Literaturangaben zur Biografie:
Christoph Ribbat: Deutschland für eine Saison: Die wahre Geschichte des Wilbert Olinde jr.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2017
272 Seiten, 24 Euro
Er bleibt am Ball
Der gebürtige US-Amerikaner Wilbert Olinde wollte eigentlich nur zwölf Monate in Deutschland bleiben, inzwischen sind es vierzig Jahre geworden. Der Basketballstar verhalf seinem Göttinger Team zu mehreren Bundesligasiegen und arbeitet heute als "Inspirationscoach" in Hamburg.
Als Wilbert Olinde 1977 aus Los Angeles nach Göttingen kommt, ist er 22 Jahre alt.
Der 2,02 Meter große schwarze Amerikaner soll im Basketballverein der Universitätsstadt spielen, in der Basketball längst nicht so populär ist wie in Olindes Heimat. Dort hatte er 12.000 Zuschauer, in Göttingen sind es anfangs wenige Hundert. Bald wird der junge Amerikaner Teamkapitän, mehrfach deutscher Meister und Pokalsieger. Beim ASC Göttingen nennen ihn seine Mitspieler "black pearl", schwarze Perle. Es gefällt ihm in Deutschland, 1983 beantragt er die deutsche Staatsbürgerschaft.
"Da habe ich dann den Bundeskanzler kennengelernt und Boris Becker"
1985 erreicht Olinde ein ungewöhnlicher Anruf aus dem Büro des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl:
"Da klingelte das Telefon, und auf der anderen Seite hieß es: 'Bundeskanzleramt – bitte warten.' Und da hab‘ ich mir gedacht: Oh, irgendwas stimmt nicht mit meiner Staatbürgerschaft, aber es ging um eine Einladung zu dem Kinderfest. Da habe ich dann den Bundeskanzler kennengelernt und Boris Becker; der hatte gerade Wimbledon gewonnen in dem Sommer – und ich hab‘ den beiden Basketball beigebracht."
Wilbert Olinde ist nicht nur ein ausgezeichneter Basketballspieler, als Kind ist er auch ein besonderer Schüler:
"Als ich in der zweiten Klasse war, hat die Lehrerin bei meiner Mutter angerufen und gesagt: 'Irgendwas stimmt nicht mit Ihrem Sohn, er hat immer seine Hausaufgaben fertig, der hört zu, der meldet sich in der Klasse und prügelt sich nicht auf dem Platz.' ( ...) Ich glaube, ich war der erste Nerd, bevor es dieses Wort gab."
Das Abitur besteht er mit einem Notendurchschnitt von 1,3. Wegen seiner sportlichen Erfolge darf er an die UCLA, die University of California Los Angelos, und studiert Volkswirtschaftslehre. 1977 kommt das Angebot aus Göttingen – über den ehemaligen Trainer an der UCLA Terry Schofield, der bereits in der deutschen Universitätsstadt lebt. Olinde hat Lust auf Abenteuer, möchte die Welt, andere Städte, Sprachen, kennenlernen – und geht das Wagnis ein. In Göttingen studiert er letztlich weiter Volkswirtschaft.
"Es gibt Unebenheiten im Leben und die wird es immer geben"
Eine Krebserkrankung beendet seine Basketball-Karriere. Wilbert Olinde ist Anfang 30 und Vater einer sechsjährigen Tochter. Die Behandlung zieht sich über fünf Jahre und verändert sein Leben:
"Mein Fokus war damals, dass ich krank bin, krank bin, krank bin. Dann habe ich gemerkt: Aber das ist – sage ich mal – ein Prozent meines Körpers, was krank ist – und ich vernachlässige den Rest, der gesund ist. (...) Und warum will ich denn leben? Was ist mir denn wichtig? Und da hab' ich diese innere Haltung geändert und später auch gelesen, dass es auch sehr hilfreich für andere ist – und das habe ich dann übertragen in den Rest meines Lebens. Es ist nicht so, dass ich jetzt so ein perfektes Leben führe, aber ich sage: Es gibt Unebenheiten im Leben und die wird es immer geben. Aber entscheidend ist, wie wir damit umgehen. Das entscheidet, was aus uns wird."
Wilbert Olinde hat die Krebserkrankung überstanden, arbeitet bei einer Versicherung, später bei einer Bank. Als seine Stelle gestrichen wird, macht er sich selbstständig und gründet ein Coaching-Unternehmen in Hamburg. Sein Name: "Black Pearl Inspiration".