Vom Verfall bedroht
Sachsen ist reich an Schlössern, Herrenhäusern und historischen Industriebauten. Rund 100.000 ausgewiesene Baudenkmale gibt es im Freistaat. Doch ein Drittel davon verrottet.
"Die Burg Kuckucksstein ist ein wunderbares, also landschaftlich schön gelegenes Denkmal. Es liegt dominant auf einem Felssporn, 30 Meter über dem Ort. Es ist ein Beispiel für ein richtiges romantisches Schloss."
Hans-Georg Knorr ist der Vorsitzende des sächsischen Landesverbandes der Deutschen Burgenvereinigung. An diesem Vormittag steht er in Liebstadt im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und zeigt nach oben. Dort thront, weithin sichtbar über dem engen Tal, Schloss Kuckucksstein. Rote Dachziegel auf dem Turm, darunter die massiven Schlossanlagen, hell verputzt. Aber, schon von hier unten deutlich zu sehen: Kuckucksstein ist in keinem guten Zustand.
"Es sieht auch nicht mehr einladend aus. Der Putz ist fast flächendeckend weg. Ein, zwei Fenster waren zu erkennen, die kaputt sind. Das sieht nicht einladend aus. Und wenn man in diese Dachgauben guckt, da ist noch zum Teil Glas drin und zum Teil nicht. Gut, die Blitzableiter machen einen guten Eindruck, aber ansonsten ist das kein einladender Ort mehr. Man sieht hier unten auch kein Schild, besuchen Sie Schloss Kuckucksstein. Und ohne Werbung läuft ja nun heute nichts."
Hans-Georg Knorr ist der Vorsitzende des sächsischen Landesverbandes der Deutschen Burgenvereinigung. An diesem Vormittag steht er in Liebstadt im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und zeigt nach oben. Dort thront, weithin sichtbar über dem engen Tal, Schloss Kuckucksstein. Rote Dachziegel auf dem Turm, darunter die massiven Schlossanlagen, hell verputzt. Aber, schon von hier unten deutlich zu sehen: Kuckucksstein ist in keinem guten Zustand.
"Es sieht auch nicht mehr einladend aus. Der Putz ist fast flächendeckend weg. Ein, zwei Fenster waren zu erkennen, die kaputt sind. Das sieht nicht einladend aus. Und wenn man in diese Dachgauben guckt, da ist noch zum Teil Glas drin und zum Teil nicht. Gut, die Blitzableiter machen einen guten Eindruck, aber ansonsten ist das kein einladender Ort mehr. Man sieht hier unten auch kein Schild, besuchen Sie Schloss Kuckucksstein. Und ohne Werbung läuft ja nun heute nichts."
Die Gemeinde will das Schloss zurück
Früher war das Schloss ein beliebter Ausflugsort, Knorr ist hier schon als Kind gewesen. Nach der Wende hatte die Gemeinde das Gebäude übernommen, verkaufte es später an einen Geschäftsmann aus Österreich. Für 160.000 Euro. Große Pläne, doch wenig passierte. Die Gemeinde forderte das Schloss zurück. Eine gütliche Einigung scheiterte. Nun läuft ein Rechtsstreit, der wohl noch Jahre dauern wird – und das Schloss verfällt zusehends. Früher war es täglich geöffnet – jetzt kann man es nur nach Voranmeldung besichtigen – Mindestgruppengröße zehn Personen. Das hat Auswirkungen im Ort, wie Anwohner Paul Bolle beschreibt:
"Schloss Kuckucksstein war halt der Anziehungspunkt für Liebstadt selbst. Viele Urlauber gerade an den Wochenenden, die das Schloss besucht haben, haben auch die Gaststätte hier besucht. Diese Gaststätte hat aufgrund der geringen Frequentierung aus dem Grunde vor zwei Jahren auch geschlossen, ähnlich ging es auch mit dem Lebensmittelgeschäft, das vor Ort war, mit der Drogerie und ähnlichen Geschäften."
