Blutige Billigkleidung
Mehr als 1.100 Menschen starben bei dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch vor einem Jahr. Die Arbeitsbedingungen für die Näherinnen in dem Land haben sich seither kaum verbessert. Denn die westlichen Modefirmen weigern sich weiterhin, mehr für ihre Arbeit zu bezahlen.
Dass dies kein normaler Arbeitstag sein würde, das war von Beginn an klar, an jenem 24. April 2013, kurz vor halb neun. Rosina und ihre Schwester waren gerade im Rana Plaza angekommen, einem achtgeschossigen Gebäude in Savar, vor den Toren der Hauptstadt Dhaka in Bangladesch.
Rosina: "Als wir in die Fabrik kamen, sahen wir die Risse. An der Decke, am Boden. Aus den Stützpfeilern drangen bereits die Eisenstangen. Ich nahm meine Schwester und sagte: Komm, lass uns lieber gehen!"
Rosina war nicht die Einzige, die Angst hatte, die Risse zu ignorieren und sich an die Nähmaschine zu setzen. In ihrer Textilfabrik im zweiten Stock herrschte ein strenges Regiment. Der Mann, der die Frauen beaufsichtigte, stellte sich ihr in den Weg.
Rosina: "'Wieso willst du gehen', fragte er mich. 'Die anderen arbeiten doch auch.' Ich sagte ihm: 'Dann kürz doch mein Gehalt.' In dem Moment fiel der Strom aus. Der Generator sprang an. Dann stürzte alles ein. Ich habe meine Schwester nicht mehr gesehen. Ich dachte, sie ist auf dem Weg nach draußen. Dann fiel ich in Ohnmacht."
"Ihr Blut tropfte auf mich"
Rosina wohnt in einer kleinen Steinhütte; der einzige Raum ist Schlaf- und Wohnzimmer sowie Küche zugleich. Das Bett füllt ihn fast komplett aus. Es gibt noch eine kleine Toilette. In der Hütte wohnt Rosina mit ihrem Mann und zwei Kindern, in Savar, nicht weit vom Rana Plaza entfernt. Sie sitzt auf dem Bett, ihr Blick geht manchmal ins Leere, als sie von dem Tag erzählt, der ihr Leben verändert hat.
Als Rosina zu sich kam, spürte sie ihren linken Arm nicht mehr. Er war eingeklemmt. Auf dem Arm lagen eine schweren Maschine und ein Stützpfeiler. Es war dunkel.
"Drei Männer lagen irgendwo über mir. Ihr Blut tropfte auf mich. Wir schrien immer wieder um Hilfe."
Niemand sah sich in der Lage, Rosina zu befreien. Es war drückend heiß, die Temperaturen in Dhaka erreichten fast 40 Grad. Im Trümmerberg über Rosina wurde es still. Die drei Männer, mit denen sie sich vorher gemeinsam Mut gemacht hatte, starben, einer nach dem anderen.
"Ich sagte den Helfern: Gebt mir eine Säge, damit ich meinen Arm abschneiden kann. Das Fleisch war längst verrottet. Mein Arm stank fürchterlich. Aber es war nicht einfach. Der Knochen war so hart. Als ich es geschafft hatte, zogen mich die Helfer heraus."
Bisher ist fast nur Geld aus Bangladesch an die Opfer geflossen
Die westlichen Konzerne, die im Rana Plaza produzieren ließen, konnten sich erst acht Monate nach der Katastrophe auf einen Hilfsfonds einigen, unter ihnen auch Firmen wie Kik, Primark und C&A, die alle in Deutschland verkaufen. Das Abkommen hatte die Internationale Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen vermittelt. Bisher ist fast nur Geld aus Bangladesch selbst an die Opfer geflossen. Rosina erhält lediglich vom Staat eine Entschädigung, rund 90 Euro im Monat. Das reicht nicht, um die Familie zu ernähren und gleichzeitig die hohen Arztrechnungen zu bezahlen.
