Ein Schwimmbad unter der Kirche
Die Kirche des Diakonissen-Mutterhauses Neuvandsburg in Sachsen-Anhalt überrascht: Unter ihrem Kirchsaal befindet sich ein Schwimmbecken. Das ist allerdings nur eine der architektonischen Besonderheiten am Bauwerk.
Elbingerode im Herbst, nach dem Mittagessen. Im großen und hellen Speisesaal wird noch Geschirr von den Tischen geräumt, da ist schon eine kleine Gruppe Schwestern auf dem Weg: ins Schwimmbad. Weit haben sie es dorthin nicht. Das große Becken befindet sich nur eine Etage tiefer, im Keller, erreichbar über zwei steinerne Wendeltreppen. Schwester Brigitte lebt seit mehr als 60 Jahren mit ihren Mit-Schwestern in Elbingerode. Die 82-Jährige besucht das Bad mit den gelb-braunen Fliesen an den Wänden, alles original, jedes Wochenende.
"Weil da die beste Zeit ist. Sonst gehen nämlich die Gäste. Auch. In der Woche. Und dann ist die Zeit ein bisschen knapp. Für uns. Mit An- und Ausziehen und Schwimmen. Und da haben wir aber samstags und sonntags Zeit."
20 Meter lang ist das Schwimmbecken, sechs Meter breit, drei Meter tief. Zahlreiche Kinder aus Elbingerode haben hier schwimmen gelernt, die Orts-Feuerwehr kommt noch immer zum Tauch-Training. Sorgsam saniert: die ovalen Umkleiden aus dunklem Holz. An der Wand: Alte Keramik-Waschbecken. Früher gab es eine Abteilung mit Wannenbädern und Physiotherapie. Und: eine Zeit lang sogar ein Sprungbrett.
"Weil da die beste Zeit ist. Sonst gehen nämlich die Gäste. Auch. In der Woche. Und dann ist die Zeit ein bisschen knapp. Für uns. Mit An- und Ausziehen und Schwimmen. Und da haben wir aber samstags und sonntags Zeit."
20 Meter lang ist das Schwimmbecken, sechs Meter breit, drei Meter tief. Zahlreiche Kinder aus Elbingerode haben hier schwimmen gelernt, die Orts-Feuerwehr kommt noch immer zum Tauch-Training. Sorgsam saniert: die ovalen Umkleiden aus dunklem Holz. An der Wand: Alte Keramik-Waschbecken. Früher gab es eine Abteilung mit Wannenbädern und Physiotherapie. Und: eine Zeit lang sogar ein Sprungbrett.
Ein praktisch-funktionaler Bau
Ein Schwimmbad unter einem Kirchsaal? Die Idee dazu entstand so: Die große, moderne Dampfheizung, die am Tag den gesamten Mutterhaus-Kosmos heizte, produzierte von Beginn an auch nachts Wärme. Die wollte der aus Erfurt stammende Architekt Godehard Schwethelm nicht einfach verschwenden, sagt der Theologe und Direktor des Diakonissen-Mutterhauses Reinhard Holmer.
"Und dann hatte er eben die Idee, dass er gesagt hat, jetzt haben wir Nacht, nachts geht weder Bäckerei noch die Wäscherei noch irgendwie so was ... aber jetzt haben wir den Dampf, jetzt haben wir da was übrig, was machen wir nachts mit diesem Dampf? Ich hätte zwei Ideen, entweder wir bauen ein Schwimmbad oder ein Gewächshaus. Und so ist dieses Schwimmbad unter den Kirchsaal gekommen. Wir sagen ja auch immer so ein bisschen im Spaß, wenn ein Prediger bei uns zu lange predigt, dann geht an der Kanzel ’ne Klappe auf und dann geht er baden."
Reinhard Holmer liebt die praktisch-funktionale und schöne Architektur des filigranen Bauwerks und seine technische Funktionalität. Architekt Godehard Schwethelm hat nicht am Bauhaus studiert, sich aber von diesem inspirieren lassen. Der Direktor Reinhard Holmer öffnet eine Tür und tritt ins Freie – vor den Außen-Eingang des Schwimmbades:
"Und dann hatte er eben die Idee, dass er gesagt hat, jetzt haben wir Nacht, nachts geht weder Bäckerei noch die Wäscherei noch irgendwie so was ... aber jetzt haben wir den Dampf, jetzt haben wir da was übrig, was machen wir nachts mit diesem Dampf? Ich hätte zwei Ideen, entweder wir bauen ein Schwimmbad oder ein Gewächshaus. Und so ist dieses Schwimmbad unter den Kirchsaal gekommen. Wir sagen ja auch immer so ein bisschen im Spaß, wenn ein Prediger bei uns zu lange predigt, dann geht an der Kanzel ’ne Klappe auf und dann geht er baden."
