Bankrott

Abwärtsspirale in Motorcity

Häuserruinen im Zentrum von Detroit
Häuserruinen im Zentrum von Detroit © dpa/ picture alliance / Uli Deck
Von Jasper Barenberg |
Vor gut einem Jahr hat die einst schillernde Metropole der US-Autoproduktion die Zahlungsunfähigkeit angemeldet. Die bisher größte Städtepleite in der Geschichte der USA. Ein Insolvenzrichter wird jetzt darüber entscheiden, ob der vorliegende Sanierungsplan für Detroit fair und umsetzbar ist.
Wenn Insolvenzrichter Steven Rhodes das Verfahren eröffnet, geht es um nichts weniger als um die Zukunft der Stadt. Auf 18 Milliarden Dollar haben sich die Schulden von Detroit angehäuft.
Ein gutes Drittel der finanziellen Verpflichtungen wollen die Verantwortlichen jetzt aus den Büchern streichen und auf der anderen Seite in den nächsten zehn Jahren 1,4 Milliarden Dollar investieren, um das marode Erscheinungsbild der Stadt zu verbessern, um zumindest grundlegende Dienstleistungen aufrecht zu erhalten. Und das hat Detroit bitter nötig.
Zwangsverwalter Kevyn Orr: "Glaubt irgendjemand, es ist okay, dass Bäume durch die Dächer zerfallener Häuser wachsen? Dass unsere Kinder auf dem Weg von der Schule nach Haus durch Straßen ohne Beleuchtung laufen müssen? Dass man die Polizei ruft, aber niemand kommen kann, weil die Beamten mit einem anderen Fall beschäftigt sind? Nein!"
Vor einem Jahr wurde Kevyn Orr als Insolvenzverwalter eingesetzt. Seit dem kämpft er gegen den Verfall. Gegen rostende Feuerwehrautos und defekte Dienstwagen der Polizei. Gegen zehntausende verfallene Häuser, blätternde Farbe und verlassene Stadtviertel. Die Folgen einer Abwärtsspirale: Die Krise der Autoindustrie und Missmanagement haben die Stadt finanziell in den Ruin getrieben. Korruption und Kriminalität haben den Niedergang beschleunigt.
Gehaltsverzicht zugunsten der Stadt
In den letzten Monaten haben die Behörden mit Vertretern von mehr als tausend Gläubigern verhandelt – und vor Gericht gestritten. Darüber, wie Anleger abgefunden werden können. Vor allem aber darüber, wie stark die Renten der rund 30.000 städtischen Angestellten gekürzt werden.
Im Juli stimmte die Mehrheit der aktiven wie ehemaligen Bediensteten zu, auf 4,5 Prozent ihrer Ansprüche zu verzichten. Ein bedeutender Schritt auf dem Weg aus der Pleite, mit dem sich einige Betroffene aber nicht abfinden mögen.
Rentnerin: "Es ist nicht fair. Und ich kann auch nicht glauben, dass es rechtens ist! Wenn Richter Rhodes so ehrlich und fair ist, wie man es ihm nachsagt, dann lehnt er diesen Sanierungsplan hoffentlich ab!"
Dann aber würde auch eine weitere wichtige Vereinbarung platzen: Private Stiftungen, das Kunstmuseum und der Staat Michigan haben der Stadt über 800 Millionen Dollar zugesagt. Über 20 Jahre verteilt soll das Geld noch größere Einschnitte abwenden. Vor allem aber soll es einen Notverkauf der kostbaren Kunstsammlung von Detroit verhindern. Deren Wert wird auf bis zu acht Milliarden Dollar geschätzt.
Vor allem zwei Finanzunternehmen verlangen den Verkauf der Kunstschätze. Stattdessen sollen sie selbst und ihre Kunden einen Großteil der eigenen Investitionen abschreiben.
Überwindung der Pleite ist Herkulesaufgabe
Nach vielen Anhörungen und Zeugenaussagen wird Insolvenzrichter Steven Rhodes wohl in einigen Wochen entscheiden. Bestätigt er den Sanierungsplan, hat Detroit die Chance, die Pleite schneller zu überwinden als gedacht. Eine Herkulesaufgabe aber bleibt es.
Auch wenn hier und da sanierte Gebäude mit frischem Anstrich Hoffnung vermitteln. Auch wenn neue Läden und erfindungsreiche Unternehmer von Überlebenswillen zeugen: Für diesen Taxifahrer ist die Wende noch lange nicht geschafft.
"…The neighourhoods outside of downtown are suffering daily …"
Im Stadtzentrum kann er die Veränderung schon erkennen. Zehn Straßen weiter aber sieht er die Menschen nach wie vor täglich leiden.
Viele Städte in den USA kämpfen mit hohen Ausgaben, maroder Infrastruktur und schwächelnden Unternehmen. Sie werden genau hinschauen, welchen Weg Detroit einschlagen wird.
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