Nischenstudiengänge in der Kritik
Ein Studium, legt der Wissenschaftsrat dar, müsse drei Dinge leisten: Es diene der fachwissenschaftlichen Bildung, der Persönlichkeitsentwicklung und der Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt. Wenn ein Studiengang ausschließlich auf spezifische berufliche Tätigkeiten oder sogar konkrete Arbeitsplätze ausgerichtet sei, dann werde die Hochschule ihrem gesellschaftlichen Auftrag nicht gerecht, so die Kritik.
Wer sich heute an der Hochschule einschreibt, hat die Qual der Wahl. Immer mehr Studiengänge sprießen aus dem Boden, und ihre Ausrichtung wird oft immer kleinteiliger. "Mensch-Computer-Interaktion" oder "Popmusikjournalismus" sind heute vollwertige Bachelor-Studiengänge. Manches Fach suggeriert eine große Berufsorientiertheit. Doch manche Nische könnte sich als zu klein erweisen. Der deutsche Wissenschaftsrat legte heute ein Gutachten vor, in dem er ausdrücklich vor einer zu starken Spezialisierung bei den Bachelor-Studiengängen warnt. Bachelor müssten fachlich breit angelegt werden, einen Überblick über die Gesamtdisziplin geben, eine Spezialisierung solle dann, wenn gewünscht, erst in einem Masterstudiengang erfolgen, fordert Manfred Prenzel, Vorsitzender des Wissenschaftsrates.
"Ich hab grade von jemandem gehört. Ein Bachelor-Studiengang für Europäische Rechtslinguistik. Wenn Sie sich so etwas vorstellen, dann müssen Sie ein Zeit lang nachdenken, ob das ein sinnvoll zugeschnittener Studiengang ist. Der könnte ganz interessant sein vielleicht, aber möglicherweise ist das sehr eng. Und wenn Sie so was als Bachelor anbieten, dann führen Sie die jungen Menschen in eine sehr enge Spur."
"Wildwuchs" bei den Hochschulfächern
Ein Studium, legt der Wissenschaftsrat dar, müsse drei Dinge leisten: Es diene der fachwissenschaftlichen Bildung, der Persönlichkeitsentwicklung und der Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt. Wenn ein Studiengang ausschließlich auf spezifische berufliche Tätigkeiten oder sogar konkrete Arbeitsplätze ausgerichtet sei, dann werde die Hochschule ihrem gesellschaftlichen Auftrag nicht gerecht, so die Kritik.
Der Wissenschaftsrat, der die Politik in Hochschulfragen berät, beschäftigt sich in seinem Gutachten mit dem Verhältnis zwischen Hochschulen und Arbeitsmarkt. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung veränderten sich auch die Anforderungen an die Hochschulen, betonte Prenzel. Trotz der Zuwanderung werde das Problem des Fachkräftemangels in absehbarer Zeit bestehen bleiben.
"Damit rücken Fragen ins Zentrum, die man manchmal vielleicht gerne ein bisschen ausgeblendet hat, nämlich die Frage Relevanz für den Arbeitsmarkt. Also was bedeutet es für den Arbeitsmarkt, und was müsste getan werden, damit eben diese Hochschulbildung nicht esoterische Qualifikationen in großer Zahl entwickelt, die dann leider später ohne jede Möglichkeiten sind, sich über eine Berufsbiografie zu entwickeln.
Breites Wissensspektrum
Auch Bundesbildungsministerin Johanna Wanka hatte kürzlich in der Zeitung "Die Welt" vor einem "Wildwuchs" bei den Hochschulfächern gewarnt. Studiengänge müssten ein breites Wissensspektrum vermitteln, sie lieferten das Rüstzeug für ein ganzes Leben, sagte die CDU-Ministerin. Doch die Entwicklung zeigt ein Dilemma: Denn von der Wirtschaft wird immer wieder gefordert, dass die Bachelor-Absolventen schon auf dem Arbeitsmarkt einsetzbar sein sollen.
Ob sie das mit hoch spezialisierten oder exotischen Ausbildungsinhalten tatsächlich sind, muss sich erst noch herausstellen. Doch für Breite und Tiefe ist in den sechs Bachelor-Semestern oft nicht die Zeit. Hinzu kommt, dass der Wettbewerb unter den Hochschulen diese dazu treibt, sich mit möglichst einzigartigen und exotischen Studiengängen zu profilieren. Prenzel sieht auch einen Zusammenhang zwischen der Perspektivlosigkeit von manchen Orchideenfächern und der hohen Abbrecherquote - 30 Prozent im Bachelor.
"Auch wieder vor dem Hintergrund demografischer Wandel: Wir können es uns einfach nicht leisten, dass große Anteile der Studierenden über viele Semester studieren und dann ihr Studium erfolglos abbrechen."
Der Wissenschaftsrat sieht die Hochschulen in der Verantwortung. Mit klaren Lehrprofilen sollen sie formulieren, was genau in ihren Studiengängen vermittelt wird, und welche Anwendungsmöglichkeiten bestehen. Dies würde für Transparenz sorgen bei Studierenden und bei Arbeitgebern. Und: Es wäre ehrlicher.