Banksy in Baden-Badener Museum

Das Bild aus dem Schredder

Banksys "Love in the Bin" im Museum Frieder Burda in Baden-Baden.
Im Burda-Museum wurde jetzt das geschreddertes Banksy-Bild "Love is in the bin" aufgehängt und ist zur Besichtigfung frei. © Getty Images / Alexander Scheuber
Wolfgang Ullrich im Gespräch mit Ute Welty |
Das bei einer Auktion zur Hälfte geschredderte Banksy-Bild wird nun erstmals in Baden-Baden ausgestellt. Der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich begrüßt, dass das umstrittene Kunstwerk nun zu sehen ist und weiter darüber diskutiert werden kann.
In den nächsten vier Wochen wird das zur Hälfte geschredderte Werk des britischen Künstlers Banksy im Museum Frieder Burda in Baden-Baden gezeigt. Das umstrittene Kunstwerk, auf dem ein kleines Mädchen mit wehendem Rock einen roten Herzballon steigen lässt, wurde bei einer medienwirksamen Kunstauktion im Herbst 2018 weltberühmt. Nach dem Verkauf für 1,2 Millionen Euro wurde es in einem im Rahmen eingebauten Schredder eingezogen und zur Hälfte zerschnitten. Der Künstler gab dem Bild "Girl with Balloon" (Mädchen mit Ballon) nach der Kunstaktion eine neuen Namen, es heißt jetzt "Love is in the bin" (Die Liebe ist im Eimer). Banksy erklärte seine Schredder-Aktion als Kritik am Kunstmarkt.

Logik der Auktionshäuser

Banksy habe sehr gut verstanden, wie heutzutage der Kunstmarkt funktioniere, sagte der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich im Deutschlandfunk Kultur. "Die Logik von Auktionshäusern, die wir seit einigen Jahren beobachten können, hat er eigentlich noch einmal getoppt." Sie bestehe darin, Skandale, Aufregung und große Nachrichten zu produzieren. In den vergangenen Jahren seien fast alle wichtigen Meldungen aus dem Kunstbetrieb von Auktionshäusern gekommen. "Sie können sehr gut Themen setzen." Wolfgang begrüßte, dass es nun in Baden-Baden die Möglichkeit gebe, das umstrittene Kunstwerk zu sehen und weiter darüber zu diskutieren.
Der Eintritt in Baden-Baden ist kostenlos. Damit wolle das Museum Banksys Ansätzen einer Demokratisierung der Kunst folgen, sagte Direktor Henning Schaper. Danach zieht das Kunstwerk weiter in die Stuttgarter Staatsgalerie und wird dort ab 7. März als Leihgabe dauerhaft zu sehen sein.
(gem)

Das Interview im Wortlaut:

Ute Welty: Es ist schon ein Treppenwitz der Kunstgeschichte, der sich da heute in Baden-Baden abspielt, und gleichzeitig ein Riesencoup, der den Machern und Macherinnen vom Museum Frieder Burda im beschaulichen Kurpark gelungen ist: Für vier Wochen zeigen sie jenes Werk von Banksy, das sich während der Auktion bei Sotheby’s quasi selbst zerstörte.
Im Rahmen war eine Einrichtung untergebracht, die das Bild komplett schreddern sollte, was aber nur zur Hälfte gelang – der Kaufpreis von 1,2 Millionen Euro war trotzdem fällig. Jetzt kommt also das ins Museum, das eigentlich nie hätte zu sehen sein sollen. Wie sehr das alles im Sinne des Künstlers oder der Künstlerin ist, das kann Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich vielleicht am besten beurteilen. Guten Morgen!
Wolfgang Ullrich: Frau Welty, guten Morgen!