Ein enges Büro im Zentrum von Dhaka, im Hochhaus der Kriminalpolizei. Zwischen all den Kisten und Papierstapeln hat Bijoy Krishna Kar hier nicht gerade viel Platz. Und jetzt stehen auch noch 30 bis 40 Menschen geduldig vor seinem Schreibtisch an, die Schlange reicht bis weit auf den Flur draußen. Aber Bijoy Krishna Kar lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.
"Das sind alles Opfer der Katastrophe am Rana Plaza. Sie wollen aussagen, zu allem, was damals passiert ist – und wie es ihnen seitdem geht."
Bijoy Krishna Kar ist der Chefermittler der Polizei im Fall Rana Plaza. Hinter ihm hängen, notiert auf einem Blatt Papier, die nüchternen Zahlen der Katastrophe. 1129 Tote. 1524 Verletzte. 322 Vermisste. 165 Opfer konnten noch nicht identifiziert werden.
"Bis jetzt haben wir 21 Menschen festgenommen. Die Besitzer der Fabriken sitzen im Gefängnis. Einen Tag vor dem Einsturz gab es bereits Risse im Gebäude. Aber anstatt das Rana Plaza zu evakuieren und Gutachter zu rufen, haben die Fabrikbesitzer die Arbeiterinnen und Arbeiter gezwungen, am nächsten Tag wieder zu kommen."
Die Beweise seien eindeutig, sagt Kar. Der Besitzer des Rana Plaza könne sich auf eine lebenslange Haftstrafe gefasst machen.
Ermittler: ähnliche Katastrophen wahrscheinlich
"Das Rana Plaza war als Geschäftshaus gebaut und genehmigt worden. Später hat die Familie Rana es an Fabriken vermietet. Sie haben es für ihre Industrieproduktion genutzt. Aber das Gebäude war nicht geeignet für schwere Maschinen. Die Besitzer des Rana Plaza wussten das. Die Fabrikbesitzer auch."
Monatelang hat sich Kar in die Hintergründe der Katastrophe eingearbeitet und in die Machenschaften der Textilbranche. Er hat viele Fabriken besichtigt, um heraus zu finden, wie es generell um die Gebäudesicherheit bestellt ist. Auf die Nachfrage, ob er mit weiteren, ähnlichen Fabrikeinstürzen rechnet, nickt Bijoy Krishna Kar.
"Es ist wahrscheinlich. Das ist meine Vorhersage."
Sicherheit, faire Löhne, das spielte lange keine Rolle in Bangladesch. Die unschlagbar niedrigen Arbeitskosten hatten viele westliche Konzerne Anfang des Jahrtausends angelockt. Bangladesch ist der zweitgrößte Textilexporteur weltweit. 3,5 Millionen Menschen arbeiten in den Fabriken. Erst nach dem Einsturz des Rana-Plaza-Hochhauses einigten sich westliche Firmen und heimische Produzenten auf neue Sicherheitsstandards. Der Mindestlohn lag vor der Rana-Plaza-Katastrophe bei etwa 30 Euro im Monat. Nach gewaltsamen Protesten wurde er im vergangenen September auf 50 Euro angehoben.
Die Textilfabrik Denier in Savar, ein paar Kilometer vom Rana Plaza entfernt. Es ist später Nachmittag, und es herrscht Produktionsdruck. 500 Arbeiterinnen sitzen hinter ihren Nähmaschinen. Tageslicht ist hier Fehlanzeige, lediglich die Neonröhren leuchten. Oft dauern die Arbeitstage zwölf Stunden. Bei Denier produzieren sie pro Tag zehntausend T-Shirts.
Shohag, der Leiter der Fabrik, lässt uns überraschenderweise hinein. Das ist nicht selbstverständlich. Oft versperren Wachen allzu neugierigen Besuchern den Weg in die Fabriken. Shohag aber führt uns selbst durch seinen Betrieb. Zwei von vier Notausgängen sind verschlossen, aber an den Wänden hängen nagelneue Feuerlöscher und andere Werkzeuge für den Ernstfall.
Modefirmen weigern sich, mehr zu zahlen
Später, in seinem Büro, redet Shohag Klartext. Vor ihm liegt ein blaues T-Shirt. Es soll in den Läden der Kette New Yorker, einer Firma aus Braunschweig, verkauft werden. Das Preisschild ist schon angebracht: 6,95 Euro.
