Badende Frau vor Terrakotta-Altar
Der amerikanische Künstler Jeff Koons ist bekannt für seine schrillen, sex-aufgeladenen Bilder. Aber auch seine Skulpturen sind beliebt. Sie gehen in Frankfurt am Main eine spannende und gewagte Liäson mit antiken Statuen ein.
Umsichtig wird das hintere Bilderkabinett gesperrt, als die große Kinderschar von Jeff Koons zur Vorbesichtigung antritt: So sollen sie ihren Vater nicht sehen, im cunnilingischen Liebesakt mit der Pornodarstellerin und vormaligen Ehefrau Illona Staller, genannt Cicciolina. Doch es gibt ja noch genügend anderes zu sehen in der Schirn, die mit über 40 Gemälden zeigt, wie Jeff Koons die Trivialkultur veredelt.
Da gibt es die frühen per Siebdruck übertragenen Werbemotive für Hochprozentiges, dann die am Computer entworfenen Collagen aus Büstenhaltern, weiblichen Körperfragmenten, Maiskörnern, Landschaften und aufblasbaren Plastiktieren. Sie werden von Jeff Koons Assistenten nach einem akribischen System auf Leinwand übertragen. Der 1955 geborene Amerikaner ist auch wegen dieses Werkstattsystems im Kunstmarkt so präsent wie kaum ein anderer Künstler. Das tut seiner Wertschätzung keinen Abbruch, sondern steigert sie sogar. Als wär das etwas Göttliches im Spiel.
Jeff Koons: "Es ist so, als hätte ich jeden Pinselstrich selbst gemacht. Als hätte ich den Pinsel genommen und meinen Fingern gesagt, wie sie ihn halten sollen. So funktioniert das mit meinen Beschäftigen. Ich sage ihnen was ich will, erkläre ihnen meine Vision und verschaffe ihnen die nötigen Mittel."
Spannender als der Maler Jeff Koons, dessen Bilder dann doch etwas beliebig wirken, ist der Skulpteur. Und das hat natürlich auch mit dem Ort zu tun, an dem die 50 weltberühmten Skulpturen gezeigt werden: dem Frankfurter Liebieghaus. Dieses Museum alter Skulptur, in einer späthistoristischen Villa, hat sich nicht gescheut, dem Künstler ein Forum von 5000 Jahren Kunstgeschichte zu bieten.
Und so stehen sie jetzt da, die neuen, noch nie präsentierten Hochglanzskulpturen aus Chromstahl mit transparenter Farbglasur, und mischen die Griechen auf. Zum Beispiel eine der Urzeitvenus ähnelnde Aufblaspuppe, in der sich nicht nur die antiken Skulpturen, sondern auch Raum, Oberlichter und Betrachter spiegeln. Man muss sagen, da ist dem Liebieghaus mit selbst verleugnender Hingabe etwas Großes gelungen, ein echter Scoop, ein Augenöffner, eine unerwartete Bekräftigung der Diesseitigkeit der Antike. Vinzenz Brinkmann, Kurator des Liebieghauses, fühlt sich durch Koons bestätigt, selbst durch die aufblasbaren Delphine, die bei den kopflosen Aphroditen von der Decke hängen, in Edelstahl natürlich:
"Es steckt in dieser Sehnsucht, den Alltag in eine ganz großartige Illusion zu transferieren, steckt etwas hinreißend Schönes, etwas Anrührendes regelrecht und ich fühle mich da ganz unmittelbar und direkt erinnert an das, was die Griechen getan haben. Wir lesen ja in den Anekdoten, wie sich die Künstler gegenseitig versucht haben zu übertreffen in der Täuschung des Auges, indem man die illusionistische Malerei entwickelt und sie auf die Skulptur überträgt."
Zugegeben: Michael Jackson mit seinem Affen Bubbles, also die goldgefasste Keramikskulptur, passt wirklich nicht schlecht in die ägyptische Abteilung, wo sie von vergoldeten ägyptischen Totenmasken und Mumiensarkophagen umgeben ist. Der Künstler selbst ist von dieser Konstellation, die als eine der ersten fest stand, sichtlich angetan:
"Ohne Anmaßung: Ich glaube, Michael wäre wirklich begeistert. Ich habe mich dabei auf ägyptische Themen bezogen, genau wie Michael selbst. Und zugleich verweist das auf die Pyramidenkonzeption der Renaissance wie bei der Pieta. Das ist mein liebster Raum hier."