Keine Panne, sondern Absicht

Welty: Die Sache ist ja kompliziert. Banksy wollte offensichtlich, dass sich dieses Werk zerstört, und jetzt bleiben Reste, die auf einmal das Original toppen, auch was den Wert angeht. Ist das im ursprünglichen Sinne?
Ullrich: Das ist natürlich sehr schwer zu sagen, was Banksy jetzt genau wollte.
Welty: Ich dreh’s noch mal eine Runde weiter, vielleicht ist es ja auch die ursprüngliche Absicht gewesen.
Ullrich: Ja, es gibt ja dieses Bekennervideo von ihm, was er auf seinem Instagram-Account gepostet hat, ein paar Tage nach der Auktion, und wenn man das genau anschaut, hat man den Eindruck einerseits, es ist von ihm schon lange geplant worden, als er vor Jahren dieses Werk herstellte. Zum anderen ist es auch sehr genau von ihm bestimmt worden, wann der Schredder losgeht und wann er auch wieder aufhört. Es ist, glaube ich, keine Panne, dass das nur zur Hälfte geschreddert wurde, sondern sehr wohl Absicht gewesen. Ich würde auch gar nicht so weit gehen zu sagen, dass das Schreddern in dem Fall eine Zerstörung bedeutet, so wie wir bei einem Street-Art-Künstler auch nicht sagen, er zerstört eine Mauer, wenn er ein Graffiti anbringt, sondern eher noch was dazu bringt. So würde ich sagen, der Schredder hat eigentlich dem Werk noch mal eine weitere Dimension hinzugefügt.
Welty: Den letzten Schliff.
Ullrich: Man kann alles noch sehen und es ist nichts verloren gegangen von dem Bild. Zerstörung klingt martialisch und aufregend und dramatisch, aber ganz so dramatisch ist es eigentlich nicht.

Ironische Geste

Welty: Banksy soll das Bild inzwischen umbenannt haben, es heißt nicht mehr "Mädchen mit Ballon", sondern "Die Liebe ist im Eimer". Ist das der Offenbarungseid der Kunstschaffenden gegenüber dem Kunstmarkt?
Ullrich: Nein, das ist natürlich auch eher eine ironische Geste. Es ist, glaube ich, weder ein Offenbarungseid, es ist aber auch nicht das, was manche gleich nach der Auktion bejubelt haben, dass hier der Kunstmarkt kritisiert werde oder dass Banksy als Robin Hood sich hier sozusagen in die erste Reihe spielt. Das stimmt sicher schon allein deshalb ja nicht, weil hier niemand das Geld weggenommen wird, um es dann Armen zu geben.
Eher würde ich sagen, dass Banksy hier sehr gut verstanden hat, wie heutzutage natürlich auch gerade der Kunstmarkt funktioniert. Die Logik von Auktionshäusern, die wir seit einigen Jahren beobachten können, hat er eigentlich noch einmal getoppt. Nämlich eine Logik darin besteht auch natürlich, Skandale, Aufregungen, große Nachrichten zu produzieren.
Wenn wir mal überlegen, in den letzten Jahren sind eigentlich fast alle großen Meldungen aus dem Kunstbetrieb von Auktionshäusern gekommen. Sie können sehr gut Themen setzen – wenn Sotheby’s einen Ferrari als zeitgenössische Kunst versteigert oder wenn Christie’s ein Werk, was mit Algorithmen entstanden ist, teuer versteigert. Das waren ja alles große Themen und sehr interessante Themen übrigens auch, kunstsoziologisch gesehen, und da ist Banksy jetzt sozusagen ein Weiterer, der das jetzt geschafft hat, aber im Grunde nicht gegen ein Auktionshaus oder gegen den Kunstmarkt, sondern genau innerhalb seiner Logik und seiner Mechanismen.
Van Goghs Frühwerk "Netzflickerinnen in den Dünen" wird zu einem Rekordpreis versteigert
Auktionshäuser machen immer wieder mit Rekord-Versteigerungen von sich reden. © AFP/Gerard Julien
Welty: Das heißt, der Kunstmarkt gehört schon lange nicht mehr den Künstlern, sondern schon längst den Auktionshäusern?
Ullrich: Die Auktionshäuser sind zumindest, würde ich schon sagen, diejenigen, die heutzutage am besten die Themen setzen, die das vielleicht tun, was in anderen Zeiten andere Institutionen des Kunstbetriebs – seien es Galerien, seien es Museen – viel besser geschafft haben. Die Auktionshäuser haben ja natürlich auch einen großen Vorteil: Es geht ja hier um große Summen, und große Summen kommen vielleicht automatisch schon mal auch in die Nachrichten oder interessieren viele Menschen – was ist da so teuer? –, und entsprechend kann man damit dann immer auch noch mal andere Botschaften lancieren.

