Bankenabwicklung

Einigung in letzter Minute

Von Jörg Münchenberg, Büro Brüssel |
Das Europäische Parlament und der Rat haben einen vorzeigbaren Kompromiss zur Bankenunion erzielt und damit ihre Handlungsfähigkeit bewiesen, kommentiert Jörg Münchenberg. Das sei angesichts der extrem unterschiedlichen internationalen Vorstellungen ein erstaunlicher Vorgang.
Das war knapp. Das Europäische Parlament, aber auch der Rat sind gerade noch einmal an einer Blamage vorbeigeschrammt. Denn die heutige Einigung über die Schaffung eines Europäischen Abwicklungsmechanismus sowie den Aufbau eines Abwicklungsfonds für marode Banken gelang sozusagen in letzter Minute. Denn schon im April tagt das Europäische Parlament zum letzten Mal in dieser Legislaturperiode.
Weil aber die Rechtstexte noch ausformuliert und übersetzt werden müssen, gab es nur noch wenig Spielraum. Eine Vertagung des Abwicklungsmechanismus auf die Zeit nach dem Sommer aber hätte ein fatales Signal an Bürger und Finanzmärkte ausgesendet. Schließlich werben Parlament, Kommission und Finanzministerrat schon seit Monaten mit dem Slogan: Eine Finanzkrise wie 2008/2009 darf sich nicht mehr wiederholen, wir haben verstanden und werden entsprechend handeln.
Doch davon konnte zuletzt nur bedingt die Rede sein. Stattdessen ging es zu wie im Schützengraben, was auf EU-Parlamentsseite sicherlich auch den bevorstehenden Europawahlen geschuldet ist. Zuletzt war es dann wie bei Tarifverhandlungen der IG Metall: Nach dem großen Trommelwirbel und einer nächtlichen Marathonverhandlung stieg dann doch noch Weißer Rauch auf.
Klassischer Kompromiss
Es ist ein klassischer Kompromiss, bei dem beide Seiten Erfolge verbuchen, aber auch Abstriche hinnehmen müssen. Entscheidend aber ist die Einlösung der Zusage. Nach der europäischen Bankenaufsicht, der Einlagensicherung sowie der Gläubigerhaftung ist jetzt auch die Schließung einer Bank organisatorisch wie finanziell auf EU-Ebene geregelt.
Anders ausgedrückt: Europa hat nun ein Drehbuch, wie es in künftigen Krisen reagieren muss und welche Mechanismen in Bewegung zu setzen sind. Das ist ein enormer Fortschritt. Zumal die Bankenunion innerhalb von nur eineinhalb Jahren aufgebaut worden ist. Angesichts der extrem unterschiedlichen nationalen Vorstellungen über die Ziele der Bankenunion ein geradezu erstaunlicher Vorgang.
Bankenabwicklung nach wie vor kompliziert
Zur Bilanz gehört aber auch dazu, dass auch der jetzige Kompromiss weiterhin Schwachstellen aufweist. Die Entscheidungsprozesse zur Abwicklung einer Bank sind nach wie vor kompliziert, vor allem im Streitfall. Die finanziellen Mittel des Abwicklungsfonds bleiben wiederum gerade in den ersten Jahren beschränkt, daran dürfte auch die geplante Kreditlinie für den Nottopf nur wenig ändern.
In letzter Konsequenz bleibt der Steuerzahler damit in der Verantwortung. Das gilt gerade für den bevorstehenden Übergangszeitraum bis zum kompletten Aufbau der Bankenunion. Zumal manche Banken im Zuge des anstehenden Stresstests noch erhebliche Kapitallücken offenbaren dürften.
Unter dem Strich aber bleibt es dabei: Parlament und Rat haben trotz der machtpolitischen Querelen ihre Handlungsfähigkeit bewiesen und einen vorzeigbaren Kompromiss erzielt. Das ist auch für die anstehenden Europawahlen sicherlich kein schlechtes Signal.
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