Basecap - Ein kleine Kulturgeschichte der Kopfbedeckung
Baseball ist in den USA eine Massensportart und in anderen Ländern, so dem unseren, einigermaßen unbekannt. Indessen fanden zwei der im Baseball verwendeten Utensilien Eingang auch in andere Kulturkreise: der harthölzerne Schläger und die von den Spielern getragene Kopfbedeckung. Sie besteht aus einer die Schädelform nachempfindenden Stoffhülle und einem Stirn und Augen beschattenden Schild. Am Hinterkopf befindet sich eine variable Schließe, die das Ding dem jeweiligen Schädelumfang anpassen soll.
Der Baseballschläger erfreut sich bei rechtsradikalen Streetfightern einer zwar sachfremden, doch zielgerichteten Verwendung. Zweck und Nutzen der Basecap genannten Mütze hingegen bleiben mehr als diffus. Dem Regensschutz dient sie kaum, da der Stoff keine Feuchtigkeit abweist. Als Kopfwärmer zeigt sie sich ungeeignet, da der Stoff dafür zu dünn ist. Als Sonnenschutz wird sie kaum verwendet, da der Schild, etwa von Kids, über das Ohr geschoben wird, während Profitennisspieler ihn gar in den Nacken rücken, was sie beim Heben den Kopfes deutlich behindert und außerdem die Schließöffnung über der Stirn, mit heraushängendem Haarzipfel, einen höchst albernen Anblick bietet. Rennfahrer der Formel eins, während des eigentlichen Wettbewerbs mit Sturzhelm und feuerabweisendem Stoff angetan, setzen bei der Siegesfeier ein Basecap auf. Alte Herren tragen es bei abendlichen Autofahrten, Theaterregisseure bei Proben im Bühnenhaus, Rockstars beim Auftritt im Konzertsaal. Die Motive für solche Art der Kostümierung bleiben allemal unerfindlich.
Dass Menschen ihren Kopf bedecken, dürfte fast so alt sein wie der zivilisatorische Brauch der menschlichen Bekleidung. Es gibt da die Mütze, die Kappe, die Kapuze, den Hut, den Helm und das Tuch. Der Helm ist wirksamste Abwehr gegen Schäden mittels Fremdeinwirkung. Die Mütze dürfte die ursprüngliche, da in der Herstellung einfachste Form einer Kopfbedeckung sein. Zweck ist zunächst, hier wie dort wie überhaupt, der Schutz, üblicherweise gegen Witterungseinflüsse, Sonne, Kälte und Niederschlag. Auch das Tuch in islamischen Gegenden, als Talfia bei männlichen Beduinen, als ausführliches Stoffstück zum Verhüllen des weiblichen Haares, war zunächst bloß einen Schattenspender, avancierte aber längst, und da zumal in seiner weiblichen Variante, zum unerschütterlichen Religionssymbol.
Die Kipa der frommen Juden, das Fez der Osmanen, der Turban von Moslems und Sikhs, die Bischofs- und Pfaffenhüte katholischer Kirchenfürsten, die Kappe von Papst und Kardinälen sowie die Hauben der verschiedenen Nonnenorden haben gleichfalls eine rein religiöse Bedeutung. Die Krone von Königen und Kaisern, zunächst bloß eine Kopfbedeckung und eine zumeist lückenhafte dazu, schützt vor Regen gleichfalls nicht. Die Kostbarkeit des Materials, aus dem sie verfertigt wurde, nebst ihrer ebenso eigentümlichen wie singulären Gestalt wollen den hohen sozialen Rang ihres Trägers verdeutlichen.
In unseren Breiten können Mützen, ausgestattet mit den zugehörigen Insignien, Teil einer Uniformierung sein, im militärischen, polizeilichen oder Dienstleistungsbereich, sagen wir Eisenbahn oder Gebäudeschutz. Dass Mützen, außer gegen Witterungsunbill zu schützen, einen Rang oder Stand ausdrücken, gilt nicht nur im Falle von Uniformen. Der Bauer im Mittelalter trug eine andere Kopfbedeckung als der Feudalherr. Die rote Mütze der französischen Galeerensklaven im Mittelmeer gedieh durch die Revolution von 1789 zum Kopfschmuck der radikalsten politischen Kraft, des Jakobinismus. Drei- und Zweispitze hatten ebenso ihre Symbolfunktion wie, etwas später, der Zylinder, der bald als Ausweis von Bedeutsamkeit und Solennität angesehen wurde.