"Mein Kunde zahlt mir dafür einen Dollar 50, also etwas mehr als einen Euro. Ich verdiene kaum noch etwas daran."
Die Feuerlöscher in seiner Fabrikhalle, Angestellte, die für die Sicherheit verantwortlich sind, in all das musste Shohag im vergangenen Jahr investieren. Es gab Streiks und dann die Erhöhung der Mindestlöhne. Für Shohag bedeutet das: Die Produktionskosten sind um 70 Prozent gestiegen.
"Aber diese Kunden weigern sich, mehr zu zahlen. Nicht mal fünf oder zehn Cent."
"Sie sagen, nicht mal fünf Cent?"
"Nein, nicht mal fünf Cent. Ich habe gerade einen Auftrag über 700.000 T-Shirts. Aber nein, wenn ich sage, ich muss 70 Prozent mehr Lohn zahlen, bitte gebt mir wenigstens fünf oder zehn Cent mehr, heißt es immer: Das geht nicht."
New Yorker schreibt auf Anfrage nur, für die Kette hätten faire Arbeitsbedingungen und Sicherheit höchste Priorität. Die Standards würden ständig und weltweit überprüft. Shohag sagt, die Deutschen seien tatsächlich ein wenig auf ihn zugekommen. Aber eben nur ein wenig.
"Dabei würden mir zwei bis fünf Prozent mehr für ein T-Shirt schon reichen. Diese Konzerne machen große Gewinne. Aber wir haben davon nichts."
Die Fabrikarbeiter werden zu Bettlern
Shohags Rechnung ist eigentlich einfach: fünf Prozent des Verkaufspreises. Das sind im Fall des blauen New Yorker T-Shirts knapp 35 Cent mehr. Der Preis für die Verbraucher würde dann bei 7 Euro 30 liegen. Doch so viel Entgegenkommen aus dem Westen, das scheint undenkbar. Entsprechend verbittert klingt Shohag, wenn er von den harten Gesprächen mit den westlichen Managern erzählt.
Seine ganz eigenen Erfahrungen mit westlichen Einkaufsmanagern hat auch Kazi Mohammad Hossein gemacht. Ein junger Mann, Ende 20, er ist völlig unvorbereitet in die Welt der Textilindustrie geraten. Jetzt sitzt er in einem kleinen, einstöckigen Gebäude und blickt aus dem Schaufenster, das zur belebten Hauptstraße in Savar heraus geht. Es ist laut, staubig, der Verkehr und der Baulärm nebenan zehren an den Nerven.
"Eigentlich waren wir nur Freiwillige, die nach der Rana-Plaza-Katastrophe am Unglücksort geholfen haben. Wir haben dann Geld gesammelt. Und davon ist nach dem Ende der Rettungsarbeiten einiges übrig geblieben. Wir haben also eine kleine Sanitätsstation aufgebaut und Verletzte behandeln lassen. In den Krankenhäusern haben die meisten nur Erste Hilfe bekommen und mussten dann wieder gehen.
Danach mussten wir mit ansehen, dass viele Opfer kein Essen hatten. Also kauften wir ihnen Essen. Danach fanden wir heraus, dass viele Opfer ihre Hausmiete nicht mehr bezahlen konnten, so ganz ohne Einkommen. Also haben wir ausgeholfen. Wir haben weiteres Geld gesammelt. Aber die Überlebenden, die ja vorher gearbeitet hatten, waren auf einmal Bettler. Sie trauten sich ja in keine große Fabrik mehr. Also haben wir beschlossen, eine kleine Manufaktur aufzubauen."
Eine kleine Manufaktur als einzige Chance
Im hinteren großen Raum stehen 20 Nähmaschinen. Alle sind besetzt mit jungen Frauen. Die Atmosphäre wirkt deutlich entspannter als bei Denier oder in anderen Fabriken.
"In der Fabrik, in der ich früher gearbeitet habe, wurden wir ständig angeschrien. Immer, wenn wir einen Fehler gemacht haben. Der Druck war so groß. Das ist hier viel besser."