"Schloss Kuckucksstein war halt der Anziehungspunkt für Liebstadt selbst. Viele Urlauber gerade an den Wochenenden, die das Schloss besucht haben, haben auch die Gaststätte hier besucht. Diese Gaststätte hat aufgrund der geringen Frequentierung aus dem Grunde vor zwei Jahren auch geschlossen, ähnlich ging es auch mit dem Lebensmittelgeschäft, das vor Ort war, mit der Drogerie und ähnlichen Geschäften."
"Zu verkaufen"-Schilder hängen in vielen Häusern in Liebstadt. Einem Ort, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Dabei müssen in Sachsen die Dresdner nicht einmal die halbstündige Autofahrt nach Liebstadt unternehmen, um ein prominentes Baudenkmal verfallen zu sehen. Wenige Kilometer elbabwärts der wieder aufgebauten Dresdner Altstadt verfällt das Schloss Übigau, ein bedeutender Barockbau direkt an der Elbe. Auch Übigau ist Privateigentum, in der vergangenen Woche hat es erneut den Besitzer gewechselt. Verfallende Baudenkmale gibt es in allen Regionen Sachsen, nicht nur Burgen, sondern auch Herrenhäuser, Vierseithöfe oder Industriedenkmale, sagt Wolfram Günther, Jurist und Kunsthistoriker. Für die Grünen sitzt er im sächsischen Landtag.
"Wir haben in Sachsen reichlich 100.000 ausgewiesene Baudenkmale. Zunächst mal die gute Botschaft. Seit den 1990er-Jahren ist viel passiert, ungefähr zwei Drittel dieser Substanz sind in einem relativ guten Zustand. Aber immerhin ein Drittel ist bedroht, und da wird es jetzt wirklich richtig hart, denn da ist jetzt so viele Jahre nichts passiert, dass man sagen muss, dieses letzte Drittel, wenn dort jetzt nicht schnell was passiert, wird ein großer Teil davon abgängig sein."
Wenig Geld, wenig Mitarbeiter
Rund 5000 denkmalgeschützte Objekte sind in Sachsen seit dem Ende der 1990er-Jahre abgerissen worden. Weitere sind vom Abriss bedroht. Unerhört, findet der Grüne Günther. Sachsens Innenminister Markus Ulbig, CDU, zuständig für den Denkmalschutz, verteidigt das Vorgehen. Jeder Abriss sei abgewogen worden.
"Nicht jedes Objekt war erhaltenswürdig. Am Anfang stand erstmal das Unter-Schutz-Stellen. Es gab auch sogenannte vorläufige Denkmallisten. Und immer wenn dann ein Antrag gestellt worden ist, auf Abbruch, haben die Denkmalschutzbehörden immer sehr intensiv diskutiert und dann vielleicht auch festgestellt, dass ein Objekt, das auf der Liste stand, den Denkmalwert nicht hatte, oder dass in der Abwägung zwischen der Nutzung, die neu vorgesehen ist, und dem Wert des Denkmals im Einzelfall diese neue Nutzung Vorrang hat."
Der Grünen-Politiker Günther sagt, Denkmalschutz habe in Sachsen an Wertschätzung verloren. Das lasse sich auch an den Zuwendungen ablesen, die der Freistaat immer weiter zurückgefahren habe.
"Nicht jedes Objekt war erhaltenswürdig. Am Anfang stand erstmal das Unter-Schutz-Stellen. Es gab auch sogenannte vorläufige Denkmallisten. Und immer wenn dann ein Antrag gestellt worden ist, auf Abbruch, haben die Denkmalschutzbehörden immer sehr intensiv diskutiert und dann vielleicht auch festgestellt, dass ein Objekt, das auf der Liste stand, den Denkmalwert nicht hatte, oder dass in der Abwägung zwischen der Nutzung, die neu vorgesehen ist, und dem Wert des Denkmals im Einzelfall diese neue Nutzung Vorrang hat."
Der Grünen-Politiker Günther sagt, Denkmalschutz habe in Sachsen an Wertschätzung verloren. Das lasse sich auch an den Zuwendungen ablesen, die der Freistaat immer weiter zurückgefahren habe.
