Backfisch: Die Nachrichtendienste haben massiv geschlampt
Der Skandal um Vertuschungen beim Verfassungsschutz wird noch weiter hochkochen, sagt der Journalist Michael Backfisch von der "Thüringer Allgemeine". Der Innenminister in Thüringen, Jörg Geibert (CDU), stehe unter großem Druck, den Präsidenten des Landesverfassungsschutzes, Thomas Sippel, zu entlassen.
Ute Welty: Tinte, Tusche, Tonfarbe, Treppe, Tobago, Tarif und Tacho – das waren die Namen der V-Leute für die rechte Szene, deren Anwerbe- und Führungsakten beim Bundesamt für Verfassungsschutz im Schredder gelandet sind, offenbar kurz nachdem sich die Frau im Thüringer Terror-Trio der Polizei gestellt hatte.
Der Schluss liegt nahe, dass da mehr als ein zeitlicher Zusammenhang existiert, und es liegt auch nahe, dass Verfassungsschutz-Präsident Heinz Fromm die Konsequenzen trägt und zurücktritt. Wie man das bei der "Thüringer Allgemeinen" beobachtet, weiß Michael Backfisch, Chef des Nachrichten-Desks dort. Guten Morgen!
Michael Backfisch: Guten Morgen, Frau Welty.
Welty: Als die Nachricht von Fromms Rücktritt kam, gab es da irgendjemanden in der Redaktion, der gesagt hat, das hätte aber nicht Not getan?
Backfisch: Nein, das hat niemand gesagt. Die Meinung ist einhellig, dass der Skandal so überwältigend ist, was im Bundesverfassungsschutz passiert ist, dass dieser Schritt folgerichtig ist. Die Frage ist, ob er reicht, und die Frage ist, ob man nicht tiefer gehen muss.
Es gibt politische Forderungen hier in Thüringen, die sagen, auch der Präsident des Landesverfassungsschutzes ist nicht mehr zu halten und auch hier im Land muss es Konsequenzen geben. Es handelt sich um Herrn Thomas Sippel, der seit 2000 im Amt ist und hier auch sehr involviert ist in die Arbeit des Landesverfassungsschutzes, und insofern hat das ganze auch eine sehr starke innenpolitische Komponente hier in Thüringen.
Welty: Genau das fordert ja auch Ihr Leitartikel: "Es wird Zeit, dass auch Thüringen konsequent handelt":
Backfisch: Ja, natürlich! Wie gesagt: der Präsident des Landesverfassungsschutzes ist seit 2000 im Amt. Er ist massiv auch beteiligt gewesen an dieser Operation Rennsteig, wo zehn V-Leute platziert worden sind in die Thüringer Neonazi-Szene, in den Thüringer Heimatschutz, aus dieser Gruppierung haben sich später die drei Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrundes rekrutiert. Und hier ist natürlich dann die Frage: Wurde nicht geschlampt? Wurde den Hinweisen nicht nachgegangen? Wurde nicht konsequent genug eingegriffen? Und diese Fragen gipfeln natürlich in der Forderung: Muss nicht auch der Präsident des Landesverfassungsschutzes zurücktreten?
Welty: Genau damit beschäftigt sich ja auch in Thüringen ein eigener Untersuchungsausschuss, der auch heute wieder tagt. Inwieweit wird sich die Arbeit dieses Ausschusses jetzt verändern und auch die Aufmerksamkeit, auch die mediale Aufmerksamkeit für diesen Ausschuss?
Backfisch: Hier spielt wie gesagt die Thüringer innenpolitische Komponente, es gibt massive Forderungen des Koalitionspartners SPD, dass der Präsident des Landesverfassungsschutzes zurücktreten soll, der Fraktionschef hat im Zitat gefordert, "Dieser Präsident ist nicht mehr zu halten". Auch in der CDU gibt es Forderungen, der innenpolitische Sprecher sagt, das Vertrauen zum Präsidenten des Landesverfassungsschutzes sei "vollkommen zerstört".
