Bach und seine Entdecker
Das Bachfest 2010 steht unter dem Motto "Bach - Schumann - Brahms". So wird deutlich gemacht, dass u.a. Schumann maßgeblich an der Wiederentdeckung Bachs mitgewirkt hat. Neben Werken Bachs sind in Leipzig auch Uraufführung zeitgenössischer Komponisten zu hören.
Selbstverständlich wurde das Bachfest in der Thomaskirche eröffnet, mit dem Thomanerchor und dem Leipziger Gewandhausorchester unter Leitung von Thomaskantor Georg Christoph Biller, zu hören war unter anderem Bachs Magnificat in D-Dur. Rund 100 Veranstaltungen stehen insgesamt auf dem Programm, und der musikalische Rahmen geht weiter über Bachs Musik hinaus, betont Elmar Weingarten, einer der drei künstlerischen Leiter des Festivals:
"Wenn ich gefragt würde, was ist der Lieblingskomponist, dann würde ich wahrscheinlich doch sagen, der ist im 12. Jahrhundert geboren und lebt heute noch. Ich bin dort sehr, sehr eklektisch und Bach ist der Fixstern, aber es gibt auch andere und so habe ich mich gefreut, dass wir uns verständigt haben auf Bach, Schumann und Brahms in diesem Jahr."
Drei Namen als Motto, das wirkt auf den ersten Eindruck etwas beliebig, beim Durchblättern des Programmheftes erschließen sich aber doch einige spannende Beziehungen zwischen den Komponisten. So hatte nicht nur Felix Mendelssohn Bartholdy, sondern auch Robert Schumann großen Anteil an der Wiederentdeckung Bachs im 19. Jahrhundert, betont der Dramaturg des Bachfestes, Andreas Glöckner. Schumann gehörte u.a. zu den Gründungsmitgliedern der alten Bachgesellschaft, die als erste das Bachsche Gesamtwerk herausgegeben hat. Aber auch ganz praktisch setzte er sich für Bach ein:
"Er hat immerhin als einer der Ersten die Johannespassion wiederaufgeführt, die war ja zu der Zeit wenig bekannt, und er hat sie sogar über die Matthäuspassion gestellt."
Im Zuge dieser Aufführung in Düsseldorf schrieb Schumann zwei eigene chorsinfonische Werke, das Requiem und die Messe in c-Moll, die im Eröffnungskonzert unter Leitung von Georg Christoph Biller ebenfalls zu hören war.
Johannes Brahms gehörte zur nächsten Komponistengeneration, die von Mendelssohns und Schumanns Beschäftigung mit Bach profitieren, bzw. darauf aufbauen konnte ...
Glöckner: "Brahms hat gesagt zur Bach-Gesamtausgabe: Für mich ist jeder Band eine neue Welt. Hier kommt auch überdies wieder die Beziehung zu Schumann. Nämlich Clara Schumann hat ihm 1856 die ersten Bände der Gesamtausgabe geschenkt, und daraufhin hat Brahms die Ausgabe abonniert."
Später, so Andreas Glöckner, wollte der Rat der Stadt Leipzig Brahms sogar als Thomaskantor engagieren, doch er lehnte ab, u.a. weil er gewisse Fragen zu seinem Lebenswandel nicht beantworten wollte.
Nicht beantworten musste derartige Fragen der belgische Dirigent Philippe Herreweghe, er bekam die Bach-Medaille der Stadt Leipzig auch so. Seine in den 80er-Jahren entstandenen Schallplattenaufnahmen mit den Ensembles "Collegium Vocale Gent" und "La Chapelle Royale Paris" haben bis heute Referenzcharakter. Beeindruckend Herreweghes unverwechselbarer transparenter Interpretationsstil. Diesen, so betonte er nach der Preisverleihung, hat er jedoch keinesfalls alleine entwickelt:
"Sehr wichtig ist die Symbiose gewesen mit meinen Musikerfreunden, zum Beispiel Marcel Ponseele ist unser Oboist, und dann hab ich mit Sängern gearbeitet sehr gründlich wie Christoph Pregardien, das ist auch eine Gruppenstrategie, um diese Musik zu begreifen."
Philippe Herreweghe bedankte sich für die Auszeichnung mit einem Konzert, auf dem Programm garantiert nicht zufällig: Kantaten, die Bach für den Rat der Stadt Leipzig geschrieben hat.
Ein weiterer Höhepunkt am Wochenende war die Uraufführung eines chorsinfonischen Werkes vom renommierten britischen Komponisten Harrison Birtwistle.
"Angel Fighter", zu deutsch Engelskämpfer, ist ein Auftragskomposition des Bachfestes. Zugrunde eine Geschichte aus dem alten Testament, den Kampf des Erzvaters Jakob mit dem Engel.