Manchmal allerdings wirkt es doch schockierend, welche Dialoge hier die Andacht des Liebieghauses mit drallem Leben erfüllen. Das in Oberammergau geschnitzte Schweinchen, das von drallen Putti durch den Saal mit den mittelalterlichen Madonnen geschoben wird, kann einen zum Schlucken bringen. Und auch die Frau in der Wanne, die angesichts eines auftauchenden Schnorchels ihre üppigen Brüste mit den Händen schützt, wirkt vor dem glasierten Terrakotta-Altar des Andrea della Robbia reichlich blasphemisch.
Jeff Koons: "Ich habe nicht an Blasphemie gedacht. Ich halte mich für eine spirituelle Person, die an Transzendenz und Aufklärung glaubt, und ich glaube, dass der Einzelne seine Parameter ständig erweitern kann und damit auch das Potential des Menschen an sich."
Obwohl Jeff Koons behauptet, keiner Religionsgemeinschaft anzugehören, verfällt er doch gern in Predigerton, wenn es um die Rolle der Kunst geht: für ihn selbst, die Gesellschaft und den Menschen. Für ihn sei sie das große Vehikel der Befreiung gewesen, durch sie habe er sein Selbstbewusstsein gewonnen, und das möchte er auch jedem anderen wünschen, der mit Kunst in Berührung kommt. Einige seiner Sammler jedenfalls sind nach Frankfurt gekommen, um fünf gerade fertig gestellte Skulpturen zu sehen, für die sie schon lange millionenschwere Optionen angemeldet haben.
Für uns sterbliche Kleinverdiener bleibt zumindest das Vergnügen, zu beobachten, wie akribisch die Knitterfalten der aufblasbaren Strandtiere in Edelstahl übertragen wurden und damit tatsächlich den Gewänder-Liegefalten bestimmter griechischer Skulpturen Paroli bieten. Heiterkeit und lustvoll geschärfte Wahrnehmung - was kann man mehr verlangen von einem Risiko-Dialog, der das Liebieghaus manchmal an die Grenze seiner Belastbarkeit bringt:
"Ich habe das nicht anders beobachtet, als dass die Besucher, lachen, sich freuen, lächeln, im ganz schönen Sinne."
Da gibt es die frühen per Siebdruck übertragenen Werbemotive für Hochprozentiges, dann die am Computer entworfenen Collagen aus Büstenhaltern, weiblichen Körperfragmenten, Maiskörnern, Landschaften und aufblasbaren Plastiktieren. Sie werden von Jeff Koons Assistenten nach einem akribischen System auf Leinwand übertragen. Der 1955 geborene Amerikaner ist auch wegen dieses Werkstattsystems im Kunstmarkt so präsent wie kaum ein anderer Künstler. Das tut seiner Wertschätzung keinen Abbruch, sondern steigert sie sogar. Als wär das etwas Göttliches im Spiel.
Jeff Koons: "Es ist so, als hätte ich jeden Pinselstrich selbst gemacht. Als hätte ich den Pinsel genommen und meinen Fingern gesagt, wie sie ihn halten sollen. So funktioniert das mit meinen Beschäftigen. Ich sage ihnen was ich will, erkläre ihnen meine Vision und verschaffe ihnen die nötigen Mittel."
Spannender als der Maler Jeff Koons, dessen Bilder dann doch etwas beliebig wirken, ist der Skulpteur. Und das hat natürlich auch mit dem Ort zu tun, an dem die 50 weltberühmten Skulpturen gezeigt werden: dem Frankfurter Liebieghaus. Dieses Museum alter Skulptur, in einer späthistoristischen Villa, hat sich nicht gescheut, dem Künstler ein Forum von 5000 Jahren Kunstgeschichte zu bieten.
