Wenn Architektur ein Entwicklungsmotor ist
Für die Architektin Anna Heringer ist Lehm ein ganz besonderer Baustoff, der in Deutschland leider vernachlässigt werde. Dabei sei er nicht nur schön und nachhaltig, sondern lade auf den Fassaden sogar zum Streicheln ein.
Lehm ist eine Mischung aus lokalem Ton und Sand. Als Baustoff reguliert er die Luftfeuchtigkeit, speichert Wärme, spart Energie und Transportkosten, ist wiederverwendbar und eignet sich für den Selbstbau. Die Vorzüge der Lehmbauweise zeigt eine Ausstellung der ifa-Galerie in Stuttgart.
"Bei jedem Gebäude, das man baut, müsste man wirklich einen Plan haben, wie es weitergeht", sagte die Architektin Anna Heringer im Deutschlandfunk Kultur. "Das ist eigentlich das schöne am Lehm, denn das ist der einzige Baustoff, den man von der Natur nehmen kann und hundertfach recyceln kann ohne Qualitätsverlust und auch wieder zurückgeben kann in die Natur ohne negative Auswirkungen." Man könne sogar seinen Garten darauf pflanzen, sagte Hering, die Lehmbaumeisterin ist und eine Honorarprofessur der Unesco für Lehmarchitektur hat.
Quelle der Kreativität
Beim Thema Nachhaltigkeit sei die Architektur eher spät dran, kritisierte Heringer. "Man hat oft geglaubt, dass die Ästhetik darunter leidet, wenn man nachhaltig bauen muss." Sie sei dagegen davon überzeugt, dass es eine große Quelle der Kreativität und der Baukultur sein könne, beim Bauen das Klima zu berücksichtigen und lokale Materialien zu verwenden. Auch in Deutschland gebe es historische Lehmbauten beispielsweise im Fachwerk. Bei einigen alten Lehmbauten wisse man es nicht mehr, weil sie verputzt seien. Da die Energie zu preiswert sei und auch bei Baumaterialen umweltschädliche Wirkungen wie beim Zement nicht eingerechnet würden, sei es einfach noch zu billig, nicht mit nachhaltigen Stoffen zu bauen. "Das hoffe ich doch, dass sich das irgendwann ändert."
Erfahrungen in Bangladesch
Ein Aufenthalt in Bangladesch weckte bei Heringer die Begeisterung für Lehm. Sie baute dort eine Schule aus Lehm und Bambus und erlebte, wie arbeitsintensiv diese Bauweise war und wie viele Menschen daran mitwirken konnten. Das Baubudget wäre bei Beton und Stahl vor allem in das Material geflossen. Beim Lehm sei es vor allem in menschliche Arbeitszeit gegangen. "Sowohl von der Schönheit wie von der Nützlichkeit her war es für mich beeindruckend zu sehen, dass der Lehm wirklich ein Katalysator für Entwicklung sein kann", sagte Heringer. Die Bauarbeiter hätten anschließend ihren Tageslohn gleich ausgeben können. Architektur könne auf diese Weise sinnvoll Entwicklung vorantreiben.
(cre)