Bauernverband fordert "massive" Verkaufshilfen für Milchexport

Gerd Sonnleitner im Gespräch mit Nana Brink |
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, hat vor dem sogenannten Milch-Gipfel im Kanzleramt von der Bundeskanzlerin nochmals eine umfassende Hilfe für die Milchbauern gefordert. Außerdem solle Brüssel die Milchquotenerhöhung zurücknehmen.
Nana Brink: Am Telefon begrüße ich jetzt Gerd Sonnleitner, er ist Präsident des Deutschen Bauernverbandes. Schönen guten Morgen!

Gerd Sonnleitner: Guten Morgen, Frau Brink!

Brink: Sie nehmen heute beim Milchgipfel bei Bundeskanzlerin Angela Merkel teil und erwarten deutliche Signale. Wie sollen die denn aussehen?

Sonnleitner: Ich werde ganz stark darauf drängen bei der Frau Bundeskanzlerin, bei der deutschen Bundesregierung, dass sie ihr politisches Gewicht in Brüssel in die Waagschale wirft, das heißt: Die Milchmarktordnung der Milchwirtschaft, das ist ja alles politisch in Europa geregelt, und Europa versagt momentan durch ein unverantwortliches Nichtstun, und da muss die Frau Bundeskanzlerin, die Frau Ministerin Aigner, die Bundesregierung in Brüssel auf den Tisch schlagen und dieses Nichtstun beenden. Und wir sind in Deutschland auch der Meinung: Wir können nicht mit nationalen Maßnahmen einen globalisierten Milchmarkt retten oder den europäischen Milchmarkt, sondern die Entscheidungskompetenz, die Instrumente liegen allein und ausschließlich in Brüssel.

Brink: Aber jetzt werden wir doch mal konkret: Die Milchpreise müssen steigen nach einer drastischen Talfahrt, da sind sich ja alle einig. Aber wie erreicht man denn es, gerade auf EU-Ebene?

Sonnleitner: Genauso wie in der übrigen Wirtschaft, wo man Milliarden in die Banken, in die Wirtschaft, in die Automobilindustrie hineingegeben hat, um dort nicht zu einem Zusammenbruch zu kommen, um die Wirtschaft dort zu stabilisieren, um die Märkte zu erhalten, genauso fordern wir, dass eben der Milchabsatz in Europa, in Deutschland, aber auch in Ländern, die von uns was kaufen wie Russland oder die arabischen Länder, dass man dort eben Verkaufshilfe, Milchabsatzhilfe massiv gewährt.

Brink: Schauen wir doch jetzt mal wirklich in die Praxis. Die Milchpreise für den Verbraucher sind ja auch deshalb so niedrig, weil große Discounter wie Aldi, Rewe oder Lidl von dem Überangebot an Milch profitieren und den Milchbauern ja Kampfpreise aufzwingen können. Was können Sie denn da machen?

Sonnleitner: Wir haben immer schon gefordert und sind dagegen angerannt, dass die Milchquote in Brüssel im letzten Jahr zwei Mal massiv erhöht worden ist. Der Deutsche Bauernverband war strikt dagegen, auch die europäischen Bauernverbände und auch da liegt der Schlüssel wieder in Brüssel. Diese unsinnige Erhöhung der Milchquote, der Mengen, die wollen wir zurückführen, und deswegen müssen diese Erhöhungen ausgesetzt werden. Das ist mit eine der Grundforderungen des Deutschen Bauernverbandes.

Brink: Sie sagen also, der Schlüssel für höhere Milchpreise liege dann in der Stärkung der Molkereien, das heißt ja auch in deren Industrialisierung? Bleiben da nicht die kleinen Milchbauern auf der Strecke?

