Bäumchen wechsel dich
Gabriel Josipovici, der einst den abschreckenden Ruf eines experimentellen Schriftstellers genoss, versteht es brillant, theaterreife Dialoge zu schreiben, die vor Esprit nur so funkeln. Gleichzeitig verdeutlicht er die Mühsal jener, die sich ständig fragen, ob sie den Richtigen lieben.
Bekannt ist er hierzulande kaum, der 1924 in Nizza geborene und in Kairo aufgewachsene englische Autor Gabriel Josipovici, obwohl er in der Heimat dank seiner Romane, Essays und Theaterstücke hohes Renommee genießt und obwohl Verleger Gerd Haffmans immer wieder Anläufe unternimmt, Josipovicis gedankenreiche und gewitzte Bücher deutschen Lesern nahe zu bringen. Mit dem neuen, von Katja Scholtz elegant übersetzten Roman "Fehler machen" könnte sich der Erfolg endlich einstellen.
Denn wie reich die Literaturgeschichte auch an Texten sein mag, die von Beziehungsdesastern, Seitensprüngen und Treueschwüren handeln, so gekonnt erfindet Josipovici – auf den Spuren von Mozarts "Così fan tutte" wandelnd – das Rad neu und breitet eine Perlenschnur aus, auf der seine Figuren von Kapitel zu Kapitel die Positionen (und die Partner) wechseln.
Eine Handvoll Menschen, wohlsituierte englische Intellektuelle, die auf die Vierzig zugehen, bildet das Personal. Man isst und trinkt zusammen, lässt die Vergangenheit Revue passieren und erkennt schnell, dass nichts im Leben gefestigt ist und auf welch dünnem Eis man sich bewegt. Charlie und Bea zum Beispiel trennen sich routinemäßig alle paar Wochen und kommen doch nicht voneinander los. Beas Schwester Dorothy hingegen, eine prinzipienfeste Frau, die – wie es am Ende heißt – am besten mit dem Philosophen Blaise Pascal verheiratet wäre, scheint mit Tony eine Traumehe zu führen. Als jedoch ein gemeinsamer Freund, Alfonso, bei einem Abendessen Lust an der Provokation empfindet und indiskret daran erinnert, dass die Dinge während des gemeinsamen Studiums noch ganz anders lagen, nämlich Dorothy Charlie und Tony Bea in den Hafen der Ehe führen wollte, tut sich innerhalb weniger Wochen ein amüsantes Chaos auf, bei dem kein Beziehungsstein auf dem anderen bleibt. Tony fühlt sich mit einem Mal von seiner anspruchsvollen Gattin überfordert und schlüpft bei seiner – leider recht langweiligen – Sekretärin unter, ein Fehltritt, den Dorothy dank der Unterstützung eines Privatdetektivs rasch aufdeckt.
Ein Bäumchen-wechsel-dich-Spiel setzt ein, und Gabriel Josipovici hat offenkundig Freude daran, von Kapitel zu Kapitel das Durcheinander zu steigern und dem Leser einen Reigen vorzuführen, an dem man Gott sei Dank nicht beteiligt ist. Nur wenn Alfonsos Frau, die international agierende Lebensmittelexpertin Deirdre, aufzutischen beginnt, möchte man an dieser Intellektuellentafel mit von der Partie sein.
Gabriel Josipovici, der einst den abschreckenden Ruf eines experimentellen Schriftstellers genoss, versteht es brillant, theaterreife Dialoge zu schreiben, die vor Esprit nur so funkeln. Gleichzeitig verdeutlicht er, ohne dem schmalen Roman etwas von seiner Leichtigkeit zu nehmen, die Mühsal jener, die sich ständig fragen, ob sie den Richtigen lieben. "Fehler machen" – der Titel sagt es unzweideutig – handelt von permanent zu treffenden Entscheidungen, die fast immer falsche Entscheidungen sind. Was fast schon wieder tröstlich ist.
Besprochen von Rainer Moritz
Gabriel Josipovici: Fehler machen
Aus dem Englischen von Katja Scholtz
Haffmans Verlag bei Zweitausendeins, Berlin 2010
160 Seiten, 12,95 Euro
Denn wie reich die Literaturgeschichte auch an Texten sein mag, die von Beziehungsdesastern, Seitensprüngen und Treueschwüren handeln, so gekonnt erfindet Josipovici – auf den Spuren von Mozarts "Così fan tutte" wandelnd – das Rad neu und breitet eine Perlenschnur aus, auf der seine Figuren von Kapitel zu Kapitel die Positionen (und die Partner) wechseln.
Eine Handvoll Menschen, wohlsituierte englische Intellektuelle, die auf die Vierzig zugehen, bildet das Personal. Man isst und trinkt zusammen, lässt die Vergangenheit Revue passieren und erkennt schnell, dass nichts im Leben gefestigt ist und auf welch dünnem Eis man sich bewegt. Charlie und Bea zum Beispiel trennen sich routinemäßig alle paar Wochen und kommen doch nicht voneinander los. Beas Schwester Dorothy hingegen, eine prinzipienfeste Frau, die – wie es am Ende heißt – am besten mit dem Philosophen Blaise Pascal verheiratet wäre, scheint mit Tony eine Traumehe zu führen. Als jedoch ein gemeinsamer Freund, Alfonso, bei einem Abendessen Lust an der Provokation empfindet und indiskret daran erinnert, dass die Dinge während des gemeinsamen Studiums noch ganz anders lagen, nämlich Dorothy Charlie und Tony Bea in den Hafen der Ehe führen wollte, tut sich innerhalb weniger Wochen ein amüsantes Chaos auf, bei dem kein Beziehungsstein auf dem anderen bleibt. Tony fühlt sich mit einem Mal von seiner anspruchsvollen Gattin überfordert und schlüpft bei seiner – leider recht langweiligen – Sekretärin unter, ein Fehltritt, den Dorothy dank der Unterstützung eines Privatdetektivs rasch aufdeckt.
Ein Bäumchen-wechsel-dich-Spiel setzt ein, und Gabriel Josipovici hat offenkundig Freude daran, von Kapitel zu Kapitel das Durcheinander zu steigern und dem Leser einen Reigen vorzuführen, an dem man Gott sei Dank nicht beteiligt ist. Nur wenn Alfonsos Frau, die international agierende Lebensmittelexpertin Deirdre, aufzutischen beginnt, möchte man an dieser Intellektuellentafel mit von der Partie sein.
Gabriel Josipovici, der einst den abschreckenden Ruf eines experimentellen Schriftstellers genoss, versteht es brillant, theaterreife Dialoge zu schreiben, die vor Esprit nur so funkeln. Gleichzeitig verdeutlicht er, ohne dem schmalen Roman etwas von seiner Leichtigkeit zu nehmen, die Mühsal jener, die sich ständig fragen, ob sie den Richtigen lieben. "Fehler machen" – der Titel sagt es unzweideutig – handelt von permanent zu treffenden Entscheidungen, die fast immer falsche Entscheidungen sind. Was fast schon wieder tröstlich ist.
Besprochen von Rainer Moritz
Gabriel Josipovici: Fehler machen
Aus dem Englischen von Katja Scholtz
Haffmans Verlag bei Zweitausendeins, Berlin 2010
160 Seiten, 12,95 Euro