Sombrero und Texashut schützen nicht bloß, und manchmal nicht zuerst, gegen das sengende Tagesgestirn, sondern dienen, so bei George W. Bush, der populistischen Hinwendung zu einer bestimmten Landschaft und deren Gesinnung. Die Damenhüte, welche die britische Königin und ihr weibliches Gefolge ebenso tragen wie die Tortenstücke verzehrenden Damen in der obersächsischen Hauptstadt Dresden, verfolgen ein rein dekoratives Ziel und beflügeln einen gesamten Berufszweig, die Putzmacherei.
Was also, vor dem Hintergrund dieses eher hastig abgehandelten Stücks Kulturgeschichte, will oder bedeutet da das Basecap?
Aufs erste Hinsehen scheint es der Ausdruck einer US-bestimmten Globalisierung zu sein, darin vergleichbar dem T-Shirt, den Jeans und dem Hamburger. Doch während jene anderen drei Objekte einem einsehbaren textilen oder sättigenden Effekte dienen, fällt dergleichen, wir haben es erläutert, beim Basecap fort. Als Sympathiebekundung für die USA taugt es damit nicht. Die USA sind ein utilitaristisch gestimmtes Land. Somit bleibt einziger Zweck des in hiesigen Breiten getragenen Basecaps es selbst. Man mag dies Redundanz nennen oder auch Unsinn.
Freilich ist dergleichen, gerade im Falle von Kopfbedeckungen, so unerhört wieder nicht. Bis ins 19. Jahrhundert galt als selbstverständlich, dass der Mann nächtens eine Zipfelmütze anlegte, obschon die Klimatisierung in Bürgerhäusern weit vorangeschritten und das Tragen eines Wärmeschutzes im Bett damit nicht nur überflüssig, sondern überdies lästig war. Man trug ihn trotzdem. Die Zipfelmütze avancierte zum Kostüm des deutschen Michels als der Figur des kleinbürgerlichen Deppen wie auch des von diesem bevorzugten Bildkunstwerkes, des Gartenzwergs. Die nächtliche Zipfelmütze ist mittlerweile verschwunden. Nunmehr besitzen wir das Basecap.
Rolf Schneider stammt aus Chemnitz. Er war Redakteur der kulturpolitischen Monatszeitschrift "Aufbau" in Berlin (Ost) und wurde dann freier Schriftsteller. Wegen "groben Verstoßes gegen das Statut" wurde er im Juni 1979 aus dem DDR-Schriftstellerverband ausgeschlossen, nachdem er unter anderem zuvor mit elf Schriftstellerkollegen in einer Resolution gegen die Zwangsausbürgerung Wolf Biermanns protestiert hatte. Veröffentlichungen u. a. "November", "Volk ohne Trauer" und "Die Sprache des Geldes". Rolf Schneider schreibt gegenwärtig für eine Reihe angesehener Zeitungen und äußert sich insbesondere zu kultur- und gesellschaftspolitischen Themen.
Dass Menschen ihren Kopf bedecken, dürfte fast so alt sein wie der zivilisatorische Brauch der menschlichen Bekleidung. Es gibt da die Mütze, die Kappe, die Kapuze, den Hut, den Helm und das Tuch. Der Helm ist wirksamste Abwehr gegen Schäden mittels Fremdeinwirkung. Die Mütze dürfte die ursprüngliche, da in der Herstellung einfachste Form einer Kopfbedeckung sein. Zweck ist zunächst, hier wie dort wie überhaupt, der Schutz, üblicherweise gegen Witterungseinflüsse, Sonne, Kälte und Niederschlag. Auch das Tuch in islamischen Gegenden, als Talfia bei männlichen Beduinen, als ausführliches Stoffstück zum Verhüllen des weiblichen Haares, war zunächst bloß einen Schattenspender, avancierte aber längst, und da zumal in seiner weiblichen Variante, zum unerschütterlichen Religionssymbol.
