Basis soll Spitzenkandidaten wählen
"Basis ist Boss", meinen Bündnis90/die Grünen. Sie wollen bis Januar ihre Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl von der Basis wählen lassen. Bis dahin gehen die Spitzenkandidaten auf eine Werbetour durch die Landesverbände. Die Hannoveraner waren die ersten, die an diesem "Urwahl-Verfahren" teilgenommen haben.
Im Foyer des neuen Sprengelmuseumsbaus sind rund 320 Mitglieder und Gäste der Landesverbände Niedersachsen und Bremen versammelt. Was die Mitglieder hier besonders bewegt, beschreibt die Landesvorsitzende Meta Janssen-Kucz:
"Niedersachsen treibt das Thema Agrarwende um, Tierschutz um und dafür stehen zumindest ausgewiesen Toni Hofreiter und auch Robert Habeck als amtierender Umwelt- und Landwirtschaftsminister."
Beide bekamen, wie auch Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir, an diesem Abend viel Applaus.
"Ich hätte mir oftmals doch noch mehr zugespitztere Positionen und klarere Kontroversen gewünscht...."
Aber darauf waren weder das Format noch die Stimmung an der Basis geeignet. Moderatorin Simone von Stosch holte Statements ein von den vier Kandidaten, immer reihum. Gleich zu Beginn die Frage nach möglichen Koalitionen an Cem Özdemir:
"Hat es der Wähler, die Wählerin nicht verdient, voher zu wissen, ob sie ein linkes Bündnis rot-rot-grün kriegt oder ein bürgerliches Bündnis? Ich finde erstmal wichtig: Es geht um starke Grüne und dann gehts um die Frage der Koalition. Wenn du nämlich jetzt schon bei der Frage bist, mit wem koalierst du, dann hast du den Kampf gar nicht richtig geführt, dass wir deutlich besser sein können als das letzte Bundestagsergebnis, da bin ich fest überzeugt davon."
"Demokratie zerbröckelt gerade"
In zwei Stunden wurden dann die Positionen abgefragt: zur Nachhaltigkeit, sozialer Gerechtigkeit, Integration, Europa oder dem Umgang mit den Krieg und Krisen. Es ist klar, dass die Wahl unter den drei Männern ausgemacht werden muss. Denn eine ist als einzige Frau unter den Bewerbern schon gesetzt: Die amtierende Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen, Katrin Göring-Eckardt. Aber:
"Genau das will ich nicht haben, dass irgendjemand denkt, die ist doch gesetzt. Weil ich finde, dass dieser Wahlkampf für die Offenheit dieser Gesellschaft, alle Leidenschaft für die Demokratie."
Die wollen alle stärken. Auch der stellvertretende schleswig-holsteinische Ministerpräsident und Umweltminister Robert Habeck, der sich erstmals für dieses Amt bewirbt. Auch er mahnt:
"Die Demokratie zerbröckelt gerade und es muss eine Partei geben, die dafür stehen, dass die Werte erhalten bleiben. Und das ist nach Lage der Dinge die grüne Partei. Die anderen haben diese Bindekraft nicht mehr."
Die Grünen als – so Göring-Eckardt – last party standing, als letzte Verteidiger der Werte. Daür müssten die Kräfte gebündelt werden. Dann könne man weit mehr Menschen überzeugen als nur die eigene Klientel. Es gehe um die Inhalte. Anton Hofreiter:
"Dass wir nicht die Macht wegen der Dienstwägen haben wollen, sondern die Macht haben wollen, um die Realität zu verbessern. Dass es den Menschen in diesem Land und weltweit besser geht, das ist der Anspruch, den wir haben und das müssen wir deutlich machen."
Sich ein wenig voneinander absetzen
In vielen Grundpositionen wurde Einigkeit demonstriert. Für kontroverse Debatten, für die Schärfung individueller Profile blieb da wenig Platz. Robert Habeck war es, der die Kollegen gelegentlich kritisierte oder korrigierte. Man müsse die Ziele klarer definieren. Was er meinte, wurde in der Diskussion um Agrarpolitik deutlich. Einfach nur gegen Massentierhaltung zu sein, das sei nicht genug. Hofreiter nutzt den Kampfbegriff, weil...
Hofreiter: "Wer bei Euch hier versucht, aus der Massentierhaltung aussteigen will, genau weiß, was Massentierhaltung ist."
Habeck: "Man muss schon ein bisschen präziser sein. Wenn Du genau weißt, was Massentierhaltung ist, dann bist Du der Einzige. Der Punkt ist ein anderer: Du kannst auch zehn Kühe Scheiße halten."
Das war dann auch schon einer der wenigen direkten Schlagabtausche. Habeck jedenfalls wünscht sich mehr davon. Denn, so erklärt er nach der Veranstaltung.
Habeck: "Die Urwahl wird am Ende des Tages hoffentlich dazu führen, dass auch inhaltliche Positionen geklärt sind. Und heute haben wir damit angefangen, uns auch ein bisschen voneinander abzusetzen."
Katrin Göring-Eckardt begrüßt das Format, weil: "Wir haben beim letzten Mal gemerkt, es hat unglaublich dazu beigetragen, dass die Mitglieder mobilisiert waren für den Wahlgang selber."
Noch neun Mal werden die Vier sich der Basis präsentieren.