Und so stehen sie jetzt da, die neuen, noch nie präsentierten Hochglanzskulpturen aus Chromstahl mit transparenter Farbglasur, und mischen die Griechen auf. Zum Beispiel eine der Urzeitvenus ähnelnde Aufblaspuppe, in der sich nicht nur die antiken Skulpturen, sondern auch Raum, Oberlichter und Betrachter spiegeln. Man muss sagen, da ist dem Liebieghaus mit selbst verleugnender Hingabe etwas Großes gelungen, ein echter Scoop, ein Augenöffner, eine unerwartete Bekräftigung der Diesseitigkeit der Antike. Vinzenz Brinkmann, Kurator des Liebieghauses, fühlt sich durch Koons bestätigt, selbst durch die aufblasbaren Delphine, die bei den kopflosen Aphroditen von der Decke hängen, in Edelstahl natürlich:
"Es steckt in dieser Sehnsucht, den Alltag in eine ganz großartige Illusion zu transferieren, steckt etwas hinreißend Schönes, etwas Anrührendes regelrecht und ich fühle mich da ganz unmittelbar und direkt erinnert an das, was die Griechen getan haben. Wir lesen ja in den Anekdoten, wie sich die Künstler gegenseitig versucht haben zu übertreffen in der Täuschung des Auges, indem man die illusionistische Malerei entwickelt und sie auf die Skulptur überträgt."
Zugegeben: Michael Jackson mit seinem Affen Bubbles, also die goldgefasste Keramikskulptur, passt wirklich nicht schlecht in die ägyptische Abteilung, wo sie von vergoldeten ägyptischen Totenmasken und Mumiensarkophagen umgeben ist. Der Künstler selbst ist von dieser Konstellation, die als eine der ersten fest stand, sichtlich angetan:
"Ohne Anmaßung: Ich glaube, Michael wäre wirklich begeistert. Ich habe mich dabei auf ägyptische Themen bezogen, genau wie Michael selbst. Und zugleich verweist das auf die Pyramidenkonzeption der Renaissance wie bei der Pieta. Das ist mein liebster Raum hier."
Manchmal allerdings wirkt es doch schockierend, welche Dialoge hier die Andacht des Liebieghauses mit drallem Leben erfüllen. Das in Oberammergau geschnitzte Schweinchen, das von drallen Putti durch den Saal mit den mittelalterlichen Madonnen geschoben wird, kann einen zum Schlucken bringen. Und auch die Frau in der Wanne, die angesichts eines auftauchenden Schnorchels ihre üppigen Brüste mit den Händen schützt, wirkt vor dem glasierten Terrakotta-Altar des Andrea della Robbia reichlich blasphemisch.
Jeff Koons: "Ich habe nicht an Blasphemie gedacht. Ich halte mich für eine spirituelle Person, die an Transzendenz und Aufklärung glaubt, und ich glaube, dass der Einzelne seine Parameter ständig erweitern kann und damit auch das Potential des Menschen an sich."
Obwohl Jeff Koons behauptet, keiner Religionsgemeinschaft anzugehören, verfällt er doch gern in Predigerton, wenn es um die Rolle der Kunst geht: für ihn selbst, die Gesellschaft und den Menschen. Für ihn sei sie das große Vehikel der Befreiung gewesen, durch sie habe er sein Selbstbewusstsein gewonnen, und das möchte er auch jedem anderen wünschen, der mit Kunst in Berührung kommt. Einige seiner Sammler jedenfalls sind nach Frankfurt gekommen, um fünf gerade fertig gestellte Skulpturen zu sehen, für die sie schon lange millionenschwere Optionen angemeldet haben.
Für uns sterbliche Kleinverdiener bleibt zumindest das Vergnügen, zu beobachten, wie akribisch die Knitterfalten der aufblasbaren Strandtiere in Edelstahl übertragen wurden und damit tatsächlich den Gewänder-Liegefalten bestimmter griechischer Skulpturen Paroli bieten. Heiterkeit und lustvoll geschärfte Wahrnehmung - was kann man mehr verlangen von einem Risiko-Dialog, der das Liebieghaus manchmal an die Grenze seiner Belastbarkeit bringt:
"Ich habe das nicht anders beobachtet, als dass die Besucher, lachen, sich freuen, lächeln, im ganz schönen Sinne."