Birtwistle: "Nun, ich kenne sie von Gemälden und aus der Bibel. Es ist schon eine dramatische Geschichte, die viele Möglichkeiten der musikalischen Umsetzung bietet. Man könnte auch eine Oper daraus machen. Mein Stück könnte man sicher auch in einem Opernhaus spielen, mit nur einer halben Stunde ist es dafür allerdings zu kurz."
Im Grunde ist Harrison Birtwistles Werk ein Oratorium, das in der Nachfolge Benjamin Brittens steht. Neben zwei hervorragenden Solisten waren außerdem der RIAS-Kammerchor und das Berliner Ensemble MusikFabrik zu hören, die Leitung hatte Stefan Asbury.
Sowohl das eher konservative Bachfestpublikum, als auch die versammelte Kritikerriege waren von der Musik gleichermaßen beeindruckt.
Zum Programm des Leipziger Bachfestes gehört in jedem Jahr auch eine Opernaufführung. In diesem Jahr wird das Publikum eine absolute Premiere erleben: Die Oper "Die lybische Talestris" vom Bachzeitgenossen Johann David Heinichen war nämlich über 200 Jahre lang verschollen und wurde erst vor wenigen Jahren wiederentdeckt. Aufgeführt wird sie am kommenden Mittwoch und Donnerstag von Studenten der Leipziger Musikhochschule, kündigt Elmar Weingarten vom künstlerischen Direktorium des Bachfestes an:
"Es ist eine 1709 für das Leipziger Opernhaus entstandene Oper und es ist wohl die einzige, die überliefert ist aus dieser Zeit. Talestris will das Mannsvolk ausrotten ... Wir wissen es jetzt: die Wiege des Feminismus stand in Leipzig ..."
Die Leipziger Barockoper war im frühen 18. Jahrhundert übrigens ebenso auf der Höhe der Zeit, wie die Hamburger Gänsemarktoper, allerdings hatte sie nicht so lange Bestand.
Weingarten: "Sie ist also bankrottgegangen, also früher gingen Opern bankrott, vielleicht auch ein ganz interessanter Hinweis in diesen schwieriger werdenden Zeiten."
Dass das Leipziger Bachfest in nächster Zeit bankrottgeht, ist nicht zu befürchten, schließlich wird die Stadt bei der Durchführung kräftig vom Freistaat Sachsen unterstützt, was für eine beachtliche Außenwirkung sorgt. Diese wäre wahrscheinlich aber noch größer, wenn es statt der drei künstlerischen Leiter – neben Elmar Weingarten stehen Thomaskantor Georg Christoph Biller und der Bachforscher Christoph Wolff an der Spitze – nur noch eine prägende Figur geben würde. Infrage käme da zum Beispiel der Brite Sir John Eliot Gardiner. Er wird am kommenden Sonntag für einen glanzvollen Abschluss des Festivals sorgen, mit Bachs Opus Summum, der h-Moll-Messe.
"Wenn ich gefragt würde, was ist der Lieblingskomponist, dann würde ich wahrscheinlich doch sagen, der ist im 12. Jahrhundert geboren und lebt heute noch. Ich bin dort sehr, sehr eklektisch und Bach ist der Fixstern, aber es gibt auch andere und so habe ich mich gefreut, dass wir uns verständigt haben auf Bach, Schumann und Brahms in diesem Jahr."
Drei Namen als Motto, das wirkt auf den ersten Eindruck etwas beliebig, beim Durchblättern des Programmheftes erschließen sich aber doch einige spannende Beziehungen zwischen den Komponisten. So hatte nicht nur Felix Mendelssohn Bartholdy, sondern auch Robert Schumann großen Anteil an der Wiederentdeckung Bachs im 19. Jahrhundert, betont der Dramaturg des Bachfestes, Andreas Glöckner. Schumann gehörte u.a. zu den Gründungsmitgliedern der alten Bachgesellschaft, die als erste das Bachsche Gesamtwerk herausgegeben hat. Aber auch ganz praktisch setzte er sich für Bach ein:
"Er hat immerhin als einer der Ersten die Johannespassion wiederaufgeführt, die war ja zu der Zeit wenig bekannt, und er hat sie sogar über die Matthäuspassion gestellt."
Im Zuge dieser Aufführung in Düsseldorf schrieb Schumann zwei eigene chorsinfonische Werke, das Requiem und die Messe in c-Moll, die im Eröffnungskonzert unter Leitung von Georg Christoph Biller ebenfalls zu hören war.
Johannes Brahms gehörte zur nächsten Komponistengeneration, die von Mendelssohns und Schumanns Beschäftigung mit Bach profitieren, bzw. darauf aufbauen konnte ...
Glöckner: "Brahms hat gesagt zur Bach-Gesamtausgabe: Für mich ist jeder Band eine neue Welt. Hier kommt auch überdies wieder die Beziehung zu Schumann. Nämlich Clara Schumann hat ihm 1856 die ersten Bände der Gesamtausgabe geschenkt, und daraufhin hat Brahms die Ausgabe abonniert."