Reinhard Holmer liebt die praktisch-funktionale und schöne Architektur des filigranen Bauwerks und seine technische Funktionalität. Architekt Godehard Schwethelm hat nicht am Bauhaus studiert, sich aber von diesem inspirieren lassen. Der Direktor Reinhard Holmer öffnet eine Tür und tritt ins Freie – vor den Außen-Eingang des Schwimmbades:
"Also es gibt so viele Dinge zu entdecken. Es gibt hier vorne ein Geländer. Wir gucken mal hier raus... Hier unten runter geht es ja ins Schwimmbad und hier gibt es dieses Geländer und Sie sehen hier an diesem Geländer Alpha und Omega am Kreuz: Anfang und Ende. Denkt man: Naja, beim Kirchsaal kann sowas schon mal dran sein, irgendwo am Eingang vom Kirchsaal. Er macht das aber ganz auf der anderen Seite, hinter dem Wintergarten gibt es auch einen Austritt, ähnlich wie hier auch so eine Halbrunde, und was macht er ans Geländer ran? Alpha und Omega. Anfang und Ende. Und dazwischen ist der Kirchsaal. Na genial oder?"
Architekt Schwethelm war anfangs nicht vorgesehen
Reinhard Holmer ist begeistert. Der Architekt Godehard Schwethelm hatte vor Elbingerode das Gebäude der Heilstätte Harzgerode entworfen, eine Einrichtung für kranke Kinder. Dieser Bau mit seiner sorgfältigen Planung von Details im Innen- und Außenbereich beeindruckte Clara Sagert, die damals hier Oberin war.
"Und dann hat sie gesagt: ‚Mensch so einen brauchen wir auch‘ – und hat ihn eingeladen – und der Schwethelm ist dann einfach hierhergekommen und hat gesagt: ‚Ich muss erleben, wie leben die Schwestern, was brauchen die Schwestern‘, hat sich ein Vierteljahr hier mit den Schwestern abgegeben, hat hier mitgelebt, hat gesehen was brauchen die eigentlich wirklich und hat dann praktisch seinen Entwurf gemacht."
"Und dann hat sie gesagt: ‚Mensch so einen brauchen wir auch‘ – und hat ihn eingeladen – und der Schwethelm ist dann einfach hierhergekommen und hat gesagt: ‚Ich muss erleben, wie leben die Schwestern, was brauchen die Schwestern‘, hat sich ein Vierteljahr hier mit den Schwestern abgegeben, hat hier mitgelebt, hat gesehen was brauchen die eigentlich wirklich und hat dann praktisch seinen Entwurf gemacht."
Das Eintauchen in die Lebenswelt anderer, um dann Entwickelteres zu entwerfen - auch das klingt irgendwie nach Bauhaus. Gewünscht war es nicht überall. Die Leitung des Diakonieverbandes hatte anfangs einen anderen Architekten vorgesehen – und Godehard Schwethelm wollte man eigentlich absagen:
"Da ist das Telegramm aber nicht angekommen, vielleicht hat er es auch nur ignoriert oder wie auch immer, und ist mit diesem Modell, was man hier auf dem Bild sieht, ist er hierhergekommen und hat dann seine Pläne vorgestellt – anhand seines Modells mit Gesamtkonzept für dieses ganze Leben hier im Mutterhaus. Und das war dann so gut und so überzeugend, dass der dann den Zuschlag gekriegt hat und konnte dann das Mutterhaus hier bauen."
"Da ist das Telegramm aber nicht angekommen, vielleicht hat er es auch nur ignoriert oder wie auch immer, und ist mit diesem Modell, was man hier auf dem Bild sieht, ist er hierhergekommen und hat dann seine Pläne vorgestellt – anhand seines Modells mit Gesamtkonzept für dieses ganze Leben hier im Mutterhaus. Und das war dann so gut und so überzeugend, dass der dann den Zuschlag gekriegt hat und konnte dann das Mutterhaus hier bauen."
Viele Details zum Entdecken
Baubeginn war 1932. In nur zwei Jahren entstand der Stahlskelettbau, bei dem das Tragwerk Stahlträger sind. In diese Konstruktion fügte der Architekt Decken und Wände ein, die dem gesamten Bau eine hohe Tragfähigkeit verleihen. Und, so Pastor Reinhard Holmer: Die Gestaltung des Innen erleichtern. Es solle, so ließ der Architekt verlauten, Zitat: "So dauerhaft wie möglich, so praktisch wie möglich und so ästhetisch wie möglich gebaut werden."
"Sie haben hier auf dieser Etage, wo wir hier sind, den großen Speisesaal, eine Fläche, nur drei Säulen in der Mitte drin. Da oben drüber sind es... Da kommen wir gleich nochmal rein in den... Da gibt es einen Andachtsraum, der ist die ganze Länge ein Saal... Auf der anderen Seite sind Büroräume in unterschiedlicher Größe. Früher waren dadrüber die Zimmer und jedes Fenster war immer ein Zimmer. Heute können wir jetzt einfach diese eine Wand rausnehmen, weil die Wände tragen nix. Und da guckt grad jemand raus und guckt was hier grad los ist."
