"Bach by Bike"

Mit dem Rad auf Bachs Spuren

Das Bachhaus in Eisenach ist Gedenkstätte und Bach-Museum.
Eine Station auf der Route: das Bachhaus in Eisenach. © picture alliance / dpa / Daniel Kalker
Von Bernhard Henry |
Weit gereist ist Johann Sebastian Bach nie. Gut für Fahrrad-begeisterte Bach-Fans: Die können sich die Lebensstationen des Komponisten leicht erradeln. Wir sind bei einer solchen "Bach by Bike"-Tour mitgefahren.
Weit gereist ist Johann Sebastian Bach nie. Gut für Fahrrad-begeisterte Bach-Fans: Die können sich die Lebensstationen des Komponisten leicht erradeln. Wir sind bei einer solchen "Bach by Bike""-Tour mitgefahren.
Der junge und international erfolgreiche Bratschist Nils Mönkemeyer steht nur zwei Meter von Bachs Taufstein in der Eisenacher Georgenkirche entfernt und spielt zur Einstimmung auf die siebentägige Tour eine Cello-Suite von Bach. Die 15 Bach-Radler sitzen in den ersten Reihen. Mönkemeyer ist der Schirmherr von "Bach by Bike".
Mönkemeyer: "Also, ich habe vor, die Tour nächstes Jahr selber mitzumachen; und konnte wenigstens zur Eröffnung jetzt ein bisschen was spielen. Und als mich die beiden charmanten jungen Damen angesprochen haben, war ich extrem begeistert von der Idee. Weil, ich meine: Bach ist ja in dem Sinne nicht weit rausgekommen, sondern er hat sich ja in einem sehr engen geographischen Gebiet sehr ausführlich bewegt. Und dann die Idee, seinem Leben auf diese Art und Weise nachzuspüren, dass man mit dem Fahrrad seine Lebensstationen abfährt, das fand ich total genial."
Die beiden "charmanten jungen Damen", die Nils Mönkemeyer so preist, sind Mareike Neumann, Geigerin beim Beethovenorchester in Bonn, und Anna-Luise Oppelt, Sängerin am Ende ihres Studiums. Vor drei Jahren haben sie die Idee "Bach by Bike" geboren. Diese Radtour auf den Spuren des Komponisten bündelt ihre Leidenschaften. Mareike Neumann:
"Wir haben sowieso viele Radtouren immer schon gemacht und haben gedacht: Wir fahren jetzt mal entlang dieser Bach-Stätten. Und dann haben wir festgestellt: Mensch, die liegen ja alle so nah! Und auf die Landkarte geguckt und da entstand schon ein bisschen im Hinterkopf: Da muss man doch was draus machen, was Größeres."
Kombination aus Radeln und Musik
Am nächsten Morgen geht es los. Meist ältere Ehepaare, aus dem Rheinland, aus Norddeutschland, aus Westfalen. Fahrrad-trainiert.
Georg: "Ich denke schon, wie der Start war, finde ich das landschaftlich sehr reizvoll. Und dann kombiniert mit so einem Kulturprogramm – da habe ich nicht lange überlegt."
Ursel: "Ich auch nicht. Da habe ich ganz spontan mich begeistern können für diese Kombination aus Radeln und Musik. Und dass es dann auch noch Bach wurde! Bach höre ich schon gerne. Und die Landschaft auch! Da fielen mehrere Komponenten so zusammen."
Die Tour führt gemächlich durch sanfte Landschaft. 30 bis 60 Kilometer am Tag, nicht zu viele Anstiege. Das Gepäck wird transportiert. Alle kommen gut mit; und am Berg ziehen die knapp 80-Jährigen mit ihren E-Bikes nicht ganz ohne Häme an den Jungen vorbei.
Vom Bach-Haus in Eisenach zur Bach-Kirche in Arnstadt
Als es mitten im Thüringer Wald zu regnen beginnt, fängt Melissa fahrend an zu singen. Sie erzählt, dass sie das in Paris, wo sie lebt, auch immer macht, wenn sie auf dem Rad friert und die Hitze ihrer australischen Heimat vermisst.
"Natürlich besuchen wir das Bach-Haus in Eisenach, die Bach-Kirche in Arnstadt, aber auch die Mühle des Ur-Bachs Veit in Wechmar. Dort wurde aus Geklimper mehr."
Führer: "Da gibt es einen ganz tollen Spruch von Johann Sebastian in seiner Genealogie über seinen Ururgroßvater: 'Er hat wohl sein größtes Vergnügen an einem Cythringen gehabt' – das ist eine Art Laute gewesen – 'welche er mit in die Mühle genommen und unter währendem Mahlen darauf gespielet hat. Es muss wohl hibsch zusammen geklungen haben, wiewohl er sich dabei den Takt hat imprimieren lernen.' Und jetzt kommt der entscheidende Satz: 'Und dies ist gleichwohl der Anfang der Musikalität bei seinen Nachfahren.' Also: Unser, JSB, wie wir ihn so liebevoll nennen, der Johann Sebastian Bach, legt die Musikalität seiner Familie in diese Mühle nach Wechmar. Vorher haben sie vielleicht nur geklimpert, und dann haben sie nach dem Takt gespielt."
Inspirierte Radlergruppe singt einen Bach-Choral
Viele Hundert Bache zeigt der riesige Stammbaum an einer Hauswand – allesamt Musiker. Die Radlergruppe fühlt sich inspiriert und singt – ungeprobt – einen Bach-Choral.
Mit dem Rad geht es über Wege, die auch Johann Sebastian Bach beschritten hat. Von Eisenach bis Leipzig sind es – mit vielen Abstechern – gerade einmal 300 km.
In Ohrdruf, wo er nach dem Tod seiner Eltern bei seinem Bruder Johann Christoph lebte, steht noch der Turm der Kirche, in der sein Bruder Organist war. Hier hat Johann Sebastian das Orgelspiel erlernt. Der pensionierte Tierarzt Volkmar Lüttich führt die Gruppe die steile Treppe hinauf.
Lüttich: "So, das ist also die alte Kirchenbibliothek. Da haben die ein so großes Notenbuch gehabt, das hat einer gehalten. Und dieses Buch stammt noch von dem Kantor Herda. Der war zu Johann Sebastian Bachs Zeiten hier Kantor."
Neumann: "Nur ganz kurz: Also, das hat der kleine Johann Sebastian wahrscheinlich gesehen, oder?"
Lüttich: "Ja, das Buch? Ja, der hat daraus gesungen!"
Neumann: "Unglaublich!"
Lüttich: "Hier draus!"
Anna-Luise Oppelt: "Ja, das finde ich auch ganz toll, dass das ohne Glasvitrine hier liegt für uns zum Anfassen. Natürlich soll nicht jeder drauf fassen, aber wie wir gerade schon gehört haben, ist es ja auch sehr exklusiv, dass wir in den Raum reindürfen. Es ist wirklich ein Höhepunkt der Tour, ja, dass Bach diese Noten auch gesehen hat! Das kann man eben nur hier erleben. Das finde ich ganz besonders."
Anna-Luise Oppelt, eine der Reiseleiterinnen, versucht sich vorsichtig an der Melodie aus dem alten Gesangbuch. Die historische Notation ist schwer zu lesen. Danach geht es weiter, nach Arnstadt, Dornheim, Weimar, und natürlich: Leipzig.
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