Also hier kocht etwas hoch und das bringt natürlich die CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht in Zugzwang. Sie sagt zwar, sie spielt den schwarzen Peter ein bisschen weiter auf die Bundesebene, sie sagt, die Bundesregierung stehe nun in der Pflicht, die Aufklärung "noch schneller voranzutreiben". Aber in Wirklichkeit liegt der Ball im Spielfeld in Thüringen und man spekuliert, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, dass der dortige Innenminister Jörg Geibert, auch von der CDU, handeln muss und auch hier in der Frage des Landesverfassungsschutz-Präsidenten Flagge zeigen muss.
Welty: Steuern Sie auf eine Koalitionskrise hin in Thüringen?
Backfisch: So weit ist es noch nicht. Die Landtagswahlen sind 2014, da ist noch eine ganze Zeit hin. Aber wir haben hier eine Große Koalition und es ist natürlich durchaus legitim, die Frage zu stellen, ob die SPD mit ihrer verschärften Position nicht hier politische Lockerungsübungen macht, auch mit Hinblick auf ein künftiges Bündnis Rot-Rot, also mit den Linken, die ja noch völlig andere Forderungen haben, nämlich nach einer Abschaffung des Verfassungsschutzes.
Also das hat durchaus Fragen, die auch die Koalitionsarithmetik berühren, und der CDU ist das sicherlich unangenehm. Die Ministerpräsidentin hat schon vor einigen Tagen und Wochen gesagt, dass die SPD sich da doch ziemlich weit aus dem Fenster hängt und ein bisschen die Massivität in dieser Frage zurückfahren sollte.
Welty: Inwieweit bereiten Sie sich jetzt redaktionell darauf vor? Versucht man, da noch mal neue Kontakte zu knüpfen, geht man mit einem Linkspartei-Politiker ein Bier trinken?
Backfisch: Die Kontakte sind sehr gut und die sind sehr intensiv und selbstverständlich werden wir unsere Kontakte spielen lassen und das Thema weiterdrehen, denn das kocht hoch, und wie gesagt, die Weiterungen liegen nicht nur in der Frage, was sind die Konsequenzen, die institutionellen und strukturellen Konsequenzen bei den Nachrichtendiensten, die hier massiv geschlampt haben, welche Konsequenzen zieht man daraus, sondern welche politischen Weiterungen hat das bis hin in Koalitionsfragen.
Welty: Aus Erfurt Michael Backfisch von der "Thüringer Allgemeinen" – herzlichen Dank fürs Gespräch.
Backfisch: Bitte schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Der Schluss liegt nahe, dass da mehr als ein zeitlicher Zusammenhang existiert, und es liegt auch nahe, dass Verfassungsschutz-Präsident Heinz Fromm die Konsequenzen trägt und zurücktritt. Wie man das bei der "Thüringer Allgemeinen" beobachtet, weiß Michael Backfisch, Chef des Nachrichten-Desks dort. Guten Morgen!
Michael Backfisch: Guten Morgen, Frau Welty.
Welty: Als die Nachricht von Fromms Rücktritt kam, gab es da irgendjemanden in der Redaktion, der gesagt hat, das hätte aber nicht Not getan?
Backfisch: Nein, das hat niemand gesagt. Die Meinung ist einhellig, dass der Skandal so überwältigend ist, was im Bundesverfassungsschutz passiert ist, dass dieser Schritt folgerichtig ist. Die Frage ist, ob er reicht, und die Frage ist, ob man nicht tiefer gehen muss.
Es gibt politische Forderungen hier in Thüringen, die sagen, auch der Präsident des Landesverfassungsschutzes ist nicht mehr zu halten und auch hier im Land muss es Konsequenzen geben. Es handelt sich um Herrn Thomas Sippel, der seit 2000 im Amt ist und hier auch sehr involviert ist in die Arbeit des Landesverfassungsschutzes, und insofern hat das ganze auch eine sehr starke innenpolitische Komponente hier in Thüringen.