"Sie haben hier auf dieser Etage, wo wir hier sind, den großen Speisesaal, eine Fläche, nur drei Säulen in der Mitte drin. Da oben drüber sind es... Da kommen wir gleich nochmal rein in den... Da gibt es einen Andachtsraum, der ist die ganze Länge ein Saal... Auf der anderen Seite sind Büroräume in unterschiedlicher Größe. Früher waren dadrüber die Zimmer und jedes Fenster war immer ein Zimmer. Heute können wir jetzt einfach diese eine Wand rausnehmen, weil die Wände tragen nix. Und da guckt grad jemand raus und guckt was hier grad los ist."
Im ganzen Haus: auffallend schöne und original erhaltene moderne Ausstattung und feine, immer auch funktionale Details aus hochwertigen Materialien. In der Anrichte des Speisesaals oben: die alten Wandschränke mit Schiebetüren aus Glas. Hölzerne Besteckkästen. Ein Essensaufzug. An den meisten Türen die alten Türgriffe, an den Wänden Glaslampen von früher. Angepasste Geländer. Nicht-sichtbare Einbauschränke. Bunte Glassteine in den Fenstern im Treppenhaus. Aus Eisen geschmiedete, bewegliche Garderobe-Haken. Reinhard Holmer war als Jugendlicher schon hier zu Gast, noch zu DDR-Zeiten:
"Man hat sich immer gefragt 'Bin ich hier im Westen oder wie' – weil die Dinge waren einfach top, das waren nicht Plaste-Hähne, sondern das waren Metall-Hähne, wo gab es die in der DDR, hier waren sie mit Chrom und die waren alle blitzblank. Natürlich haben die Schwestern dort enorm was investiert, die haben wirklich geputzt und saubergemacht. Den Schwestern war immer bewusst ‚Wir haben hier etwas Besonderes.‘"
"Man hat sich immer gefragt 'Bin ich hier im Westen oder wie' – weil die Dinge waren einfach top, das waren nicht Plaste-Hähne, sondern das waren Metall-Hähne, wo gab es die in der DDR, hier waren sie mit Chrom und die waren alle blitzblank. Natürlich haben die Schwestern dort enorm was investiert, die haben wirklich geputzt und saubergemacht. Den Schwestern war immer bewusst ‚Wir haben hier etwas Besonderes.‘"
An den Bauhaus-Stil angelehnt
Godehard Schwethelm habe immer wieder gesagt, erinnert sich Kerstin Malycha, dieser Bau hier sei sein liebstes Kind:
"Er hat gesagt, es ist eben sein Stil, also Bauhaus-Stil, das wollte er immer nicht so... Und wir haben immer gesagt, es ist in Anlehnung des Bauhaus-Stils."
"Er hat gesagt, es ist eben sein Stil, also Bauhaus-Stil, das wollte er immer nicht so... Und wir haben immer gesagt, es ist in Anlehnung des Bauhaus-Stils."
Kerstin Malycha ist die Oberin des Diakonissen-Mutterhauses. Die gelernte Physiotherapeutin kam über eine Studentengemeinde das erste Mal nach Elbingerode. Sie läuft quer durch den Kirchsaal. Viel Holz, vorne der Altar, die Kanzel beweglich. 350 Plätze, die, wenn man eine Falttür öffnet, noch aufgestockt werden können. Zusätzlich übertragen eine Kamera und Lautsprecher die Predigten - für die älteren Schwestern in ihre Zimmer. Auffällig: die großen, bunten Fenster oberhalb an den beiden Längsseiten.
"Die Künstlerin Elisabeth Köster, die lebte von 1900 bis 1941, ist gebeten worden für diesen Kirchsaal hier Glasfenster zu entwerfen. Und sie hat sich entschieden für das Thema Engel. Weil sie sich gesagt hat, sie hat den Dienst der Diakonissen mit dem Dienst der Engel verglichen."
Im Schwimmbad, das jetzt genau unter uns liegt, beendet Schwester Brigitte derweil ihre wöchentliche Wassergymnastik.
"Die Künstlerin Elisabeth Köster, die lebte von 1900 bis 1941, ist gebeten worden für diesen Kirchsaal hier Glasfenster zu entwerfen. Und sie hat sich entschieden für das Thema Engel. Weil sie sich gesagt hat, sie hat den Dienst der Diakonissen mit dem Dienst der Engel verglichen."
Im Schwimmbad, das jetzt genau unter uns liegt, beendet Schwester Brigitte derweil ihre wöchentliche Wassergymnastik.