Basketball

Was der Erfolg der Niners für Chemnitz bedeutet

06:04 Minuten
Kevin Yebo von den Niners Chemnitz im Spiel gegen Alba Berlin in der Basketball-Bundesliga
Kevin Yebo erreichte mit den Niners Chemnitz in der vergangenen Basketball-Bundesliga-Saison den dritten Platz.. © dpa / picture alliance / Marco Steinbrenner
Von Przemek Zuk · 23.06.2024
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Die Niners Chemnitz waren das Überraschungsteam der vergangenen Saison in der Basketball-Bundesliga. Nur knapp verpasste das Team das Finale. Kann dieser Erfolg auch der Stadtgesellschaft helfen - abseits vom Sportlichen?
Malte Ziegenhagen ist noch zu Zweitligazeiten nach Chemnitz gekommen, dann gemeinsam mit den Niners aufgestiegen. Er war Kapitän und für viele die Identifikationsfigur der Mannschaft.

Die Niners als Sensation der Stadt

Seit zwei Jahren spielt er nicht mehr, den Europe Cup haben die Niners ohne ihn gewonnen. Er hat aber miterlebt, wie in Chemnitz aus einer ewigen Zweitligamannschaft mit beständiger Arbeit eine Sensation der Bundesliga wurde. Und wie die Niners zur Sensation der Stadt wurden.
Wie viele andere merkt auch er, dass sich die Menschen in Chemnitz schwer tun mit Stolz.

Es ist echt ein Thema, dass man als Chemnitzer nicht stolz auf diese Stadt ist. Das hat sich schon extrem entwickelt. Da hilft diese Basketballmannschaft extrem dabei, das herauszukitzeln. Es gibt aber viele andere Gründe, warum die Chemnitzer stolz sein können, aus Chemnitz zu kommen.

Ex-Spieler Malte Ziegenhagen

Dass die Niners diesen Durchbruch verkörpern, hört man auch von anderen Menschen. Zum Beispiel von Erik Neubert, der sich seit Jahren politisch in der Stadt engagiert.

„Ein Kumpel meinte mal zu mir: ‚Chemnitz ist wie ein nicht eingelöstes Versprechen.‘ Immer wenn man das Gefühl hat, gleich passiert’s, gleich wird die Stadt cool, gleich haben wir hier mal einen großen Wurf gelandet, passiert’s nicht.“

Einer der großen Würfe neben den Niners ist nur wenige Monate entfernt. Wenn Chemnitz nämlich 2025 zur Europäischen Kulturhauptstadt wird.

Gegen das negative Bild der Stadt

Vielleicht kann die Stadt dann auch ihr Image ablegen. Dieses haftet noch an ihr, nach den Ereignissen von 2018, als Rechtsextreme in Aufmärschen von der Polizei nicht kontrolliert werden konnten und Menschen, vor allem mit Migrationsgeschichte, bei Protesten angegriffen haben.   
Vor Kurzem erst posteten die Niners ein Video, in dem ein Spieler sagt, es gäbe in jeder Stadt Menschen mit, so wörtlich, komischen Ansichten, Chemnitz sei da keine Ausnahme.
Allerdings ist in den Kommunal- und Europawahlen die in Sachsen gesichert rechtsextreme AfD stärkste Kraft gewesen, dazu haben die rechtsextremen Freien Sachsen Sitze im Stadtrat erlangen können.
Malte Ziegenhagen plädiert für einen offenen Umgang mit dem Problem:

„Das Wichtigste ist, das trotzdem einfach zu akzeptieren, einzuordnen, dass wir das ansprechen und dass wir damit umgehen lernen.“

Rechtsextreme Fanstrukturen beim Chemnitzer FC

Denn der Erfolg der Niners passiert nicht im politischen Vakuum. Der Verein der Stadt, der bisher die meisten Fans anlockt, der Chemnitzer FC, hat seit Jahrzehnten ein Problem mit rechtsextremen Fanstrukturen.
Die Niners können einen Gegenentwurf bieten, gerade für Jugendliche eine gute Option sein, sagt Erik Neubert.

„Man hat hier in der Region eine Auswahl an Profisport. Aber man denkt schon zweimal drüber nach, wo man hingeht, wenn man zum Beispiel migrantisch ist. Ich habe einen Kumpel, der geht zu den Niners und sagt, er werde hier als linker Mensch nicht verprügelt.“
Fans der Chemnitz Niners beim Spiel bei Alba Berlin
Fans der Chemnitz Niners hatten in der vergangenen Spielzeit viel zu jubeln.© dpa / picture alliance / Uwe Koch
Max Schmidt ist den Niners seit über 20 Jahren verbunden und im Fanclub Chemnitz Crew organisiert. Er sagt, Unterwanderungsversuche von Extremen habe es bisher bei den Niners nicht gegeben.

„Basketball per se als Sport ist ja international aufgestellt, viele Amerikaner sind mit dabei. Wir verstehen uns auch nicht als eine politische Vereinigung, sondern es steht der Sport im Vordergrund.“

Letztes Jahr hat es allerdings auch in Chemnitz einen Vorfall gegeben. Ein Göttinger Spieler wurde mutmaßlich rassistisch beleidigt, eine vollständige Aufklärung ist nicht öffentlich zu finden. Ob die Niners in Zukunft das unpolitische Label ablegen müssen, wird sich zeigen.

Wichtige Jugendarbeit für die Stadtgesellschaft

Zunächst muss eine Lösung gefunden werden für den hohen Ansturm - nicht nur auf den Tribünen sondern auch in den Trainingsgruppen.
Basketball ist nicht nur in Chemnitz im Kommen, nicht zuletzt durch die Erfolge der Nationalteams. Manche Teams müssen Aufnahmestopps verhängen, es fehlt vor allem an Hallenzeiten. Dabei betonen alle immer wieder, wie wichtig die Jugendarbeit für das Wirken der Niners in der Stadtgesellschaft ist.

Nicht alle werden mitgenommen

Aber „die Stadt kennt nur die Niners“, sagt Juliane Höhne, ehemalige Profibasketballerin, heute Trainerin bei den ChemCats Chemnitz.

„Die Leute kennen gar nicht die ChemCats und dafür dass man in der zweiten Bundesliga spielt, ist das echt schwach.“

Denn in Chemnitz wird im Damen- wie im Jugendbereich auch Frauenbasketball auf (zweite) Bundesliganiveau gespielt.
Dieser ist noch nicht ganz im Stadtbild angekommen. Dabei sei das durch einfache Maßnahmen vielleicht zu ändern.

„Es wäre schon schön, wenn man einen Doppelspieltag hinkriegt. Oder wenn man irgendwelche Aktionen starten könnte - zum Beispiel, wer ein ChemCats Ticket fürs Heimspiel hat, kriegt ein ermäßigtes Ticket für die Niners oder umgekehrt.“
Potenzial und Basketballbegeisterung sei in der Stadt allemal genug da. Es wird sich in den kommenden Jahren zeigen, wie nachhaltig der Erfolg bleibt, auch falls der steile sportliche Aufstieg abflacht.

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