Mukta ist eine von 23 Arbeiterinnen hier. Im Rana Plaza hatte sie im sechsten Stock gearbeitet. Wie durch ein Wunder überlebte sie die Katastrophe fast ohne Verletzungen.
"Ich habe seit dem Einsturz vom Rana Plaza Angst, in einer großen Fabrik zu arbeiten. Ich habe Angst davor, dass die Wände einstürzen. Ich habe es versucht, gemeinsam mit meiner Schwester. Aber wir hatten einfach nur Angst. Hier fühle ich mich besser. Das hier ist nur ein kleines Gebäude."
Mukta verdient nur ein wenig mehr als zuvor in der Fabrik am Rana Plaza, mit Überstunden sind es acht- bis neuntausend Taka, also etwa 80 Euro. Zu Hause lebt sie mit ihrer Mutter und ihrer Schwester. Der Vater ist nicht mehr da. Die Mädchen müssen arbeiten, sie haben keine Wahl. Die kleine Manufaktur, die sie Oporajeo, also "unbesiegbar" nennen, scheint ihre einzige Chance zu sein.
"Proudly made in Bangladesh"
Kazi, der unfreiwillige Textilunternehmer, muss jetzt zusehen, dass Aufträge reinkommen. Denn sonst geht bald das Geld aus. Ewig können er und seine Mitstreiter die Manufaktur nicht mit Spenden finanzieren. Kleinere Boutiquen aus Deutschland wollen mit der kleinen Manufaktur zusammenarbeiten. Sie wollen zeigen, dass es möglich ist, zu fairen Bedingungen Textilien in Bangladesch herzustellen.
Nur die Textilindustrie, die die größte Abnehmerin sein könnte, macht nicht mit. Kazi fragte bei den großen Ketten aus dem Westen an, ob sie bereit seien, zumindest kleine Aufträge bei Oporajeo zu platzieren. Kazi erhielt, wie er betont, sehr brüske Absagen, unter anderem von Primark, Mango und Walmart.
"Ihre Leute sagten: 'Hey, das ist eine gute Idee. Aber ihr müsst erst einmal konkurrenzfähig werden, bevor wir euch Aufträge geben können.'"
Darauf angesprochen, zeigten sich zumindest Primark und Mango überrascht. Von einer solchen Anfrage, heißt es in beiden Antworten, sei in den Konzernzentralen nichts bekannt. Walmart ließ eine entsprechende Anfrage unbeantwortet.
Derzeit fertigen die Frauen bei Oporajeo T-Shirts für eine Initiative, die weltweit auf die Arbeitsbedingungen in Bangladesch und anderswo aufmerksam machen und zeigen will, dass es auch anders geht. Auf den T-Shirts steht: "Proudly made in Bangladesh", also: "Mit Stolz in Bangladesch hergestellt". Denn der schwerste Schlag für seine Arbeiterinnen wäre, wenn Verbraucher im Westen die Textilien aus Bangladesch wegen des schlechten Rufs der Industrie einfach nicht mehr kaufen würden. Ihr Einkommen wäre weg, ihre Unabhängigkeit, und auch viel Selbstbewusstsein.
Textilproduzenten mächtiger als die Premierministerin?
Denn viele von ihnen sind mutiger geworden. Sie trauen sich, für ihre Rechte und für ihre Würde auf die Straße zu gehen. Zum Beispiel an diesem kühlen Abend, im Zentrum von Dhaka. In einem modernen Hochhaus mit Glasfassade hat sich der Verband der Textilproduzenten in Bangladesch eingerichtet. Manche Bangladeschi sagen, dieser Verband habe mehr Macht als die Premierministerin des Landes. Die Nobelkarossen unten vor dem Eingang des Prestigebaus sind nur ein Indiz dafür.
Genau zwischen diesen Bentleys und Audis herrscht gerade Tumult. Vielleicht achtzig oder neunzig Frauen und Männer protestieren auf dem Parkplatz. Sicherheitsleute versuchen, sie von den Nobelautos fernzuhalten.
