Bauhaus-Buch

Kratzen am Lack der Vorzeige-Kunstschule

In der Bauhaus-Universität in Weimar trägt die Büste des Bauhaus-Gründers Walter Gropius einen farbigen Schal.
Eine Büste des Bauhaus-Gründers Walter Gropius trägt einen farbigen Schal. © picture alliance / dpa / Martin Schutt
Von Carmela Thiele |
Die Literaturwissenschaftlerin Ulrike Müller zeigt in ihrem Buch, dass das Bauhaus einen wesentlichen Teil seines innovativen Potenzials Frauen zu verdanken hat - und das trotz einer latenten Frauenfeindlichkeit.
Rein äußerlich verspricht der schlanke Band leichte Kost: klares Grafikdesign, das an die Gestaltungsprinzipien der Bauhaus-Bücher anknüpft, liebevoll bebildert und typografisch durchgestylt. Der Inhalt jedoch hat es in sich.
Die in Weimar ansässige Literaturwissenschaftlerin Ulrike Müller zieht das Fazit aus zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen, die sich mit "Bauhaus-Frauen" wie Anni Albers, Marianne Brandt oder Lou Scheper beschäftigt haben. Und sie kommt dabei zu Einsichten, die am Lack der deutschen Vorzeige-Kunstschule der 1920er-Jahre kratzen.
Müllers These: Das Bauhaus hat einen wesentlichen Teil seines innovativen Potentials Frauen zu verdanken. Das ist allerdings noch eine äußerst defensive Umschreibung der frauenfeindlichen Zustände, die dazu führten, dass das Bauhaus heute vor allem mit Namen wie Walter Gropius, Laszlo Moholy-Nagy und Mies van der Rohe verbunden wird. Die Autorin vermeidet Zuspitzungen, obwohl die Fakten sie gedeckt hätten.
So entschied sich die Bauhaus-Leitung bereits ein Jahr nach der Gründung der Schule in Weimar 1920, nur noch "außerordentlich begabte Frauen" aufzunehmen, um die zahlreichen Anmeldungen weiblicher Studierender zu reduzieren. Damit verwarf Walter Gropius die "absolute Gleichberechtigung", die er anfangs postuliert hatte. Auch mussten Frauen 180 Reichsmark Schulgeld zahlen, Männer lediglich 150.
"Wo Wolle ist, ist auch ein Weib"
Ernüchternd wirkt auch ein Ausspruch Oskar Schlemmers: "Wo Wolle ist, ist auch ein Weib, das webt, und sei es nur zum Zeitvertreib." Im Geiste solcher Vorurteile wurde die Weberei bald zur reinen Frauenklasse erklärt. Und nur in diesem weiblichen Refugium gelang es einer Studentin, die zuvor schon über Jahre inoffiziell den Unterricht geleitet hatte, eine Stelle als Werkmeisterin zu erhalten.
Gunta Stölzl prägte die Textilabteilung des Bauhaus wie niemand anders. Auf ihre Entwürfe gehen die Stoffe vieler Marcel Breuer-Stühle zurück, sie vollzog die Wende des Bauhauses zur industriellen Fertigung mit und sorgte dafür, dass die Weberei zur einträglichsten Abteilung der Schule wurde.
Neben der latenten Frauenfeindlichkeit beendete auch die Entscheidung für die Gründung einer eigenen Familie oder der aufkeimende Antisemitismus manche Karriere. Stölzl hatte 1928 den jüdischen Architekten Arieh Sharon geheiratet. Nachdem sie zwei Jahre den Anfeindungen standgehalten hatte, verließ sie 1931 das Bauhaus und emigrierte in die Schweiz.
Allgemein, das machen Müllers gezielte Recherchen deutlich, führte die mangelnde Anerkennung künstlerischer Arbeit von Frauen zu einer Verzerrung des Bauhaus-Bildes in der Öffentlichkeit. Keineswegs selten war das Schicksal Lucia Moholys. Da die Fotografin nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten überstürzt aus Deutschland fliehen musste, gab sie ihr Archiv mit 650 Glasnegativen in Obhut des Ehepaars Gropius.
Erst nach Jahren juristischer Auseinandersetzungen erhielt sie einen Bruchteil zurück. Der Rest – diese bittere Pointe wurde nach und nach bekannt – war unter Bauhaus-Meistern aufgeteilt worden, um deren Bewerbungschancen im Exil zu verbessern.

Ulrike Müller: Bauhaus-Frauen. Meisterinnen in Kunst, Handwerk und Design
Insel Verlag, Berlin 2014
57 Seiten, 12,40 Euro

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