"Auf Ukrainisch kann ich mich belügen"
Tanja Maljartschuk heißt die neue Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin, sie ist Mitte 30, stammt aus der Ukraine und lebt seit einigen Jahren in Wien. Wir sprechen mit der Autorin über die deutsche Sprache, über Immigration und ihre Erzählung "Frösche im Meer".
Tanja Maljartschuk ist mit dem 42. Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet worden. Die Autorin erhielt die Ehrung in Klagenfurt für ihren Text "Frösche im Meer", der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert. Ihre Erzählung "Frösche im Meer" war für den Laudator ein "Glücksfall".
Bisher hat die Autorin ihre Texte auf Ukrainisch verfasst und schreibt inzwischen auch auf Deutsch - was für Maljartschuk einen Unterschied macht. "Ich habe die deutsche Sprache vor sieben Jahren gelernt - also angefangen zu lernen", sagt Maljartschuk im Interview mit Britta Bürger. Größere Texte werde sie weiterhin auf Ukrainisch schreiben. Kleinere Texte schreibe sie auch auf Deutsch. Vor drei Jahren hat sie angefangen, Kolumnen zu schreiben, auch für "Die Zeit"-Online. Die Schriftstellerin könne sich nicht vorstellen, einen ganzen Roman auf Deutsch zu verfassen. Das würde zu lange dauern. "Ich schreibe auf Deutsch sehr langsam." Sie mag es sehr, auf Deutsch zu schreiben. Der Unterschied zum Ukrainischen: "Auf Ukrainisch kann ich mich belügen, weil ich so viele Wörter kenne. Auf Deutsch habe ich nur ein paar Wörter, mit denen ich zurecht kommen muss. Die Geschichte wird dann sehr einfach, ich muss wirklich präzise sein, auf den Punkt kommen - ich habe nicht drei oder zehn Wörter, sondern nur eins", sagt die Ukrainerin. "Ich bin klarer auf Deutsch, ich bin offener, ehrlicher, schärfer vielleicht auch." Was sie auf Ukrainisch nicht schreiben dürfe, schreibt sie auf Deutsch.
"Ich bin auch in der Haut einer Immigrantin"
"Frösche im Meer" hat sie auf Deutsch geschrieben. In dieser Erzählung geht es um die Begegnung einer alten, dementen Österreicherin und einem jungen Mann, der aus der Ukraine nach Wien gekommen ist. Zwei Verlorene, die ineinander Halt finden. Diese Beziehung zwischen diesen beiden Menschen könne die Autorin nicht erklären. "Ich habe diese Beziehung einfach so beschrieben, wie ich sie empfunden habe", erklärt Maljartschuk. Die Leser hätten die Erzählung ganz anders interpretiert. "Für mich war die Beziehung zwischen dem Immigranten und dieser alten Frau einfach wie ein Ersatz für seine Mutter." Es sei ihr egal, wie andere Menschen diese Erzählung empfunden haben. "Ich bin nicht die, die analysiert, ich schreibe."
In der Erzählung "Frösche im Meer" spielt ein ukrainischer Immigrant die Hauptrolle. "Ich bin auch in der Haut einer Immigrantin, aber ich habe ein Luxusleben. Es ist nicht zu vergleichen mit all diesen Tausenden Immigranten, die als Gastarbeiter, ohne Papiere illegal nach Westeuropa versuchen zu kommen", sagt die Autorin. Ihre Lage sein anders, sie fühle sich nicht als Verliererin, aber sie kenne viele Geschichten von Immigranten, die alles verloren haben, ohne Papiere oder Pass leben. Die Figur in ihrer Erzählung "Frösche im Meer" sei ein Sinnbild für all diese Menschen.
Ihr nächster Roman handelt auch von einer Immigration, es ist aber ein historischer Roman. Es geht um Flüchtlinge aus der Ukraine nach der bolschewistischen Revolution.