"Wir haben einfach nur von unseren Chefs gefordert, uns höhere Löhne zu zahlen. Schließlich wurde ja auch der Mindestlohn heraufgesetzt. Aber dann wurden wir geschlagen und gefeuert. Und jetzt wollen sie uns nicht mal die Abfindung zahlen, die uns zusteht."
Ahjana ist wütend und frustriert. Immer wieder kommen sie und die anderen hierher. Für manche ist es ein weiter Weg, die Textilfabriken von Savar sind mehr als eine Stunde entfernt. Ahjana ist Näherin.
"Mein Mann und ich arbeiten beide in Textilfabriken. Wir haben zwei Kinder. Einen Teil unseres Lohnes verbrauchen wir hier in Dhaka. Aber mit dem bisschen Lohn, den wir kriegen, ist es schwer hier in Dhaka, mit unseren Kindern."
Ahjana sagt, es sei kein Problem, einen neuen Job zu finden in einer anderen Fabrik. Aber ihr geht es ums Prinzip.
Im siebten Stockwerk eines Prachtbaus in Dhaka residiert Atiqul Islam, der Präsident des Textilverbandes. Es war nicht einfach, einen Termin bei ihm zu bekommen. Islam misstraut westlichen Reportern.
Lobbyist: Textilbranche Opfer einer Kampagne
Atiqul Islam betreibt selbst neun Fabriken mit neuntausend Arbeitern. Eine davon ist jetzt geschlossen, weil Islam Bauvorschriften missachtet hatte. All die Auflagen, Streiks, höhere Löhne – für Atiqul Islam steckt die Textilbranche in Bangladesch derzeit in einer schweren Krise:
"Wissen Sie, nebenan sitzen Fabrikbesitzer, die ihre Firmen schließen mussten. Sie sagen: Es reicht. Die Konzerne im Westen wollen einfach nicht mehr für die T-Shirts zahlen. Ich kann meine Kosten nicht mehr decken. Und die da unten auf dem Parkplatz, das sind deren Mitarbeiter. Die wollen immer mehr."
Der mächtige Lobbyist redet sich in Rage. Atiqul Islam befürchtet, dass die Aufträge wegbrechen, wenn es so weitergeht. Und Fragen zur Katastrophe am Rana Plaza gefallen ihm überhaupt nicht.
"Wir sind Opfer einer großen, sehr großen negativen Kampagne. In China gibt es auch viele Unfälle. Aber alle reden nur über Bangladesch! Vielleicht sind unsere Medien einfach zu unabhängig. Und vielleicht sind wir einfach zu nett zu ausländischen Reportern. Vielleicht sind wir zu transparent. Ich sage Ihnen, ich kenne genug Länder, in denen Lohnsklaven arbeiten."
Ein paar Tage später. Rosina, die ihren Arm absägen musste, um sich selbst aus den Trümmern des Rana Plazas zu retten, steht auf einem Friedhof in Dhaka, zwei Autostunden von ihrer Hütte entfernt. Ein halbes Jahr nach der Katastrophe konnten per DNA-Abgleich die Überreste ihrer Schwester Morzina identifiziert werden, die Rosina unmittelbar vor dem Einsturz im Rana Plaza aus den Augen verloren hatte.
Das Grab der Schwester ist markiert mit dem Hinweis "DNA Nummer 291". Rosina hat ihre Mutter und ihren Vater mitgebracht, zum ersten Mal sind sie hier.
Aber Rosinas Mutter kann den Schmerz nicht ertragen. Sie bricht zusammen. Rosina bleibt stumm. Ihr kullern Tränen über die Wangen. Sie greift ihrer Mutter unter den Arm und geht mit ihr ein paar Schritte.
Ein Imam hat die Szene beobachtet. Der Geistliche kommt sofort herüber. Der Imam nickt Rosinas Vater zu. Dann breiten die beiden Männer ihre Hände zum Gebet aus.
Die westlichen Konzerne haben insgesamt 40 Millionen Dollar für den vereinbarten Hilfsfonds zugesagt. Auch Rosina hätte Anspruch auf das Geld. Aber wann sie eine Entschädigung aus dem Westen erhalten wird, ist unklar. Bis Mitte April haben die Konzerne noch nicht einmal die Hälfte des versprochenen Geldes überwiesen.