Neue Debatte möglich

Welty: Das Museum Frieder Burda in Baden-Baden dürfte auch davon profitieren, dass man diesen Banksy jetzt dort zeigt. Man möchte vermuten, dass es da so etwas wie Absprachen gibt oder Übereinkünfte, oder sind es tatsächlich nur schlicht gemeinsame Interessen?
Ullrich: Also ich denke, es sind gemeinsame Interessen. Man wusste ja natürlich im Vorfeld nicht, wer das ersteigern würde und was die Person dann damit vorhaben würde. Ich finde es jetzt erst mal gut, dass es sichtbar gemacht wird, dass man noch mal vielleicht in einem anderen Zusammenhang darüber diskutieren kann, als dass jetzt erst mal nur in dieser Aufregung nach der Auktion möglich war.
Und es ist hier vielleicht ja auch noch mal so ein Trend zu beobachten, dass Museen, Ausstellungshäuser ja auch nicht unbedingt nur noch sich als die Instanzen verstehen, die jetzt einen Kanon bilden der großen Kunst, sondern auch als Orte verstehen, an denen Themen, die die Gesellschaft insgesamt interessieren, auch verhandelt werden. In dem Sinne passiert das hier, glaube ich, ganz gut.
Das Kurhaus in Baden-Baden im Schwarzwald.
Das Kurhaus in Baden-Baden im Schwarzwald ist ein Anziehungspunkt für viele Reiche. © dpa
Welty: Jetzt verrate ich kein Geheimnis, wenn ich sage, Baden-Baden ist weder Paris noch London und schon gar nicht New York.
Ullrich: Ja, aber Baden-Baden ist jetzt natürlich auch ein Ort – Sie haben es, glaube ich, in der Anmoderation ja schon ein bisschen angedeutet –, der ja auch mit Glamour, mit Reichtum verbunden ist. Vielleicht könnte man sogar sagen, was Spielbanken mal im 19. Jahrhundert waren, wirklich so ein Ort, wo sich viele wichtige Figuren der Gesellschaft getroffen haben, das ist heute ein Auktionshaus. Insofern ist das, was vielleicht durch ein Auktionshaus heute geadelt wird, jetzt in Baden-Baden gar nicht so schlecht aufgehoben.

Neue Popularität für Banksy

Welty: Diejenige, die den ursprünglichen Banksy ersteigert hat, war bereit, dafür 1,2 Millionen Euro zu zahlen. Von dieser Summe können sehr viele Menschen sehr gut den Rest ihres Lebens bestreiten. Ist ein solcher Preis am Ende gerechtfertigt?
Ullrich: Na ja, generell kann man, glaube ich, nicht sagen, dass Preise, die bei Auktionen erzielt werden, ein Indikator sind für den Wert eines Werkes. Sie sind eigentlich ein Indikator für die Kaufkraft derer, die hier mitbieten. Natürlich haben das jetzt auch viele Banksy vorgeworfen, dass er, der sozusagen als Street-Art-Künstler angefangen hat, jetzt da in dieser Millionärsliga gelandet ist.
Streetart des britischen Künstlers Bansky in Paris und eine Frau, die das Kunstwerk fotografiert.
Durch seine Straßenkunst hat der britische Künstler Bansky seit Jahren viele Fans. © Frédéric Dugit/dpa
Da muss man vielleicht zu einer Ehrenrettung sagen, Künstler können nicht beeinflussen, welche ihrer Werke bei Auktionen landen, das hat er ja nicht selber da hingebracht zu Sotheby’s. Er hat aber vielleicht gerade durch diese Aktion etwas anderes erreicht, nämlich dass er eine Art von Popularität geschafft hat, die ihm dann doch auch wieder zugleich so eine Art vielleicht Bestätigung in seinem ursprünglichen Milieu gibt, eben nicht bei den Superreichen, sondern bei vielen Leuten, die bisher schon Banksy gemocht haben und irgendwelche Tassen, Handtücher oder andere Merchandising-Artikel um sich haben, die diesen fröhlichen, optimistischen Lifestyle mögen, den er ausstrahlt.
Und das ist ihm sicher durch diese Aktion gelungen, die hat ihm bei Instagram über drei Millionen neue Follower eingebracht, man könnte auch sagen, über drei Millionen Fans eingebracht. Das ist ja vielleicht doch noch mal jetzt auch eine interessante Sache oder auch eine Entwicklung, die gerade durch die sozialen Medien befördert wurde in den letzten Jahren, dass Künstler überhaupt auch Fans haben können. Also sie können einerseits heute sozusagen teure …
Welty: Nicht nur Käufer, sondern auch Fans.
Ullrich: Nicht nur Käufer und Millionäre als Sammler, sondern auch viele Millionen von Fans, die sich freuen, wenn irgendwas Interessantes, Aufregendes, Lustiges, Skandalöses passiert. Es ist auch eine Form von Unterhaltungskunst, die wir hier haben, und dagegen ist ja erst mal nichts einzuwenden.
Welty: Banksy ab heute im Museum Frieder Burda in Baden-Baden. Ich danke Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich für seine Einschätzung.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema