Frederik Obermaier und Bastian Obermayer: "Panama Papers. Die Geschichte einer weltweiten Enthüllung" Kiepenheuer & Witsch, Köln 2016 ca. 352 Seiten, € 16,99
Zähe Lektüre mit wenig Erkenntnisgewinn
Seit Tagen sorgen die "Panama-Papers" für mächtig Wirbel. Nun erscheint dazu auch noch das gleichnamige Buch. Doch die Lektüre ist ziemlich schleppend, meint unser Rezensent Florian Felix Weyh. Zumal die Faktenlage des Buches zum Erscheinungstermin längst überholt ist.
"Geheime Daten sind immer gut", sagen die nur klanglich verwandten "Gebrüder Obermay/ier" auf der zweiten Seite ihres Enthüllungsbuchs. "Bei größeren Mengen geheimer Daten ist rein statistisch die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass gute Geschichten darin stecken."
Stimmt nicht.
Ja – die Daten, die den Investigativjournalisten Obermayer/Obermaier von der Süddeutschen Zeitung zugespielt werden, haben ein nie gesehenes Ausmaß. Aber nein, Geschichten – gar die zentrale, ein Buch tragende Story – enthalten sie nicht. Sondern weitgehend nur Material für Vermutungen.
Selbst innerhalb der eher bescheidenen erzählerischen Maßstäbe von Wirtschaftssachbüchern sind die "Panama Papers" keine Spannungsliteratur. Angehende Steuerprüfer dürften sich übers Schulungsmaterial freuen. Für normale Leser ist der Informationsstrom aus der Welt der Diktatoren, Superreichen, möglicherweise korrupten Manager, Politiker und Sportfunktionäre eine zähe Angelegenheit.
Meistens heißt es von den Betroffenen: "Kein Kommentar"
Namen, Zahlen, Firmen, Orte – schon aus juristischen Gründen lassen die Autoren jene Genauigkeit walten, die ihnen kaum Platz für leserfreundliches Erzählen lässt. Wenn mal ein Prominenter in den Papieren auftaucht, gräbt man bekannte Archivgeschichten über ihn aus. Die direkte Konfrontation mit vereinzelten Betroffenen verläuft meist als Negativbericht: kein Kommentar.
Dass die Juristen an diesem Buch kräftig mitlektoriert haben, verrät schon der umfangreiche Fußnotenapparat. In Varianten enthält er immer wieder denselben Text: "Bis zum Redaktionsschluss dieses Buches reagierte N.N nicht auf eine entsprechende Anfrage."
Erfährt man aus dem Buch mehr, als man bereits aus den tagesaktuellen Medien kennt? Nein. In der Faktenlage ist das Buch schon zum Erscheinungstermin überholt. Sensationsstarke Enthüllungen wie die aus dem Umfeld David Camerons kommen gar nicht vor. Verständlich, dass die hohen Kosten des Projekts auf maximale Vermarktung drängten, doch länger als eine Woche dürfte diese Buchausgabe kaum vorkaufbar sein.
Vorgeschmack darauf, wie Datenjournalismus Medien verändert
Insgesamt geben die "Panama Papers" einen Vorgeschmack darauf, wie Datenjournalismus die Medien verändern wird. Was das zum Schluss auf 400 Journalisten weltweit angewachsene Auswertungsteam tut, hat mit der klassischen Enthüllungsreportage à la Wallraff nichts mehr zu tun: Man arbeitet quasi in einem IT-Betrieb, kämpft sich ein Jahr lang durch Daten, die entschlüsselt, interpretiert und miteinander in Beziehung gesetzt werden müssen.
Das ist ebenso unsinnlich wie Wirtschaftskriminalität an sich. Gewiss, nach 50 Seiten hat man den Mechanismus der Offshore-Firmen bis ins Detail begriffen. Aber dann folgen weitere 300 Seiten Material, das sich in verknüpfbaren elektronischen Medien mit der Möglichkeit interaktiver Grafiken viel besser macht.
Der Buchmarkt hat zu diesem auf Geschwindigkeit und ständiger Aktualisierung basierenden Datenjournalismus nichts beizutragen. Er wird auch nicht davon profitieren, so lange er sich nicht auf seine Kernkompetenz der nachträglichen, distanzierten Bewertung zurückzieht. Eigentlich will man als Leser wissen, wer aus welchen Motiven die Datenmengen geleakt hat? Man will Motive und Hintergründe erfahren, Firmennamen und Zahlen sind Nebensache.
Diese Geschichte können die Autoren (noch) nicht erzählen. Wenn sie es einst können werden – in ein, zwei Jahren – wird sich kaum einer mehr dafür interessieren. Ihr Pulver haben sie jetzt verschossen.