Rettung mit Hindernissen
05:57 Minuten
Die Deutsche Bahn verkauft alte Bahnhöfe in ländlichen Regionen. Menschen wie Richard Vogel kaufen diese historischen Gebäude und retten sie vor dem Verfall. In einer Gemeinde in Brandenburg wird dieses Engagement von den Behörden nicht immer unterstützt.
"Es ist einfach schön… wir genießen das..."
Richard Vogel schaut aus dem Fenster, genießt den Blick auf die Bahnanlagen, grüßt die wartenden Fahrgäste. Seit 2015 ist der 58-jährige Toxikologe – zusammen mit seiner Frau – der Besitzer eines preußischen Landbahnhofs in Zernsdorf bei Berlin. In seinem Büro – dem früheren Stellwerk – befinden sich noch die riesigen stählernen Hebel, mit denen man früher per Muskelkraft die Weichen und Signale gestellt hat.
"Ist alles abgeknipst. Draußen ist ein kleines Gebäude, da ist die Elektronik drin. Das geht jetzt alles automatisch. Wenn ich hier arbeite, dann winke ich auch den Triebwagenführer und dem Zugbegleiter zu."
Der Warteraum – Anfang der 2000er-Jahre wurde hier die letzte Fahrkarte verkauft – ist jetzt die Werkstatt der Modedesignerin Heike Pieper, derzeit näht sie dort Coronamasken. In der darüber liegenden früheren Dienstwohnung wohnt das Paar.
"Ja, ist auch interessant, es kommen auch manchmal Leute, die erzählen – in kalten Wintern habe ich hier gesessen, wo du jetzt nähst. Ist ganz lustig. Viele haben gute Erinnerungen dran. Ist auch schön, wenn sie dann kommen, am Gartenzaun stehen bleiben. Dann so ihre Geschichte erzählen."
Der rot geklinkerte zweistöckige Bahnhof in Zernsdorf: Eine Dorfkathedrale des Kommens und Gehens. Kein profaner Bau, sondern ein Gründerzeitgebäude mit kunstvoll eingearbeiteten Details. Ein Geschichtsort, als es noch Billetverkäufer und pompöse Wartesäle gab.
"Hier gibt es grüne Bänderungen, die Dachstützen sind geschnitzt. Es ist kein reiner Zweckbau. Da ist schon Kunst am Bau mit eingeflossen."
Richard Vogel schaut aus dem Fenster, genießt den Blick auf die Bahnanlagen, grüßt die wartenden Fahrgäste. Seit 2015 ist der 58-jährige Toxikologe – zusammen mit seiner Frau – der Besitzer eines preußischen Landbahnhofs in Zernsdorf bei Berlin. In seinem Büro – dem früheren Stellwerk – befinden sich noch die riesigen stählernen Hebel, mit denen man früher per Muskelkraft die Weichen und Signale gestellt hat.
"Ist alles abgeknipst. Draußen ist ein kleines Gebäude, da ist die Elektronik drin. Das geht jetzt alles automatisch. Wenn ich hier arbeite, dann winke ich auch den Triebwagenführer und dem Zugbegleiter zu."
Der Warteraum – Anfang der 2000er-Jahre wurde hier die letzte Fahrkarte verkauft – ist jetzt die Werkstatt der Modedesignerin Heike Pieper, derzeit näht sie dort Coronamasken. In der darüber liegenden früheren Dienstwohnung wohnt das Paar.
"Ja, ist auch interessant, es kommen auch manchmal Leute, die erzählen – in kalten Wintern habe ich hier gesessen, wo du jetzt nähst. Ist ganz lustig. Viele haben gute Erinnerungen dran. Ist auch schön, wenn sie dann kommen, am Gartenzaun stehen bleiben. Dann so ihre Geschichte erzählen."
Der rot geklinkerte zweistöckige Bahnhof in Zernsdorf: Eine Dorfkathedrale des Kommens und Gehens. Kein profaner Bau, sondern ein Gründerzeitgebäude mit kunstvoll eingearbeiteten Details. Ein Geschichtsort, als es noch Billetverkäufer und pompöse Wartesäle gab.