"Und da hat man von einstmals zwölf Millionen, die die unteren Denkmalbehörden hatten, die schon beim vorletzten Landeshaushalt auf fünf Millionen jährlich raufgebracht. Und im letzten Doppelhaushalt wurde seitens der Regierung noch eine andere Zahl vorgeschlagen, nämlich Null. Es ist nur gelungen mit breitem gesellschaftlichem Engagement, da gab es eine Petition, da haben sich Verbände gemeldet, wir haben auch als Opposition im Landtag Anträge gestellt, dass es wieder auf die fünf Millionen gegangen ist. Aber wenn Sie fünf Millionen hören, das sind Beträge, die gehen manchmal über den Tisch für ein größeres Mehrfamilienhaus in einer Großstadt, das ist sicher nicht der Betrag, mit dem man diese Denkmallandschaft rettet."
Hinzu kommt ein Rückgang der Mitarbeiter beim Landesamt für Denkmalpflege. Pensionierte Beamte wurden nicht ersetzt, die Belegschaft mit einem Durchschnittsalter jenseits der 50 gilt als überaltert. Innenminister Markus Ulbig verteidigt die Denkmalschutzpolitik seines Hauses. Die Beträge für den Denkmalschutz könnten sich bundesweit sehen lassen. Neben den fünf Millionen für die unteren Behörden stelle der Freistaat weitere fünf Millionen für das Denkmalschutz-Sonderprogramm zu Verfügung. Und im Landesamt für Denkmalschutz stehe ein Generationswechsel bevor. Ulbig spricht bei der Anzahl der Mitarbeiter von einer Konsolidierung:
"Indem wir einerseits dafür sorgen, dass der Stellenansatz gewährleistet ist, und eben auf dieser Grundlage immer wieder für ausscheidende Mitarbeiter entsprechend Personal nachbesetzt werden kann. Das haben wir gerade im letzten Jahr an drei verschiedenen Stellen gezeigt."
Es braucht nicht immer Millionen
Viel Know-how sei in Sachsen in den vergangenen Jahren verloren gegangen. Und es fehle an Unterstützung für die Kommunen von Seiten des Ministeriums, sagt Wolfram Günther. Bei weitem seien nicht immer Millionenbeträge notwendig. Es gebe zahlreiche Beispiele, bei denen Privatbesitzer oder Gemeinden mit wenig Geld viel bewirkt hätten, um ein Baudenkmal langfristig zu sichern und zu beleben.
"Es ist aber auch, weil die Probleme immer wieder dieselben sind, mit den schwierigen Eigentumsverhältnissen, auch ein klassisches Feld, wo Staat einfach beratend auch tätig werden könnte. Er könnte viel aktiver auf die Kommunen auch zugehen, dort Themen bündeln, und denen unter die Arme greifen. Aber das ist eben die Grundvoraussetzung, ich muss ein Bewusstsein haben und ich muss es auch wollen. Denn es ist oft schwierig für die Kommunen, manche haben noch nicht mal ein eigenes Bauamt, oft macht das der Hauptamtsleiter noch mit, andere haben vielleicht eines, die haben aber auch eine ganze andere Palette an Themen und können sich mit so etwas oft gar nicht beschäftigen."
"Wir unterstützen natürlich die unteren Denkmalschutzbehörden, aber entsprechend der Zuständigkeit."
Sagt Minister Ulbig.
"Unser Haus hat die Aufsicht darüber, dass eine kritische Schwelle nicht unterschritten wird und die Aufgabenwahrnehmung gewährleistet wird. Und da kann ich sagen: Die kritische Schwelle ist derzeit in keine unteren Denkmalschutzbehörde unterschritten, und insofern ist die Aufgabenwahrnehmung der unteren Denkmalschutzbehörden gewährleistet."
"Es ist aber auch, weil die Probleme immer wieder dieselben sind, mit den schwierigen Eigentumsverhältnissen, auch ein klassisches Feld, wo Staat einfach beratend auch tätig werden könnte. Er könnte viel aktiver auf die Kommunen auch zugehen, dort Themen bündeln, und denen unter die Arme greifen. Aber das ist eben die Grundvoraussetzung, ich muss ein Bewusstsein haben und ich muss es auch wollen. Denn es ist oft schwierig für die Kommunen, manche haben noch nicht mal ein eigenes Bauamt, oft macht das der Hauptamtsleiter noch mit, andere haben vielleicht eines, die haben aber auch eine ganze andere Palette an Themen und können sich mit so etwas oft gar nicht beschäftigen."
