. Eine ziemlich verwinkelte Herrschaftsarchitektur stellt den Rahmen bereit: Bordeauxrote Ledertapete an den Wänden, fast schwarze Täfelung sowie Oberlichte in dem ansonsten fensterlosen Raum. Ein trotz der gewissen Großzügigkeit beengendes Ambiente: Zum Sterben schön, aber unwillkürlich behaftet mit dem feinen Duft der Mottenkugel und stickig – man wünscht sich schon bald, dass hier gelüftet würde.
Auch die unter Marc Minkowskis Händen wuchernde Schwüle der Musik, der das Forcieren der Primadonna Marina Poplavskaya die Buttercremekrönchen aufsetzt, verstärkt den Wunsch nach Zufuhr frischer Luft. Viele Ungenauigkeiten trüben das ganz auf Stimmungen und Begeisterungsfähigkeit hin angelegte Dirigat, dem alles kühl Analytische abgeht.
An Stelle von Kastell, Garten, Zigeunerlager, Kloster etc. dient eine monochrome Szene mit unerbittlicher Konsequenz der Übersetzung alter Grausamkeiten in die Gewaltsprache einer neueren Zeit (Anspielungen auf die Spätphase der Sowjetunion und das neu- und promgasreiche Russland vermied Tcherniakov diesmal ganz und gar). Die Verlangweilung der ersten vier Tableaus diente zur Vorbereitung der Erzähltechnik für die anderen vier: Die therapeutische Situation gerät außer Kontrolle.
Der junge Graf Luna – Scott Hendricks mit energisch profiliertem Bariton – ist irgendwie zu einer Pistole gekommen, mit der er gefährlich herumhantiert. Er beendet jäh die Selbst-, Vergangenheits- und Partnerschaftsbeziehungserkundungen, nimmt Azucena als Geisel, dann den leistungsfähigen Tenor Manrico (von dem er noch nicht weiß, das es sein Bruder ist). Die beidseits begehrte Leonora gibt sich Luna notgedrungen hin, nachdem sie sich bereits eine tödliche Dosis verabreicht hat (vor der wohlbürgerlichen Küchenzeile auf dem Boden – Misha Didyk, der übertölpelte Tenor, bekommt dies, zwischengelagert in der Besenkammer, nicht so genau mit).
Den lästig gewordenen Ferrando schießt Luna jun. kurzerhand in den Kopf, obwohl dieser raubeinige Militär in Gestalt von Giovanni Furlanetto doch als ein so grundzuverlässiger, hyperloyaler und in Ehren ergrauter Angestellter vorgeführt wird. Oder gerade deshalb (man weiß es nicht!). Da Luna aber, nach getanen Gewalttaten, eine letale Herzattacke erleidet, überlebt einzig Azucena ihren Versuch, Klarheit in dunkle Geheimnisse von Herzen, Seelen und Körpern zu bringen.
Auch das ist ein Resultat. Nur eben kein therapeutisches, sondern ein theatrales. Es wird kurz und freundlich beklatscht – Brüssel hat eine weitere, zumindest markante Opern-Produktion hinzugewonnen.
Eine "Trovatore"- Premiere ist, auch wenn sie am Théâtre de la Monnaie in Brüssel (dem Opernhaus des Jahres!) stattfindet, nicht per se Gegenstand überregionaler Berichterstattung. Doch Dmitri Tcherniakov bestätigte die Erwartung des Besonderen. Tatsächlich präsentierte der postsowjetische Regisseur nun auch in Brüssel ein bemerkenswertes Stück. Man hätte es tunlichst mit "Azucena" betitelt. Denn sie, die Rächerin der entrechteten und ermordeten Mutter, lädt die anderen vier Protagonisten des "Trovatore" zu einer Zusammenkunft – und sie ist in Gestalt und mit der warmen Mezzo-Stimme von Sylvie Brunet Grupposo auch die dominierende Figur auf der Bühne.
Dort setzen sich fünf Menschen zur Erinnerungs- und Trauerarbeit zusammen – Nebenfiguren wie Ines oder Ruiz wurden ausgespart, ihre Partien ebenso wie die des Chors aus dem Graben heraus bestritten. Das Sänger-Quintett konstituiert sich nach erstem Beschnuppern wie zur Therapie-Gruppe in Klausur-Sitzung. Eine ziemlich verwinkelte Herrschaftsarchitektur stellt den Rahmen bereit: Bordeauxrote Ledertapete an den Wänden, fast schwarze Täfelung sowie Oberlichte in dem ansonsten fensterlosen Raum. Ein trotz der gewissen Großzügigkeit beengendes Ambiente: Zum Sterben schön, aber unwillkürlich behaftet mit dem feinen Duft der Mottenkugel und stickig – man wünscht sich schon bald, dass hier gelüftet würde.
Auch die unter Marc Minkowskis Händen wuchernde Schwüle der Musik, der das Forcieren der Primadonna Marina Poplavskaya die Buttercremekrönchen aufsetzt, verstärkt den Wunsch nach Zufuhr frischer Luft. Viele Ungenauigkeiten trüben das ganz auf Stimmungen und Begeisterungsfähigkeit hin angelegte Dirigat, dem alles kühl Analytische abgeht.
An Stelle von Kastell, Garten, Zigeunerlager, Kloster etc. dient eine monochrome Szene mit unerbittlicher Konsequenz der Übersetzung alter Grausamkeiten in die Gewaltsprache einer neueren Zeit (Anspielungen auf die Spätphase der Sowjetunion und das neu- und promgasreiche Russland vermied Tcherniakov diesmal ganz und gar). Die Verlangweilung der ersten vier Tableaus diente zur Vorbereitung der Erzähltechnik für die anderen vier: Die therapeutische Situation gerät außer Kontrolle.
Der junge Graf Luna – Scott Hendricks mit energisch profiliertem Bariton – ist irgendwie zu einer Pistole gekommen, mit der er gefährlich herumhantiert. Er beendet jäh die Selbst-, Vergangenheits- und Partnerschaftsbeziehungserkundungen, nimmt Azucena als Geisel, dann den leistungsfähigen Tenor Manrico (von dem er noch nicht weiß, das es sein Bruder ist). Die beidseits begehrte Leonora gibt sich Luna notgedrungen hin, nachdem sie sich bereits eine tödliche Dosis verabreicht hat (vor der wohlbürgerlichen Küchenzeile auf dem Boden – Misha Didyk, der übertölpelte Tenor, bekommt dies, zwischengelagert in der Besenkammer, nicht so genau mit).
Den lästig gewordenen Ferrando schießt Luna jun. kurzerhand in den Kopf, obwohl dieser raubeinige Militär in Gestalt von Giovanni Furlanetto doch als ein so grundzuverlässiger, hyperloyaler und in Ehren ergrauter Angestellter vorgeführt wird. Oder gerade deshalb (man weiß es nicht!). Da Luna aber, nach getanen Gewalttaten, eine letale Herzattacke erleidet, überlebt einzig Azucena ihren Versuch, Klarheit in dunkle Geheimnisse von Herzen, Seelen und Körpern zu bringen.
Auch das ist ein Resultat. Nur eben kein therapeutisches, sondern ein theatrales. Es wird kurz und freundlich beklatscht – Brüssel hat eine weitere, zumindest markante Opern-Produktion hinzugewonnen.