Sonnleitner: Nein. Ich habe ausdrücklich betont: Der Schlüssel, die Instrumente, die Werkzeuge, um den Milchmarkt in Europa in Ordnung zu bringen und damit auch wieder eine positive Preisentwicklung für deutsche Milchbauern zu erreichen, liegt in Brüssel, dass eben die unsinnige Quotenerhöhung zurückgeführt wird, dass die Marktinstrumente genützt werden, dass Milchabsatz wieder gesteigert wird, dass wir die verlorenen Kunden in Arabien, in Russland, wo die Währungen abgestürzt sind, wieder bedienen können, die unsere Milchprodukte wollen. All das sind Maßnahmen, wo wir auch in Brüssel sowohl bei den europäischen Bauernverbänden und jetzt schon bei 18 Staaten Mehrheiten erreicht haben, die diese Instrumente einsetzen wollen, weil wir damit sofort am Markt eine Verbesserung hätten, sofort einen steigenden Milchpreis. Und einen steigenden Milchpreis brauchen nicht nur kleine Betriebe, sondern auch Großbetriebe und mittlere Betriebe. Wir müssen allen Betrieben helfen.

Brink: Sie haben es eben selbst erwähnt und beklagt: Es werden Milliarden in die Banken gepumpt, auch in die Autoindustrie. Ganz ketzerisch gefragt: Warum kann sich denn der Staat nicht raushalten aus den Milchpreisen? Die Abwrackprämie war ja auch begrenzt und nun reguliert der Markt die Anzahl der Autohändler. Kann das nicht auch so bei den Milchbauern und bei den Molkereien sein?

Sonnleitner: Ja, uns hat man ja noch nicht richtig geholfen und wir haben genau dieselben Probleme wie die übrige Wirtschaft durch die Finanz- und Wirtschaftskrise, die bestimmt wir Bauern nicht verschuldet haben. Und deswegen fordern wir, dass auch bei uns kurzfristig, überbrückend, zur Marktentlastung Geld eingesetzt wird. Das sind ja keine Dauermaßnahmen, die wir fordern, sondern wir fordern wie in der übrigen Wirtschaft Überbrückungshilfen, um aus diesem Tal herauszukommen, und da ist Eile notwendig. Dieser Milchpreis, den wir momentan erleben, ist eine Katastrophe, und auch wenn der Markt jetzt langsam aufwärts geht, brauchen wir, auch wie die übrige Wirtschaft – wo es heißt, wir dürfen das ja nicht abwürgen, wir müssen das nach wie vor flankierend begleiten –, dieselben Maßnahmen, die in der übrigen Wirtschaft sehr hilfreich waren. Sie wären auch bei uns hilfreich, nur man müsste was tun. Es ist bisher nichts getan worden, das ist unverantwortlich, unmoralisch, unethisch, unerhört.

Brink: Und man müsste ja vielleicht auch einig sein. Das sind Sie ja überhaupt gar nicht, denn der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter, der ja auch heute beim Milchgipfel der Kanzlerin ist, sagt: Es muss eine staatliche Steuerung der Milchmenge geben. Sie also, der Bauernverband, sagen, eine Drosselung darf es nicht geben. Kann es dann überhaupt einen Kompromiss geben?

Sonnleitner: Frau Brink, da ist doch Deutschland nicht entscheidend, und in Deutschland herrscht ja Einigkeit – wie in der Agrarministerkonferenz, das heißt, die Agrarminister unserer 16 Bundesländer haben schon mehrere Konferenzen gehabt, wo immer diese Linie, die ich jetzt aufgezeigt habe, 14 zu 2 oder 15 zu 1 bestätigt worden ist. Das heißt, in der deutschen Politik, in der Wirtschaft, auch die Milchwissenschaftler sagen, nationale Alleingänge sind überhaupt nicht hilfreich, würden die deutschen Bauern nur benachteiligen und nur der europäische Ansatz bringt eine Lösung, dass es sofort aufwärts gehen kann. Das heißt, die Einigkeit ist groß da, es gibt Gruppierungen, die dies nicht wollen, aber in der Mehrheit, auch flankiert von Wissenschaftlern und von der Agrarministerkonferenz, haben diese Linie, die ich gerade erzählt habe.

Brink: Also zahlen wir bald mehr für den Liter Milch?

Sonnleitner: Wenn in Brüssel jetzt endlich gehandelt wird, würde sofort der Markt stark anspringen.

Brink: Gerd Sonnleitner, Präsident des Deutschen Bauernverbandes. Vielen Dank für das Gespräch!