Eine uninspirierte Inszenierung
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Jörg Widmanns 2012 uraufgeführte Oper "Babylon" basiert auf einem Libretto des Philosophen Peter Sloterdijk. Eine überarbeitete Fassung war nun in der Regie von Andreas Kriegenburg in Berlin zu sehen. Unser Kritiker Uwe Friedrich ist sehr enttäuscht.
Im Oktober 2012 wurde die Oper "Babylon" von Jörg Widmann in München uraufgeführt. Die musikalische Leitung hatte Kent Nagano, das Libretto stammte von Peter Sloterdijk. Die Kritik war allerdings wenig begeistert, und auch der ebenso traditions- wie formbewusste Komponist selbst war offenbar nicht rundum glücklich. Nun hat er seine Oper überarbeitet und sich auch damit eingereiht bei seinen Vorgängern wie Wagner, Verdi und Puccini. Am Samstagabend war Premiere der Berliner Fassung von "Babylon", von der Staatsoper Unter den Linden gar als Uraufführung angekündigt. Als Regisseur wurde Andreas Kriegenburg verpflichtet. Ursprünglich sollte der Generalmusikdirektor Daniel Barenboim dirigieren, der die Produktion jedoch wegen einer Augenoperation an Christopher Ward abgag.
Ein angeschmuddeltes Hochhaus fährt schwungvoll hoch und runter, gibt den Blick frei in Katakomben und Gelasse, Zimmerchen und Säle, in denen bemerkenswert wenig geschieht. Dieses Bühnenbild hat Harald Thor für den Regisseur Andreas Kriegenburg entworfen, und der stellt dort vorzugsweise den Chor ab. Höhepunkt der szenischen Aktion ist eine Orgie, bei der Männlein und Weiblein sicherheitshalber ihre fleischfarbenen Untertrikotagen anbehalten, das Staatsopernpublikum könnte ja vom Anblick der Geschlechtsteile irritiert werden. Und das in einer Stadt, die bis heute dafür berühmt und berüchtigt ist, dass man hier noch weiß, wie Orgien funktionieren.
Worum es in "Babylon" gehen soll, weiß niemand so genau
Nicht der einzige peinlich-verklemmte Moment dieser uninspirierten Inszenierung. Die Solisten drängeln sich auf einer kleinen Spielfläche vor dem Hubpodium, stehen sich im Weg und singen von dort ins Publikum. Worum es aber in dieser Oper gehen soll, weiß offenbar niemand so genau. Mythen-Synchronopse mit anschließender Versöhnung der Religionen vielleicht. Der Sieg der Liebe, wenn Inanna den geopferten Tammu aus der Unterwelt zurückholt wie einst Orpheus seine Eurydike, nur mit verkehrten Vorzeichen, also irgendwie emanzipatorisch. Kinder spielen zum Schluss Abklatschen und schauen in eine Zukunft, die hoffentlich nicht so langweilig ist wie dieser zunehmend zähe Abend.
Laut ist dieses Mythen-Gemischs an der Berliner Staatsoper, denn die Staatskapelle geht unter dem Dirigenten Christopher Ward kräftig in die Vollen. Der Komponist Jörg Widmann hat sich für seine Oper "Babylon" ebenso lustvoll wie virtuos bei seinen Vorgängern von Wagner und Strauss bis Reimann und Rihm bedient für die Geschichte des Tammu, der sich nicht entscheiden kann zwischen der lasziven Göttin Inanna und der deutlich abstrakter veranlagten Seele. Dieses Dilemma gibt allen Beteiligten ausführlich Gelegenheit auf einander einzureden, was sie in der gestelzten Sprache des Philosophen Peter Sloterdijk machen. Vom Herz-Schmerz-Reim bis zum aufgeplusterten Symbolismus ist für jeden was dabei und wahrscheinlich alles ernst gemeint. Die Figuren bleiben dabei blutleere Allegorien und flache Pappkameraden. An Belanglosigkeit kaum zu übertreffen ist ein Liebesduett, das auch in einem Kommerzmusical nicht weiter auffallen würde. Die Grenzen zum Kitsch sind schon lange überschritten, wenn Regisseur Kriegenburg dazu noch Regenbogenschals verknoten lässt.
Gesungen und musiziert wird allerdings hervorragend, wenn auch über weite Strecken zu laut. Mojca Erdmanns Seele und Susanne Elmarks Inanna leuchten mühelos über den Orchesterwogen, Marina Prudenskaya gibt dem singenden Euphrat stimmliche Tiefe, während der wunderbare Countertenor Andrew Watts als Skorpionmensch fasziniert. Einzig der Tenor Charles Workman kämpft sich mit engen Tönen durch seine Partie. Auch der Staatsopernchor zeigt sich in bester Verfassung, und wenn zum Schluss das Saallicht angeht, schauen alle von der Bühne vorwurfsvoll in den Zuschauerraum. So was macht immer Eindruck.