Welty: Genau das fordert ja auch Ihr Leitartikel: "Es wird Zeit, dass auch Thüringen konsequent handelt":
Backfisch: Ja, natürlich! Wie gesagt: der Präsident des Landesverfassungsschutzes ist seit 2000 im Amt. Er ist massiv auch beteiligt gewesen an dieser Operation Rennsteig, wo zehn V-Leute platziert worden sind in die Thüringer Neonazi-Szene, in den Thüringer Heimatschutz, aus dieser Gruppierung haben sich später die drei Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrundes rekrutiert. Und hier ist natürlich dann die Frage: Wurde nicht geschlampt? Wurde den Hinweisen nicht nachgegangen? Wurde nicht konsequent genug eingegriffen? Und diese Fragen gipfeln natürlich in der Forderung: Muss nicht auch der Präsident des Landesverfassungsschutzes zurücktreten?
Welty: Genau damit beschäftigt sich ja auch in Thüringen ein eigener Untersuchungsausschuss, der auch heute wieder tagt. Inwieweit wird sich die Arbeit dieses Ausschusses jetzt verändern und auch die Aufmerksamkeit, auch die mediale Aufmerksamkeit für diesen Ausschuss?
Backfisch: Hier spielt wie gesagt die Thüringer innenpolitische Komponente, es gibt massive Forderungen des Koalitionspartners SPD, dass der Präsident des Landesverfassungsschutzes zurücktreten soll, der Fraktionschef hat im Zitat gefordert, "Dieser Präsident ist nicht mehr zu halten". Auch in der CDU gibt es Forderungen, der innenpolitische Sprecher sagt, das Vertrauen zum Präsidenten des Landesverfassungsschutzes sei "vollkommen zerstört".
Also hier kocht etwas hoch und das bringt natürlich die CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht in Zugzwang. Sie sagt zwar, sie spielt den schwarzen Peter ein bisschen weiter auf die Bundesebene, sie sagt, die Bundesregierung stehe nun in der Pflicht, die Aufklärung "noch schneller voranzutreiben". Aber in Wirklichkeit liegt der Ball im Spielfeld in Thüringen und man spekuliert, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, dass der dortige Innenminister Jörg Geibert, auch von der CDU, handeln muss und auch hier in der Frage des Landesverfassungsschutz-Präsidenten Flagge zeigen muss.
Welty: Steuern Sie auf eine Koalitionskrise hin in Thüringen?
Backfisch: So weit ist es noch nicht. Die Landtagswahlen sind 2014, da ist noch eine ganze Zeit hin. Aber wir haben hier eine Große Koalition und es ist natürlich durchaus legitim, die Frage zu stellen, ob die SPD mit ihrer verschärften Position nicht hier politische Lockerungsübungen macht, auch mit Hinblick auf ein künftiges Bündnis Rot-Rot, also mit den Linken, die ja noch völlig andere Forderungen haben, nämlich nach einer Abschaffung des Verfassungsschutzes.
Also das hat durchaus Fragen, die auch die Koalitionsarithmetik berühren, und der CDU ist das sicherlich unangenehm. Die Ministerpräsidentin hat schon vor einigen Tagen und Wochen gesagt, dass die SPD sich da doch ziemlich weit aus dem Fenster hängt und ein bisschen die Massivität in dieser Frage zurückfahren sollte.
Welty: Inwieweit bereiten Sie sich jetzt redaktionell darauf vor? Versucht man, da noch mal neue Kontakte zu knüpfen, geht man mit einem Linkspartei-Politiker ein Bier trinken?
Backfisch: Die Kontakte sind sehr gut und die sind sehr intensiv und selbstverständlich werden wir unsere Kontakte spielen lassen und das Thema weiterdrehen, denn das kocht hoch, und wie gesagt, die Weiterungen liegen nicht nur in der Frage, was sind die Konsequenzen, die institutionellen und strukturellen Konsequenzen bei den Nachrichtendiensten, die hier massiv geschlampt haben, welche Konsequenzen zieht man daraus, sondern welche politischen Weiterungen hat das bis hin in Koalitionsfragen.
Welty: Aus Erfurt Michael Backfisch von der "Thüringer Allgemeinen" – herzlichen Dank fürs Gespräch.
Backfisch: Bitte schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.