"Hier gibt es grüne Bänderungen, die Dachstützen sind geschnitzt. Es ist kein reiner Zweckbau. Da ist schon Kunst am Bau mit eingeflossen."
Bahnhof mit 120-jähriger Geschichte
Der erste Dampfzug hielt hier 1898, heute wird die Strecke nur noch mit einem Dieseltriebwagen betrieben. Er verbindet die frühere königliche Residenzstadt Königs Wusterhausen mit Frankfurt an der Oder an der polnischen Grenze. Einmal stündlich hält der Zug auch in Zernsdorf.
"Wir haben ab und zu einen Güterzug, der hier durchfährt. Dann ist wirklich Bahnatmosphäre, wenn der hier durchrattert. Aber ansonsten ist das eher straßenbahnmäßig."
Heike Pieper und Richard Vogel haben sich den Bahnhof gekauft, um dem Berliner Stadtleben zu entfliehen. Kaufpreis: 100.000 Euro. Für Bahnnostalgiker Vogel die Erfüllung eines kleinen Traums. Denn dass die Bahn Bahnhöfe einfach so verfallen lasse, für Richard Vogel ein Frevel.
"DB Immobilien ist froh über jede Immobilie, die weg ist. Und wenn sie die nicht verkauft kriegen, lassen sie sie verfallen. Mir hat mal eine Dame gesagt, die für Magdeburg und Umgebung verantwortlich war, ´ich würde am liebsten ganze Strecken verschenken, nur das ich die Gebäude loswerde`."
"Wir haben ab und zu einen Güterzug, der hier durchfährt. Dann ist wirklich Bahnatmosphäre, wenn der hier durchrattert. Aber ansonsten ist das eher straßenbahnmäßig."
Heike Pieper und Richard Vogel haben sich den Bahnhof gekauft, um dem Berliner Stadtleben zu entfliehen. Kaufpreis: 100.000 Euro. Für Bahnnostalgiker Vogel die Erfüllung eines kleinen Traums. Denn dass die Bahn Bahnhöfe einfach so verfallen lasse, für Richard Vogel ein Frevel.
"DB Immobilien ist froh über jede Immobilie, die weg ist. Und wenn sie die nicht verkauft kriegen, lassen sie sie verfallen. Mir hat mal eine Dame gesagt, die für Magdeburg und Umgebung verantwortlich war, ´ich würde am liebsten ganze Strecken verschenken, nur das ich die Gebäude loswerde`."
Von Uhrenmanufaktur bis buddhistisches Zentrum
Seit der Bahnreform 1994 hat die Deutsche Bahn nach eigenen Angaben 2300 Empfangsgebäude verkauft. Über den Erlös will man keine Angaben machen. Die Nutzungen sind ganz unterschiedlich, sagt eine Bahnsprecherin. Im sächsischen Glashütte beispielsweise befindet sich im Bahnhof jetzt eine Uhrenmanufaktur. Im nordrhein-westfälischen Warburg ist aus dem Bahnhof ein buddhistisches Zentrum geworden.
Im Land Brandenburg sind Informationen des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg zufolge nur noch 29 von 250 Gebäuden im Besitz der Bahn. Langfristig wolle man lediglich 15 Bahnhöfe im größten ostdeutschen Flächenland erhalten, schreibt man in einer Mail.
Der Erhalt sei einfach zu teuer, heißt es. Weshalb viele der prächtigen Gebäude auch leer stehen, tausende Bahnhöfe dem Vandalismus und Verfall preisgegeben sind. Für die Bahn sind die Gebäude – gerade auf dem Land – jedoch nur Kostentreiber. Weshalb man sie früher als später loswerden will.
"Das tut die DB inzwischen nicht nur selbst, über ihre Webseite, sondern sie lässt versteigern. Durch entsprechende Auktionshäuser."