Später, so Andreas Glöckner, wollte der Rat der Stadt Leipzig Brahms sogar als Thomaskantor engagieren, doch er lehnte ab, u.a. weil er gewisse Fragen zu seinem Lebenswandel nicht beantworten wollte.
Nicht beantworten musste derartige Fragen der belgische Dirigent Philippe Herreweghe, er bekam die Bach-Medaille der Stadt Leipzig auch so. Seine in den 80er-Jahren entstandenen Schallplattenaufnahmen mit den Ensembles "Collegium Vocale Gent" und "La Chapelle Royale Paris" haben bis heute Referenzcharakter. Beeindruckend Herreweghes unverwechselbarer transparenter Interpretationsstil. Diesen, so betonte er nach der Preisverleihung, hat er jedoch keinesfalls alleine entwickelt:
"Sehr wichtig ist die Symbiose gewesen mit meinen Musikerfreunden, zum Beispiel Marcel Ponseele ist unser Oboist, und dann hab ich mit Sängern gearbeitet sehr gründlich wie Christoph Pregardien, das ist auch eine Gruppenstrategie, um diese Musik zu begreifen."
Philippe Herreweghe bedankte sich für die Auszeichnung mit einem Konzert, auf dem Programm garantiert nicht zufällig: Kantaten, die Bach für den Rat der Stadt Leipzig geschrieben hat.
Ein weiterer Höhepunkt am Wochenende war die Uraufführung eines chorsinfonischen Werkes vom renommierten britischen Komponisten Harrison Birtwistle.
"Angel Fighter", zu deutsch Engelskämpfer, ist ein Auftragskomposition des Bachfestes. Zugrunde eine Geschichte aus dem alten Testament, den Kampf des Erzvaters Jakob mit dem Engel.
Birtwistle: "Nun, ich kenne sie von Gemälden und aus der Bibel. Es ist schon eine dramatische Geschichte, die viele Möglichkeiten der musikalischen Umsetzung bietet. Man könnte auch eine Oper daraus machen. Mein Stück könnte man sicher auch in einem Opernhaus spielen, mit nur einer halben Stunde ist es dafür allerdings zu kurz."
Im Grunde ist Harrison Birtwistles Werk ein Oratorium, das in der Nachfolge Benjamin Brittens steht. Neben zwei hervorragenden Solisten waren außerdem der RIAS-Kammerchor und das Berliner Ensemble MusikFabrik zu hören, die Leitung hatte Stefan Asbury.
Sowohl das eher konservative Bachfestpublikum, als auch die versammelte Kritikerriege waren von der Musik gleichermaßen beeindruckt.
Zum Programm des Leipziger Bachfestes gehört in jedem Jahr auch eine Opernaufführung. In diesem Jahr wird das Publikum eine absolute Premiere erleben: Die Oper "Die lybische Talestris" vom Bachzeitgenossen Johann David Heinichen war nämlich über 200 Jahre lang verschollen und wurde erst vor wenigen Jahren wiederentdeckt. Aufgeführt wird sie am kommenden Mittwoch und Donnerstag von Studenten der Leipziger Musikhochschule, kündigt Elmar Weingarten vom künstlerischen Direktorium des Bachfestes an:
"Es ist eine 1709 für das Leipziger Opernhaus entstandene Oper und es ist wohl die einzige, die überliefert ist aus dieser Zeit. Talestris will das Mannsvolk ausrotten ... Wir wissen es jetzt: die Wiege des Feminismus stand in Leipzig ..."
Die Leipziger Barockoper war im frühen 18. Jahrhundert übrigens ebenso auf der Höhe der Zeit, wie die Hamburger Gänsemarktoper, allerdings hatte sie nicht so lange Bestand.
Weingarten: "Sie ist also bankrottgegangen, also früher gingen Opern bankrott, vielleicht auch ein ganz interessanter Hinweis in diesen schwieriger werdenden Zeiten."
Dass das Leipziger Bachfest in nächster Zeit bankrottgeht, ist nicht zu befürchten, schließlich wird die Stadt bei der Durchführung kräftig vom Freistaat Sachsen unterstützt, was für eine beachtliche Außenwirkung sorgt. Diese wäre wahrscheinlich aber noch größer, wenn es statt der drei künstlerischen Leiter – neben Elmar Weingarten stehen Thomaskantor Georg Christoph Biller und der Bachforscher Christoph Wolff an der Spitze – nur noch eine prägende Figur geben würde. Infrage käme da zum Beispiel der Brite Sir John Eliot Gardiner. Er wird am kommenden Sonntag für einen glanzvollen Abschluss des Festivals sorgen, mit Bachs Opus Summum, der h-Moll-Messe.