"Wir unterstützen natürlich die unteren Denkmalschutzbehörden, aber entsprechend der Zuständigkeit."
Sagt Minister Ulbig.
"Unser Haus hat die Aufsicht darüber, dass eine kritische Schwelle nicht unterschritten wird und die Aufgabenwahrnehmung gewährleistet wird. Und da kann ich sagen: Die kritische Schwelle ist derzeit in keine unteren Denkmalschutzbehörde unterschritten, und insofern ist die Aufgabenwahrnehmung der unteren Denkmalschutzbehörden gewährleistet."
Gesellschaftliches Interesse
Immerhin in einem sind sich Oppositionspolitiker Günther und CDU-Minister Ulbig einig: Denkmalpflege sei ein gesellschaftliches Interesse, und schließlich auch eine Frage der Identität. Grünen-Politiker Günther:
"Erstmal gilt im Denkmalschutz immer: Was weg ist, ist weg. Ein Baudenkmal kann man nicht wiederholen. Und das heißt, jeder Verlust ist endgültig. Und jeder Verlust, da geht es nicht nur um die Substanz selbst, die weg ist, sondern dann fehlt was im Stadtbild, im Ortsbild, was bisher die Identität ausgemacht hat. Und es fehlt auch etwas, was historisches Zeugnis ablegt, wo wir herkommen, auch aus welchem kulturellen Reichtum wir hier in Sachsen kommen."
"Erstmal gilt im Denkmalschutz immer: Was weg ist, ist weg. Ein Baudenkmal kann man nicht wiederholen. Und das heißt, jeder Verlust ist endgültig. Und jeder Verlust, da geht es nicht nur um die Substanz selbst, die weg ist, sondern dann fehlt was im Stadtbild, im Ortsbild, was bisher die Identität ausgemacht hat. Und es fehlt auch etwas, was historisches Zeugnis ablegt, wo wir herkommen, auch aus welchem kulturellen Reichtum wir hier in Sachsen kommen."
Die Gemeinde Liebstadt ohne das Schloss Kuckucksstein? Undenkbar – aber der Stillstand nagt genauso am Gemäuer wie an der Stimmung der Liebstädter. Nachvollziehbar, findet Hans-Georg Knorr von der Burgenvereinigung.
"Auch die letzten Wahlen haben ja gezeigt, dass gerade die Landbevölkerung sich verlassen fühlt. Und meiner Ansicht nach zu Recht. Und das Kulturerbe, und dazu ist so ein prägender Bau wie Schloss Kuckucksstein zu zählen, ist auch immer ein Leuchtturm gewesen, wo sich anderes angesiedelt hat. Ich brauche hier auch keine Gaststätte zu machen, wenn ich nicht weiß, warum hier überhaupt jemand vorbeikommen soll. Und das Kulturerbe sollte wieder mehr gefördert werden."
Anwohner Paul Bolle hofft auf eine schnelle Einigung zwischen Gemeinde und dem Noch-Besitzer:
"Dass die Stadt möglichst schnell das Schloss zurückbekommt, und einen neuen Besitzer findet, der auch entsprechend investiert und das Schloss auch fördert."
"Auch die letzten Wahlen haben ja gezeigt, dass gerade die Landbevölkerung sich verlassen fühlt. Und meiner Ansicht nach zu Recht. Und das Kulturerbe, und dazu ist so ein prägender Bau wie Schloss Kuckucksstein zu zählen, ist auch immer ein Leuchtturm gewesen, wo sich anderes angesiedelt hat. Ich brauche hier auch keine Gaststätte zu machen, wenn ich nicht weiß, warum hier überhaupt jemand vorbeikommen soll. Und das Kulturerbe sollte wieder mehr gefördert werden."
Anwohner Paul Bolle hofft auf eine schnelle Einigung zwischen Gemeinde und dem Noch-Besitzer:
"Dass die Stadt möglichst schnell das Schloss zurückbekommt, und einen neuen Besitzer findet, der auch entsprechend investiert und das Schloss auch fördert."