Willi Kremer-Schillings: "Satt und unzufrieden"

Das Dilemma der Essensmacher

12:34 Minuten
Ein grünes Kreuz in einem Weizenfeld. An dem Kreuz hängt ein Zettel, auf dem auf die Situation deutscher Landwirte hingewiesen wird.
Symbolträchtig: Die Aktion Grüne Kreuze ist eine Protestaktion deutscher Landwirte, die von Landwirt und Manager Willi Kremer-Schillings ins Leben gerufen wurde. © IMAGO / epd / IMAGO / Heike Lyding
Willi Kremer-Schillings im Gespräch mit Christian Rabhansl |
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In Umfragen geben viele Menschen an, Bio-Produkte zu kaufen. Die Realität sieht anders aus. Das ärgert Landwirt Willi Kremer-Schillings: Er bewirtschaftet seinen Hof konventionell – und wird dafür sogar angegriffen. Er wünscht sich mehr Verständnis.
Bio liegt im Trend. Zumindest in den Umfragen. Doch viele Menschen stellen sich in Umfragen besser dar, als sie sind. Die realen Zahlen sehen oft anders aus.
Das ärgert den Bauer Willi Kremer-Schillings, „weil es Konsequenzen für unsere Produktionsweise hat“. Er selbst ist ein konventioneller Bauer und gelte damit wohl, wie er sagt, als „böser konventioneller“ Bauer im Gegensatz zu seinen "guten" Bio-Kollegen.

Als konventioneller Bauer werde ich immer wieder auch von der Gesellschaft angegriffen, ich muss mich fast dafür entschuldigen, dass ich Lebensmittel produziere. Das nervt mich einfach.

Will Kremer-Schillings, Landwirt

Dieser „gesellschaftliche Klimawandel“ führe dazu, dass er und viele Kollegen bald kaum noch Lust hätten, Lebensmittel zu produzieren.

"Wir können auch anders"

Die Bürger hätten hohe Anforderungen an die Bauern und würden sie sogar beschimpfen, um dann beim Discounter eben doch die preiswerten Lebensmittel einzukaufen. „Wir können auch anders“, sagt er:
"Wir können mehr Artenschutz, wir können mehr Klimaschutz, wir können auch eine vielfältigere Fruchtfolge, – das können wir alles."

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Doch das kostet Geld. Den Unterschied zwischen Anspruch und dem tatsächlichen Einkaufsverhalten könnten die Landwirte nicht auflösen.
Das zeige sich besonders in der aktuellen Inflationskrise: Wenn die Preise steigen, sinkt der Bio-Absatz.

Die Politik hat wenig Einfluss auf die Preise

Zwar könne auch er seinen Betrieb auf Naturschutz oder Klimaschutz umstellen, sagt Kremer-Schillings. Aber er macht auch klar: „Ich muss von diesem Betrieb leben können.“ Mit Geldgier habe diese nichts zu tun: Er habe eben nur diese 40 Hektar, um das Auskommen für sich und seine Familie zu erwirtschaften.
Wenn es heißt "öffentliches Geld für öffentliche Leistung", dann stellt er sich schon die Frage, ob es dann für Landwirte nicht auch öffentliches Geld geben müsste, wenn sie eine öffentliche Leistung erbringen.
Der Lebensmitteleinzelhandel jedoch senke die Preise, „bis das Blut spritzt.“ Die Einflussmöglichkeiten der Politik sind seiner Ansicht nach begrenzt: „Die Chefs von Rewe und Edeka lassen sich doch von der Politik nicht sagen, wie sie die Preise machen.“
Und: Höhere Preise in den Supermärkten bedeuten nicht automatisch höhere Erträge bei den Landwirten, unterstreicht er. Vielmehr beobachte er, dass derzeit etwa vermehrt Schweinehalter in die Insolvenz gehen.

„Macht Naturschutz zum Betriebszweig“

Kremer-Schillings erzählt von Workshops mit dem Bundesamt für Naturschutz, bei denen gefordert wurde, Naturschutz zum Betriebszweig zu machen - und zwar so, dass man damit wirtschaften könne.
„Wenn ich Zuckerrüben verkaufe, bekomme ich dafür Geld“, ebenso für Weizen. „Und wenn ich auf diesen fünf Hektar Naturschutz mache, müsste mir das genau so viel Geld einbringen wie fünf Hektar Zuckerrüben.“
Dabei handele es sich jedoch nicht um eine Prämie: „Wir erbringen eine Leistung.“ Prämie klinge nach Almosen, findet Kremer-Schillings. „Ich will keine Prämien. Ich will auch keine Subventionen. Ich möchte für das, was ich auf meinem Feld und auf meinem Hof tue, in meinen Ställen tue, ein Entgelt."

So könnte die Zukunft aussehen

Fürs Jahr 2040 sieht Bauer Willi drei Arten von Landwirtschaft: eine Landwirtschaft, die Masse macht – zu niedrigsten Preisen. Dann eine große Reihe von Nischen-Produzenten, die für sich ein erfolgreiches Geschäftsmodell gefunden haben, mit dem sie die nächsten zehn oder zwanzig Jahre existieren können. Und schließlich die industrielle Produktion, etwa von Laborfleisch oder Kunstmilch. Produkte, die mit Landwirtschaft als Primärproduzenten fast nichts mehr zu tun haben.

Willi Kremer-Schillings: "Satt und unzufrieden. Bauer Willi und das Dilemma der Essensmacher."
Westend Verlag, Frankfurt 2023
288 Seiten, 24 Euro

(ros)
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