Bachtyar Ali: "Perwanas Abschied"
Aus dem Kurdischen (Surani) von Ute Cantera-Lang und Rawezh Salim
Unionsverlag 2019
228 Seiten, 22 Euro
Kurdischer Autor: "Was in Syrien geschieht, ist ein Völkermord"
10:43 Minuten
Der kurdische Autor Bachtyar Ali hat mit "Perwanas Abend" ein Buch geschrieben, das im Irak verboten wurde. Erst jetzt ist der Roman auf Deutsch erschienen. Im Gespräch äußert sich Ali besorgt über die Situation der Kurden in Syrien.
Zwei Millionen Kurden im Nahen Osten leben als Flüchtlinge. Schon lange aus dem Nordirak geflohen ist der Autor Bachtyar Ali. Seit den 90ern lebt er in Deutschland. Nun ist sein Roman "Perwanas Abend" auf Deutsch erschienen – nach über 20 Jahren. Denn Ali schreibt in der kurdischen Sprache Surani, dafür gibt es nicht viele Übersetzer.
"Die kurdische Sprache war lange Zeit eine verbotene Sprache", sagt Ali. In der Türkei stand sie unter Strafe. Für kurdische Autoren ist das Leben doppelt so gefährlich, besonders für gesellschaftskritische. Auch Ali sei von verschiedenen Seiten bedroht worden. Deshalb sei er geflohen.
Im Herzen ein Nomade
Ali kann seiner Flucht auch eine positive Seite abgewinnen: "Ich habe eine wandernde Seele", sagt er. "Ich bin im Herzen ein Nomade. Ich will nicht an einem Ort bleiben, ich will die Welt mehr entdecken, nicht nur geografisch, topografisch, sondern auch seelisch und kulturell."
Die Situation der Kurden in Syrien seit der türkischen Invasion stimme ihn traurig. "Die kurdische Existenz auszulöschen war immer das Hauptziel des türkischen Nationalismus", sagt Ali.
Der Kemalismus habe den Mythos von einem Land mit einem Volk und einer Sprache geschaffen, doch das Projekt, dabei andere Identitäten zu eliminieren, sei gescheitert. "Aber Erdogan betreibt diese Politik immer noch. Erdogan ist ein sehr blinder Nationalist. Er benutzt nur die Sprache der Gewalt, Gefängnis und Folter und Krieg."
Die Kurden allein seien nicht in der Lage, diese "faschistische Maschine" zu stoppen, ohne internationale Hilfe. "Was da geschieht, ist eine ethnische Säuberung, ein Völkermord. Wenn wir alles tatenlos betrachten, haben wir nichts vom Holocaust, haben wir nichts von den Völkermorden im 20. Jahrhundert gelernt."
Persönliche Freiheit hat im Islam keinen Platz
"Perwanas Abschied" handelt von einer Frau, die eine selbstbestimmte, freie Sexualität ausleben will und dabei ihr Leben riskiert, weil sie gegen muslimische Sittengebote verstößt. Sie flieht zusammen mit anderen ins "Tal der Liebe". "Die Liebe hat hier sehr viel mit persönlicher Freiheit zu tun", sagt Ali. "Und persönliche Freiheit hat leider im Islam keinen Platz. Es gibt keine Islam-Herrschaft ohne Herrschaft über Frauen."
Der Roman wurde im Irak* verboten, weil er angeblich eine "Anleitung zur Rebellion" ist. Ali betont: "Die moralische Rebellion ist bei uns immer sehr viel gefährlicher als die politische Rebellion."
(leg)
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