Hören Sie auch den Kommentar "Exotinnen im Sport – Frauen in Männerdomänen" von Sabine Gerlach:
Die erste Cheftrainerin in der NBA-Geschichte
05:00 Minuten
Seit die National Basketball Association (NBA) 1946 gegründet wurde, saßen nur Männer auf der Trainerbank. Das hat sich im vergangenen Jahr geändert, als Becky Hammon das Team der San Antonio Spurs als Cheftrainerin coachte.
Es sei toll gewesen und lange überfällig, dass eine Frau ein NBA-Team coacht, sagt Nicole LaVoi, Direktorin des Forschungszentrums für Mädchen und Frauen im Sport an der Universität von Minnesota. Daten und Studien des von ihr geleiteten Instituts beweisen: Es gibt keine rationalen Gründe dafür, dass nur etwa zwei Prozent der US-Profiteams –männlich oder weiblich – eine Frau in ihrem Coaching-Team haben.
"Viele großartige Frauen mit viel Talent und Wissen bekommen keine Chance wegen des systemimmanenten Sexismus und Homophobie", meint die Forscherin. Coach Becky Hammon verdrängte während des Spiels, in dem sie als erste Frau die Verantwortung für ein NBA-Team übernahm, die historische Bedeutung. Sie machte einfach ihren Job.
"Na klar ist es ein wichtiger Moment. Ich versuche aber, nicht an die größeren Zusammenhänge zu denken, weil das überwältigend wirken kann. Ich konzentriere mich darauf, den Jungs klar zu machen, was sie tun müssen, damit wir gewinnen."
Auch in anderen Ligen gibt es mehr Trainerinnen
Seit sechs Jahren ist die 43 Jahre alte Hammon im Coaching-Team der Spurs. Davor spielte sie mehrere Jahre in der Frauen-Basketball-Liga WNBA. Vorbilder für einen Platz als Cheftrainerin in der Männerliga gab es für sie keine.
Dabei hätten Frauen viel zum Erfolg von Sportmannschaften beizutragen, sagt Frauenforscherin LaVoi und zitiert eine neue Statistik aus der Football-Profiliga.
"Von den acht Teams in den NFL-Playoffs haben sechs in ihrer Coaching-Besetzung Frauen eingestellt. Für mich als Wissenschaftlerin ist das eine ziemlich hohe Überschneidung. Sie signalisiert den Teams: Wenn ihr mit Frauen neue Perspektiven ins Team bringt, steigen vielleicht eure Chancen zu gewinnen."
Inzwischen gibt es nicht nur in der NBA und der NFL, sondern auch in den Männer-Profiligen von Baseball, Hockey und Fußball weibliche Co-Trainerinnen. Die müssten allerdings oft mehr Einsatz und Kompetenz zeigen als die männliche Konkurrenz, sagt LaVoi.
"Sie haben Selbstbewusstsein, Können und Wissen. Sie werden nicht als Werbegag angestellt – oder damit der Verein sagen kann: Oh, wir haben eine Frau dabei, wir sind divers. Sie bekommen den Job, weil sie hoch qualifiziert sind und, wie unsere Daten zeigen, oft höher qualifiziert als ihre Kollegen."
Es fehlt immer noch an Vorbildern
Es wäre allerdings kontraproduktiv, das Trainieren einer Männermannschaft als ultimatives Ziel für ambitionierte weibliche Coachs zu definieren, ergänzt die Wissenschaftlerin. Jill Ellis zum Beispiel, die die US-Frauen-Fußballnationalmannschaft zu zwei Weltmeisterschaften führte, sah in Fragen, ob sie als Krönung ihrer Karriere nicht auch ein Männerteam trainieren wolle, einen Affront.
"Habe ich ein brennendes Verlangen, Männer zu trainieren? Nein. Ich genieße, was ich hier tue. Es wird oft so getan, als sei das ein Sprung nach oben auf der Karriereleiter. Ich finde, wir sind auf einem ziemlich guten Niveau."
Medien spiegeln die Leistungen von Trainerinnen selten wieder. Wer durch die Sportseiten der Tageszeitungen blättert oder durch Sport-Websites scrollt, findet wenige Artikel, Videos oder Geschichten über weibliche Coachs. Mädchen und junge Frauen finden überhaupt wenig Abbildungen von potenziellen Vorbildern in der Sportwelt, sagt Wissenschaftlerin Nicole LaVoi:
"Und wenn über sie geschrieben wird, geht es nicht um ihre Sportlichkeit, sondern um Athletinnen als Mütter oder wie sexy sie sind, dass irgendeine Tragödie in ihrem Leben passiert ist, nur ganz selten darum, dass sie etwas Außergewöhnliches erreicht haben. Es ist ganz schön deprimierend."
"Die Ausnahme muss zur Regel werden"
Das gilt auch für Deutschland, findet Sportexpertin Sabine Gerlach: "Es ist ärgerlich, dass es immer noch nicht selbstverständlich ist, dass Männermannschaften von Frauen trainiert werden – oder, dass Frauen in Sportverbänden oder Vereinen Führungspositionen übernehmen."
Der Deutsche Fußballbund und die Bundesligisten seien dafür traurige Beispiele. "Die Ausnahme muss zur Regel werden", fordert sie
in ihrem Nachspiel-Kommentar
. Erst dann seien Frauen wie Becky Hammon und Inka Grings keine Exotinnen mehr.
Gleichwohl: Ein Anfang ist gemacht. Becky Hammon ist jetzt ein Vorbild. Auch die neue US-Vizepräsidentin, selbst Pionierin, gratulierte.
"Glückwunsch", schrieb Kamala Harris nach Hammons erstem Spiel als Cheftrainerin der Spurs. "Du bist vielleicht die Erste, wirst aber bestimmt nicht die Letzte sein."