Die Kipa der frommen Juden, das Fez der Osmanen, der Turban von Moslems und Sikhs, die Bischofs- und Pfaffenhüte katholischer Kirchenfürsten, die Kappe von Papst und Kardinälen sowie die Hauben der verschiedenen Nonnenorden haben gleichfalls eine rein religiöse Bedeutung. Die Krone von Königen und Kaisern, zunächst bloß eine Kopfbedeckung und eine zumeist lückenhafte dazu, schützt vor Regen gleichfalls nicht. Die Kostbarkeit des Materials, aus dem sie verfertigt wurde, nebst ihrer ebenso eigentümlichen wie singulären Gestalt wollen den hohen sozialen Rang ihres Trägers verdeutlichen.
In unseren Breiten können Mützen, ausgestattet mit den zugehörigen Insignien, Teil einer Uniformierung sein, im militärischen, polizeilichen oder Dienstleistungsbereich, sagen wir Eisenbahn oder Gebäudeschutz. Dass Mützen, außer gegen Witterungsunbill zu schützen, einen Rang oder Stand ausdrücken, gilt nicht nur im Falle von Uniformen. Der Bauer im Mittelalter trug eine andere Kopfbedeckung als der Feudalherr. Die rote Mütze der französischen Galeerensklaven im Mittelmeer gedieh durch die Revolution von 1789 zum Kopfschmuck der radikalsten politischen Kraft, des Jakobinismus. Drei- und Zweispitze hatten ebenso ihre Symbolfunktion wie, etwas später, der Zylinder, der bald als Ausweis von Bedeutsamkeit und Solennität angesehen wurde.
Sombrero und Texashut schützen nicht bloß, und manchmal nicht zuerst, gegen das sengende Tagesgestirn, sondern dienen, so bei George W. Bush, der populistischen Hinwendung zu einer bestimmten Landschaft und deren Gesinnung. Die Damenhüte, welche die britische Königin und ihr weibliches Gefolge ebenso tragen wie die Tortenstücke verzehrenden Damen in der obersächsischen Hauptstadt Dresden, verfolgen ein rein dekoratives Ziel und beflügeln einen gesamten Berufszweig, die Putzmacherei.
Was also, vor dem Hintergrund dieses eher hastig abgehandelten Stücks Kulturgeschichte, will oder bedeutet da das Basecap?
Aufs erste Hinsehen scheint es der Ausdruck einer US-bestimmten Globalisierung zu sein, darin vergleichbar dem T-Shirt, den Jeans und dem Hamburger. Doch während jene anderen drei Objekte einem einsehbaren textilen oder sättigenden Effekte dienen, fällt dergleichen, wir haben es erläutert, beim Basecap fort. Als Sympathiebekundung für die USA taugt es damit nicht. Die USA sind ein utilitaristisch gestimmtes Land. Somit bleibt einziger Zweck des in hiesigen Breiten getragenen Basecaps es selbst. Man mag dies Redundanz nennen oder auch Unsinn.
Freilich ist dergleichen, gerade im Falle von Kopfbedeckungen, so unerhört wieder nicht. Bis ins 19. Jahrhundert galt als selbstverständlich, dass der Mann nächtens eine Zipfelmütze anlegte, obschon die Klimatisierung in Bürgerhäusern weit vorangeschritten und das Tragen eines Wärmeschutzes im Bett damit nicht nur überflüssig, sondern überdies lästig war. Man trug ihn trotzdem. Die Zipfelmütze avancierte zum Kostüm des deutschen Michels als der Figur des kleinbürgerlichen Deppen wie auch des von diesem bevorzugten Bildkunstwerkes, des Gartenzwergs. Die nächtliche Zipfelmütze ist mittlerweile verschwunden. Nunmehr besitzen wir das Basecap.
Rolf Schneider stammt aus Chemnitz. Er war Redakteur der kulturpolitischen Monatszeitschrift "Aufbau" in Berlin (Ost) und wurde dann freier Schriftsteller. Wegen "groben Verstoßes gegen das Statut" wurde er im Juni 1979 aus dem DDR-Schriftstellerverband ausgeschlossen, nachdem er unter anderem zuvor mit elf Schriftstellerkollegen in einer Resolution gegen die Zwangsausbürgerung Wolf Biermanns protestiert hatte. Veröffentlichungen u. a. "November", "Volk ohne Trauer" und "Die Sprache des Geldes". Rolf Schneider schreibt gegenwärtig für eine Reihe angesehener Zeitungen und äußert sich insbesondere zu kultur- und gesellschaftspolitischen Themen.