Barock erzählt
Er ist einer der bedeutendsten slowenischen Nachkriegsautoren. In seinem historischen Roman "Katharina, der Pfau und der Jesuit" entwirft Drago Jančar ein Panorama des 18. Jahrhunderts. Eine Pilgerfahrt slowenischer Katholiken und der Siebenjährige Krieg spielen darin ebenso eine Rolle wie ein wüstes Beziehungsdrama in Form einer Dreiecksgeschichte.
Die Dämonen sind angeblich von der istrischen Küste aus in das Dorf Dobrava vorgedrungen. In Dobrava toben sich die bösen Geister aus, das Vieh ertrinkt, die Säue quaken mit Menschenstimmen. Die Menschen erwarten den Weltuntergang und glauben sich von einer gigantischen Epidemie erfasst. Man schreibt den Frühling des Jahres 1757.
Kurz nach Ostern bricht Katharina, die nicht mehr ganz junge, unverheiratete Tochter des Gutsverwalters Poljanec, mit einer Schar von slowenischen Katholiken zur traditionellen Pilgerfahrt auf - nach Kelmorajn, auf Deutsch: Köln am Rhein. Katharina verliebt sich während der Fahrt in den von innerlicher Zerrissenheit geplagten früheren Jesuiten Simon. Währenddessen zieht der einst von Katharina erfolglos angebetete Hauptmann Windisch, Gutsbesitzerneffe und eitel wie ein Pfau, in den Siebenjährigen Krieg.
Auf rund 440 Seiten hat der slowenische Erzähler, Theaterautor und Essayist Drago Jančar eine Dreiecksgeschichte mit einem Panorama des 18. Jahrhunderts verknüpft. Sein historischer Roman "Katharina, der Pfau und der Jesuit", übersetzt von Klaus Detlef Olof und soeben bei Folio erschienen, liest sich als ununterbrochener, expressiver, barocker Erzählstrom und schweift mitunter weit aus.
Die Macht der Kirche hat ihren Zenit überschritten, die Aufklärung steht vor der Tür: Die Welt scheint in keiner Weise besser als zuvor. Mit Simon, der im Jesuitenstaat von Paraguay Indios missionierte, bis er gemeinsam mit seinem Orden von den Spaniern vertrieben wurde, gewinnt die widerspruchsvolle Frühgeschichte des Kolonialismus Kontur.
Hinter den Soldatenabenteuern des Hauptmanns Windisch scheint die Brutalität des Krieges zwischen Friedrich II. und Maria Theresia auf, der halb Europa überzog und auch in Übersee wütete. Zwischen Simon und Windisch aber steht die ebenso erfahrungshungrige wie wankelmütige Katharina, die von dem Jesuiten erst einmal enttäuscht Abstand nimmt, um mit dem Krieger durch die Lande zu ziehen, halb Offiziershure, halb Verlobte. Doch Simon gewinnt Katharina zurück. Den inzwischen schwer kriegsversehrten Windisch behält man aus Mitleid noch eine Zeitlang im Schlepptau, dann wird er abgestochen und kaltblütig im Starnberger See versenkt.
Das wüste Beziehungsdrama fügt sich nahtlos in das Stimmungsbild von der slowenischen Pilgerfahrt, entpuppen sich die angeblich frommen Wallfahrer doch als trunkene Randalierer, Frauenschänder und Brandschatzer, die keine Stadt mehr tolerieren will.
Drago Jančar, geboren 1948 in Maribor, ist einer der bedeutendsten slowenischen Nachkriegsautoren. Als Dissident opponierte er gegen das sozialistische Jugoslawien und verbüßte dafür in den siebziger Jahren eine Gefängnisstrafe. In diesem Herbst erhält er den Jean-Amery-Preis für Essayistik. Sein Roman "Katharina, der Pfau und der Jesuit" erweist sich als tiefgründiges Epos, von Geschichtspessimismus durchdrungen, originell komponiert und unterhaltsam.
Rezensiert von Martin Sander
Drago Jančar: Katharina, der Pfau und der Jesuit
Roman
Aus dem Slowenischen von Klaus Detlef Olof
Folio Verlag
440 Seiten, 24,90 Euro
Kurz nach Ostern bricht Katharina, die nicht mehr ganz junge, unverheiratete Tochter des Gutsverwalters Poljanec, mit einer Schar von slowenischen Katholiken zur traditionellen Pilgerfahrt auf - nach Kelmorajn, auf Deutsch: Köln am Rhein. Katharina verliebt sich während der Fahrt in den von innerlicher Zerrissenheit geplagten früheren Jesuiten Simon. Währenddessen zieht der einst von Katharina erfolglos angebetete Hauptmann Windisch, Gutsbesitzerneffe und eitel wie ein Pfau, in den Siebenjährigen Krieg.
Auf rund 440 Seiten hat der slowenische Erzähler, Theaterautor und Essayist Drago Jančar eine Dreiecksgeschichte mit einem Panorama des 18. Jahrhunderts verknüpft. Sein historischer Roman "Katharina, der Pfau und der Jesuit", übersetzt von Klaus Detlef Olof und soeben bei Folio erschienen, liest sich als ununterbrochener, expressiver, barocker Erzählstrom und schweift mitunter weit aus.
Die Macht der Kirche hat ihren Zenit überschritten, die Aufklärung steht vor der Tür: Die Welt scheint in keiner Weise besser als zuvor. Mit Simon, der im Jesuitenstaat von Paraguay Indios missionierte, bis er gemeinsam mit seinem Orden von den Spaniern vertrieben wurde, gewinnt die widerspruchsvolle Frühgeschichte des Kolonialismus Kontur.
Hinter den Soldatenabenteuern des Hauptmanns Windisch scheint die Brutalität des Krieges zwischen Friedrich II. und Maria Theresia auf, der halb Europa überzog und auch in Übersee wütete. Zwischen Simon und Windisch aber steht die ebenso erfahrungshungrige wie wankelmütige Katharina, die von dem Jesuiten erst einmal enttäuscht Abstand nimmt, um mit dem Krieger durch die Lande zu ziehen, halb Offiziershure, halb Verlobte. Doch Simon gewinnt Katharina zurück. Den inzwischen schwer kriegsversehrten Windisch behält man aus Mitleid noch eine Zeitlang im Schlepptau, dann wird er abgestochen und kaltblütig im Starnberger See versenkt.
Das wüste Beziehungsdrama fügt sich nahtlos in das Stimmungsbild von der slowenischen Pilgerfahrt, entpuppen sich die angeblich frommen Wallfahrer doch als trunkene Randalierer, Frauenschänder und Brandschatzer, die keine Stadt mehr tolerieren will.
Drago Jančar, geboren 1948 in Maribor, ist einer der bedeutendsten slowenischen Nachkriegsautoren. Als Dissident opponierte er gegen das sozialistische Jugoslawien und verbüßte dafür in den siebziger Jahren eine Gefängnisstrafe. In diesem Herbst erhält er den Jean-Amery-Preis für Essayistik. Sein Roman "Katharina, der Pfau und der Jesuit" erweist sich als tiefgründiges Epos, von Geschichtspessimismus durchdrungen, originell komponiert und unterhaltsam.
Rezensiert von Martin Sander
Drago Jančar: Katharina, der Pfau und der Jesuit
Roman
Aus dem Slowenischen von Klaus Detlef Olof
Folio Verlag
440 Seiten, 24,90 Euro