Manches Gebäude bekommt man schon für 1000 Euro, meist muss man aber dafür noch viel Geld für die Sanierung hinlegen. Wunderschöne Bahnhöfe würden geradezu verscherbelt, schiebt Richard Vogel noch hinterher. Er sei kein fanatischer "Pufferküsser", wie er sagt, sondern ein Eisenbahnliebhaber. Und wolle zeigen, dass Bahnhöfe ein Teil unseres kulturellen Erbes seien.
Von Vernachlässigung ist in Zernsdorf nichts zu spüren, stattdessen wird versucht, alles so originalgetreu wie möglich zu erhalten. Damit man die damalige Zeit richtiggehend spüren könne, sagt Vogel. Als die Eisenbahn noch sowas wie die Verheißung der Moderne war. Demnächst wolle man noch die frühere angrenzende Bahnhofskneipe sanieren, eine Ferienwohnung draus machen.
"Ich habe 2013 den Vorschlag gemacht, den Bahnhof unter Denkmalschutz zu stellen, weil das ganze Ensemble so schön ist. Das hat kein halbes Jahr gedauert, bis das unter Schutz war."
Jetzt ist der Bahnhof Zernsdorf – wie früher auch schon – wieder ein Wohnort. Doch jetzt machen die Behörden dem Bahnhofseigentümer-Paar Heike Pieper und Richard Vogel das Leben schwer. Denn das Bauamt im brandenburgischen Landkreis Dahme-Spree will ihnen jetzt die Wohnnutzung untersagen. Aber auch diese Hürde werde man nehmen, ergänzt Vogel noch. Und lächelt süffisant. Kafkaesk – meint er noch – sei es aber schon.
"Wir sind hier gemeldet. Es ist wirklich sehr, sehr seltsam."
Im Land Brandenburg sind Informationen des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg zufolge nur noch 29 von 250 Gebäuden im Besitz der Bahn. Langfristig wolle man lediglich 15 Bahnhöfe im größten ostdeutschen Flächenland erhalten, schreibt man in einer Mail.
Der Erhalt sei einfach zu teuer, heißt es. Weshalb viele der prächtigen Gebäude auch leer stehen, tausende Bahnhöfe dem Vandalismus und Verfall preisgegeben sind. Für die Bahn sind die Gebäude – gerade auf dem Land – jedoch nur Kostentreiber. Weshalb man sie früher als später loswerden will.
"Das tut die DB inzwischen nicht nur selbst, über ihre Webseite, sondern sie lässt versteigern. Durch entsprechende Auktionshäuser."
Manches Gebäude bekommt man schon für 1000 Euro, meist muss man aber dafür noch viel Geld für die Sanierung hinlegen. Wunderschöne Bahnhöfe würden geradezu verscherbelt, schiebt Richard Vogel noch hinterher. Er sei kein fanatischer "Pufferküsser", wie er sagt, sondern ein Eisenbahnliebhaber. Und wolle zeigen, dass Bahnhöfe ein Teil unseres kulturellen Erbes seien.
Von Vernachlässigung ist in Zernsdorf nichts zu spüren, stattdessen wird versucht, alles so originalgetreu wie möglich zu erhalten. Damit man die damalige Zeit richtiggehend spüren könne, sagt Vogel. Als die Eisenbahn noch sowas wie die Verheißung der Moderne war. Demnächst wolle man noch die frühere angrenzende Bahnhofskneipe sanieren, eine Ferienwohnung draus machen.
"Ich habe 2013 den Vorschlag gemacht, den Bahnhof unter Denkmalschutz zu stellen, weil das ganze Ensemble so schön ist. Das hat kein halbes Jahr gedauert, bis das unter Schutz war."
Jetzt ist der Bahnhof Zernsdorf – wie früher auch schon – wieder ein Wohnort. Doch jetzt machen die Behörden dem Bahnhofseigentümer-Paar Heike Pieper und Richard Vogel das Leben schwer. Denn das Bauamt im brandenburgischen Landkreis Dahme-Spree will ihnen jetzt die Wohnnutzung untersagen. Aber auch diese Hürde werde man nehmen, ergänzt Vogel noch. Und lächelt süffisant. Kafkaesk – meint er noch – sei es aber schon.
"Wir sind hier gemeldet. Es ist wirklich sehr, sehr seltsam."