Bad Godesberg als Problemkiez

Von Dina Netz |
Als Bonn noch Bundeshauptstadt war, war Bad Godesberg der Diplomaten- und Beamten-Stadtteil, ein ruhiger, wohlhabender Kurort am südlichen Rand der Stadt. Mit dem Regierungsumzug hat sich der Stadtteil verändert. Mit welchen Problemen man zu kämpfen hat, zeigt das dokumentarische Stück "Zwei Welten" am Theater Bonn.
Dokumentarstücke über Problemstadtteile hat es schon reichlich gegeben. "Zwei Welten" ist insofern anders, als die Autorin Ingrid Müller-Münch Journalistin und keine Dramatikerin ist. Und insofern, als Bad Godesberg keiner der üblichen Problemstadtteile ist. Als Bonn noch Regierungssitz war, war Bad Godesberg sogar das genaue Gegenteil: ruhiger Wohnort von Beamten und Diplomaten mit teuren Geschäften und schicken Restaurants.

Seit dem Umzug der Regierung hat sich das verändert, Menschen mit Migrationshintergrund ziehen nach Bad Godesberg, Fastfood-, Döner- und Internetläden dominieren das Stadtbild. Im Kurpark treffen Schüler vom Elitegymnasium auf Jugendgangs – manchmal verläuft der Zusammenstoß dieser "Zwei Welten" gewaltsam.

Das Theater Bonn hat Ingrid Müller-Münch beauftragt, Interviews mit Bad Godesbergern zu führen, mit Jugendlichen, Eltern, Pädagogen, Politikern, Sozialarbeitern und anderen, und diese Gespräche zu einem Theaterstück zu montieren.

Und so tritt nun in den Kammerspielen Bad Godesberg eine Frau auf und erzählt, wie sie bei einem Vereinsfest einen Bierstand betreute und das Fest plötzlich entgleiste, weil es von jugendlichen Migranten aufgemischt wurde, die eine Schlägerei anzettelten. Die Frau deutet in Richtung des Kurparks, wo das passierte – tatsächlich nur ein paar Meter von den Kammerspielen entfernt, und Theater und Außenwelt gehen ineinander über.

In einer anderen Szene tritt eine Frau mit Kopftuch von der Seite auf und erzählt, sie sei die Sprecherin des marokkanischen Frauenverbandes. Und sie lade wieder und wieder die Bad Godesberger zu gemeinsamen Unternehmungen ein, zum Beispiel zum Tag der offenen Moschee. Aber Gäste kämen immer nur von außerhalb.

Ein junger Mann tritt auf, "Mohammed, 22", der seit vier Jahren eine Lehrstelle als Krankenpfleger sucht, jetzt von Hartz IV lebt und erzählt, wie er die Zeit totschlägt. Nach und nach setzen sich Kinder um ihn herum, die Luftballons an Schnüren halten – ein etwas kitschiges Bild für die fragilen Hoffnungen vieler an diesem Abend Auftretender.

Der Regisseur der Bonner Uraufführung von "Zwei Welten", Frank Heuel, hat sich entschieden, das Stück nicht naturalistisch zu inszenieren: Alle Rollen werden von Schauspielern gespielt, und die Besetzung hat er bewusst willkürlich vorgenommen – Rolf Mautz gibt in einer Szene einen jugendlichen Handy-Dieb, in einer anderen einen alteingesessenen Bad Godesberger Hausbesitzer, der mit seiner arabisch- und türkisch-stämmigen Nachbarschaft in Unfrieden lebt.

Außerdem sprechen die Schauspieler die Statements ihrer Figuren nicht empathisch, sondern verfremden sie, zerdehnen die Texte. Diese Distanzierung von den realen Sprechern ist vielleicht die einzige Möglichkeit, "Zwei Welten" auf einer Bühne zu zeigen – sonst hätte man wohl besser einen Dokumentarfilm daraus gemacht.

Allerdings führt das die Rolle reflektierende Spiel der Schauspieler auch zu großer Irritation beim Zuschauer und dazu, dass einem ein Manko des Abends ganz besonders ins Auge fällt: Es gibt keinen dramaturgischen Bogen, keine spannende Abfolge der Statements, sondern lediglich eine rein additive Aneinanderreihung von Szenen.

Die Schriftstellerin Kathrin Röggla zum Beispiel geht bei den Recherchen zu ihren Theaterstücken ähnlich vor wie Ingrid Müller-Münch und begibt sich in das Milieu, das sie beschreiben will. Doch montiert Röggla die Gespräche nachher in der Regel so kunstvoll, dass ein eigener literarischer Text entsteht.

Dieser Schritt der Literarisierung ist in Bonn bewusst nicht getan worden. Und so sollte man "Zwei Welten" vielleicht auch nicht an theatralen Maßstäben messen, sondern an sozialpädagogischen. Denn ob man so über Bad Godesberg sprechen und den Eindruck vermitteln könne, es herrschten dort Zustände wie in Berliner Problemstadtteilen – darüber ist in Bad Godesberg bereits eine heftige Diskussion im Gange.

Zwei Welten
Ein Doku-Stück von Ingrid Müller-Münch
Uraufführung am Theater Bonn
Inszenierung: Frank Heuel