Erste Frau an der Spitze der Vatikanischen Museen
Im Vatikan haben Frauen fast keine Aufstiegsmöglichkeiten. Trotzdem wurde Barbara Jatta zur Chefin aller Museen des Staates ernannt. Ihr unterstehen fast 1000 Mitarbeiter und ein Kunstschatz, der rund 200.000 ausgestellte Kunstwerke umfasst, die von sechs Millionen Menschen besucht werden.
"Ich würde nicht von spezifisch weiblichem Einfühlungsvermögen sprechen. Sondern vom Einfühlungsvermögen von uns allen hier, vom gesamten Personal, das in den Museum seinen Dienst verrichtet."
Barbara Jatta will nichts von typisch weiblichen Führungsqualitäten wissen. Auf Fragen zu diesem Thema weicht sie geschickt und elegant aus. Kein Wunder, ist sie doch seit Anfang Januar Generaldirektorin sämtlicher Museen eines Staates, in dem Frauen so gut wie keine Aufstiegsmöglichkeiten haben. Ein Staat, in dem das Oberhaupt, der Papst, die Minister und Staatssekretäre, die so genannte Kurie, in der die Führungspositionen der Bank, die berühmt berüchtigte IOR, der Rundfunk, Radio Vaticana, und andere wichtige Institutionen, noch nie von einer Frau geführt wurden. Ein Männerstaat von Gottes Gnaden, in dem aber jetzt, zum ersten Mal überhaupt, eine Frau, die Kunsthistorikerin Barbara Jatta, Chefin sämtlicher Kunstschätze geworden ist:
"Frauen arbeiten hier seit langem als Expertinnen in verschiedenen Disziplinen. Nicht nur als Kuratorinnen, sondern auch als Restauratorinnen und in der Logistik."
Die 1962 in Rom geborene Barbara Jatta ist hinter den hohen Mauern des Kirchenstaates keine Unbekannte. Seit zwei Jahrzehnten arbeitet die auf Grafik, Archivkunde und Paläolografie spezialisierte Kunsthistorikerin in den Vatikanischen Museen im Kabinett der historischen Drucke. Kunstliebhaber und –kenner Benedikt XVI. ernannte sie 2010 zur Kuratorin sämtlicher Druckwerke der Vatikanbibliothek. Darüber hinaus organisierte Jatta verschiedene Ausstellungen im Kirchenstaat. Zuletzt war sie auch für Neuerwerbungen für die einzelnen Museen mitverantwortlich.
"Diese Museen sind ein riesiges Unternehmen"
Mitte vergangenen Jahres wurde Barbara Jatta neue Vizedirektorin der vatikanischen Museen. Obwohl die Pensionierung des international bekannten Kunsthistorikers Antonio Paolucci bevorstand - er war bis zu seiner Pensionierung Ende 2016 Chef aller Museen der Päpste - hätte sie nie damit gerechnet, ihn irgendwann einmal beerben zu können. Denn, wie gesagt: der Heilige Stuhl ist in Sachen oberste Führungsriege immer noch eine reine Männerdomäne – auch unter Papst Franziskus.
Was sind die Projekte der neuen Chefin der Vatikanmuseen?
"Wir dürfen eines nicht vergessen: Diese Museen sind ein riesiges Unternehmen mit zahllosen Mitarbeitern. Hier geht es ja nicht nur um den Erhalt von Kunstwerken, sondern auch um eine reibungslos funktionierende Organisation. Das sind die beiden wichtigsten Aufgabenbereiche, und die müssen besser als bisher zusammen wirken."
Barbara Jatta muss sich nun um 200.000 ausgestellte Kunstwerke, mehrere hundert Tausend Kunstwerke in Magazinen, um die Organisation von jährlich etwa 100 Kulturevents, um 6 Millionen Besucher pro Jahr und um insgesamt fast 1000 Mitarbeiter kümmern.
Ob ihr diese Herkulesaufgabe Angst mache? Barbara Jatta schüttelt ihren Kopf, strafft ihre Schultern und spricht viel lieber von ihren neuen Ausstellungsprojekten:
"In diesem Jahr wird es eine große Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem jüdischen Museum in Rom zum Thema der Menorah geben. Es wird auch eine Ausstellung in Lissabon geben, zur Reise des Papst nach Fatima, und viele andere Kunstschauen."
Raffael und Caravaggio nach Moskau
Barbara Jatta will, dass die Vatikanischen Museen öfter als bisher Kunst entleihen. Wie zuletzt nach Moskau, wo sie Ende November in der Tretyakov-Galerie eine Ausstellung mit Vatikankunst einweihte. Mit 42 Meisterwerken von Raffael, Caravaggio, Bellini, Reni und anderen. Noch nie zuvor hatten die vatikanischen Museen so viele ihrer bedeutenden Gemälde für eine einzige Kunstschau entliehen.
"Das sind absolute Meisterwerke, die wir dort zeigen, vom 12. bis zum 18. Jahrhundert. Wir hoffen, dass es zu einem Austausch kommen wird. Vielleicht gibt es bald schon eine russische Ausstellung im Vatikan."
Barbara Jatta ist ein Managertyp. Genau das also, was die Vatikanmuseen heute brauchen. Mehr internationale Projekte und Ausstellungen, mehr Kunst aus Magazinen in den zur Verfügung stehenden Museumsräumen.
Mit Jatta weht ein frischer Wind durch eines der größten Museen der Welt. Ob sie mit Geldproblemen zu kämpfen habe? Auf diese Frage lächelt Barbara Jatta, und sagt "no, no!" – wohl wissend, dass die Vatikanischen Museen im Vergleich zu anderen ähnlich wichtigen Institutionen mit Geldproblemen nicht zu kämpfen haben.