Bauchfreie Mode

Lolita-Look oder feministisches Empowerment?

05:29 Minuten
Eine junge Frau lehnt sich an eine Mauer.
Das Crop Top darf diese Saison nicht fehlen. © Unplash/ Mike Von
Von Julia Macher · 07.05.2022
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An Crop Tops kommt gerade kaum ein Modelabel vorbei. Ob sportlich, verspielt oder sexy: Der Bauch bleibt frei. Auch die 54-jährige Nicole Kidman oder das Curvy-Model Paloma Elsesser tragen ultrakurz. Was macht das mit dem Körpergefühl von Frauen?
Wir sind dort, wo jeder Laufstegtrend endet: In einem der Stores des spanischen Modegiganten Zara. An den Kleiderständern: CropTops in romantischer Rüschenblusenoptik. Träger-Tops in Bonbonfarben. Elastische Banderolen aus Stretch. Korsettähnliche Bustiers aus edlem Taft. Ob genäht, gestrickt, gehäkelt, ob sportlich, verspielt oder sexy: Den Bauchnabel bedeckt keines.
„Im Grunde gibt es nur noch Crop Tops“, sagt Silke Wichert, Mode-Redakteurin bei der SZ. Nachdem der Hosenbund im bequemen Mom Fit erst jahrelang schützend über den empfindlichen Bauch kroch und Maxi-Shirts und Pullis uns schmeichelnd umspielten, geht es jetzt wieder hoch beziehungsweise runter. Mode verläuft eben zyklisch.
„Seit den 2000ern recyceln wir einfach Trends von früher, mal sind es die 80er, mal die 90er. Da ist die Konsequenz, dass irgendwann die 2000er dran sind, zumal viele Designer diese Epoche gelebt haben als sie Teenager waren“, sagt Wichert.

Crop Top verheißt Jugend

Das Crop Top verheißt Jugend, aber nicht nur qua biografischer Prägung, sondern vor allem, weil es das Körperteil in Szene setzt, dass mehr als jedes andere an unser Kindsein erinnert: das Wundmal, das die Nabelschnur hinterlassen hat, den Bauchnabel.
Damals, als das Jahrtausend noch jung und frisch war, reckten sich makellose Schulmädchenbäuche in die Kameras, mal glatt und flach, mal muskulös und durchtrainiert, aber immer mit dieser Lolita-Note: Männer der Welt, schaut auf diesen Bauch. Da war noch kein Baby drin.
Und jetzt? Mireia González Lara, Designerin und Fashion Expertin, sieht im neuen, alten Bauchfrei-Trend vor allem die Sehnsucht nach der Unbeschwertheit der verspielten 90er – vermischt mit technologisch getriebenem Eskapismus.  
„Das Crop Top steht immer für Jugendlichkeit. Früher ging es ums Clubbing und die süße, rosafarbene Supermarktwelt von Britney Spears und Christina Aguilera. Jetzt recyceln die Millennials, vor allem aber die Generation Z diesen Stil, und mischt ihn mit der Gaming Kultur – und japanischen Anime. Auch der Miu-Miu-Look ist eine Hommage an die Anime-Heldinnen.“

Miu Miu: Oberteil und Rock superkurz

Der Miu-Miu-Look: Das Set aus einem ultrakurzen Mini-Rock, der gerade einmal das Schambein und ultrakurzem Oberteil, das gerade mal so die Brüste bedeckt. So viel zu zeigen, erfordert schon einiges an Selbstbewusstsein. Auf der „Vanity Fair“ hat sich Nicole Kidman damit abbilden lassen, mit 54 Jahren eine gestandene Frau; und auf der „ID“ das Curvy-Model Paloma Elsesser, Kleidergröße 44. Führt der neue Bauchfreitrend zu mehr weiblichem Empowerment?

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„Den Bauch zu zeigen war ein Tabubruch, ein befreiender Akt – ähnlich wie die Hippiemädchen, die als Zeichen der Rebellion begannen, ihre Brüste zu zeigen“, sagt Mireia González, allerdings hat sie dabei mehr die großen Linien der Modegeschichte als die Zickzackverläufe der Trends im Blick. Bleibt der Praxis-Test: Wie groß ist die neue Bauchfreiheit tatsächlich?
Natürlich hat sich der Trend-Staubsauger Zara auch von Miucchia Prada inspirieren lassen – die Teile in unserer Umkleide sind mehr Bikini-Oberteil als Top.
Julia: „Dann können wir mal hier diese Geschenkpaketvariante nehmen, in pink.“
Silke: „Das ist halt Schleife und nicht viel mehr.“
Wie viel nackte Haut ist zwischen Hosenbund und Crop Top?
„Siebzehn.“
„Ja, das ist die Benchmark, wahrscheinlich sind es beim Miu-Miu Look eher 20. Das Oberteil wäre nur minimal kleiner, aber vor allem der Rock, also der würde jetzt so sitzen.“
„Also messen wir noch mal. Dann wären es 22 Zentimeter.“

Angelehnt an den Körperkult auf Social Media

22 Zentimeter bei ihr, 17 bei mir. Mein Bauch erscheint mir beim Blick in den Spiegel gar nicht mehr so natürlich wohl geformt wie sonst. Graue Strähnen trage ich mit Stolz, aber die schrumpelige Haut rund um den Nabel lässt mich alt fühlen.
„Ich habe nicht das Gefühl, dass ausgerechnet der Bauchfrei-Look dazu beiträgt, dass Frauen ein lockeres Körpergefühl kriegen. Ich glaube, dass der Bauchfreitrend auch deswegen so viel Erfolg hat, weil wir natürlich über Social Media neben der Body Positivity auch einen totalen Körperkult wieder sehen“, sagt Silke Wichert.
Was hilft gegen die Diktatur des Körperkults? Kein Crop Top, sondern die klassischen Empowerment-Strategien: Das Private ist politisch. Und: Mein Bauch gehört mir.

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