Die Ausstellung "Wege des Barock – die Nationalgalerien Barberini Corsini in Rom" ist bis zum 6. Oktober im Museum Barberini am Alten Markt in Potsdam zu sehen. Täglich außer dienstags von 10 bis 19 Uhr. Zeitfenster-Tickets gibt es online.
Als Emotionen die Malerei eroberten
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Das Museum Barberini schlägt mit der Ausstellung "Wege des Barock" die Brücke zwischen Potsdam und Rom. Leihgaben der italienischen Nationalgalerien werden den Gemälden aus der Sammlung von Friedrich II. gegenübergestellt. Das birgt mehr als eine Sensation.
Zielstrebig schwirren drei goldene Bienen auf die päpstlichen Insignien zu, die Tiara und die Schlüssel. Neben den überlebensgroßen Wappentieren der Familie Barberini wirkt die allegorische Darstellung der göttlichen Vorsehung klein und zart. Das gewaltige Deckenfresko von Pietro da Cortona aus dem Audienzsaal des Palazzo Barberini in Rom lässt keinen Zweifel offen, dass menschlicher Wille zur Macht die göttliche Fügung beflügeln kann.
Jetzt wird das grandiose Gemälde im Potsdamer Museum Barberini als Projektion an die Decke geworfen und stellt den Besuchern die Hauptfigur dieser Ausstellung vor: Maffeo Barberini, der 1623 zum Papst gewählt wurde. Als Urban VIII. sorgte er für einen beispiellosen Boom der Künste, sagt Flaminia Gennari Santori, Direktorin der italienischen Nationalgalerie.
"Er war der Papst, der Rom in eine Barockstadt verwandelt hat. Er war der Papst, der den Triumph der römisch-katholischen Kirche im 17. Jahrhundert bewirkte. Er regierte während des Dreißigjährigen Krieges. Das war eine Zeit, in der die katholische Kirche in ganz Europa nach der Reformation an Bedeutung gewann."
Eine Epoche voller Widersprüche
Die temperamentvolle Ausstellung "Wege des Barock" entführt die Besucher in eine Epoche voller Widersprüche. Noch immer waltet die Inquisition. Galileo Galilei, ein Freund von Urban VIII., muss seine Erkenntnis widerrufen, dass die Erde sich um die Sonne dreht. In der Kunst drücken sich diese Konflikte schockierend in der Hell-Dunkel-Malerei von Caravaggio und seinen Nachfolgern aus.
Caravaggios Bild vom Narziss zeigt den jungen Mann, der sich in unerfüllter Liebe zu sich selbst verzehrt. Caravaggio wählt die Nahaufnahme im Moment der Verzückung, als blendende Schönheit in dunkle Egozentrik umschlägt. Die Ausleuchtung lässt die Situation so persönlich erscheinen, dass die italienische Kuratorin Maurizia Cicconi augenblicklich flüstert.
"Das Licht ist punktuell und sehr intim. Denn typisch für Caravaggio ist, dass er nur einen einzelnen Punkt beleuchtet. In diesem Fall wirft er ein Schlaglicht auf das weiße Hemd des jungen Mannes. Aber alles soll die Gestalt von Narziss hervorheben, der sein umgekehrtes und diffuses Spiegelbild im Wasser betrachtet."
Auch wenn das heutige Publikum mit der Bildsprache des Barock nicht vertraut ist, kann es doch in der Malerei die Leidenschaften erkennen, glaubt Ortrud Westheider, die Direktorin des Museum Barberini in Potsdam.
"Caravaggio bringt den wichtigen Moment einer Geschichte auf den Punkt. Er inszeniert direkt mit Modellen, die er von der Straße in sein Atelier eingeladen hat. Er malt mit dem Modell, und die Beleuchtung ist schlaglichtartig und wie auf einer Bühne."
Die neue Sprache der Malerei führte aber auch zu Streit. So verhöhnten Caravaggios Anhänger seinen Konkurrenten Giovanni Baglione, weil dieser einen Amor als erwachsenen Mann in Rüstung darstellte. Aus Rache malte Baglione das gleiche Motiv noch einmal, gab aber dem Teufel das Gesicht von Caravaggio, dessen wüstes Leben sich in seine Züge eingegraben hatte.
Friedrich II. identifizierte sich mit den Barberinis
Jetzt hängt der Malersatan mit den messerscharfen Eisenzähnen als schöne Pointe neben dem Narziss. Erstaunlich allerdings wirkt, dass sich ausgerechnet Friedrich II. mehr als 100 Jahre später im fernen Preußen am Palazzo Barberini in Rom orientierte, als er ein Palais am Alten Markt bauen ließ.
"Wir vermuten auch, dass Friedrich mit der Wahl des Palazzo Barberini für seinen Alten Markt in Potsdam, wo er eben eine repräsentative Fassade brauchte, sich mit einer der großen italienischen Sammlerfamilien identifizierte. Dass diese Art von Sammlertypus eben auch so im königlichen Maßstab ein Vorbild für Friedrich war", sagt Westheider.
Gemälde von Artemisia Gentileschi restauriert
Die beiden Beispiele aus Friedrichs Sammlung italienischer Malerei sind eine weitere Sensation der Ausstellung. Denn die zwei Gemälde von Artemisia Gentileschi aus dem Neuen Palais in Potsdam hingen bisher hinter verschlossenen Türen. Sie konnten nun restauriert werden. Mit der Vergewaltigung der Lukretia durch Sextus Tarquinius, um 1630 entstanden, behandelte die Künstlerin ein autobiographisches Trauma. Sie war selbst von ihrem Lehrer vergewaltigt worden und musste unter Folter vor der Inquisition beschwören, dass sie keine Prostituierte sei.
Artemisia Gentileschi setzt das Licht auf den ganzen zerbrechlichen Körper der Lukretia. Da muss man den historischen Hintergrund nicht kennen, um die Tragödie zu verstehen. Die Wege des Barock führen direkt in die Welt der Gefühle.