Baumhaus-Architektur

Dem Himmel ein Stück näher

Von Felicitas Boeselager |
Ein Haus hoch oben in den Wipfeln, umgeben vom grünen Blätterwerk: Baumhausarchitekt Andreas Wenning entwirft solch Luftschlösser – mal rudimentär, mal als Luxusvariante mit Heizung, Wasser- und Stromanschluss.
Baumhausarchitekt Andreas Wenning klettert die Leiter zu seinem Baumhaus hoch: "Jetzt sehe ich, was meine Kinder hier wieder beim letzten Spielen angerichtet haben, eine riesen Tohuwabohu, aber es ist kuschelig, am liebsten würde ich heute Nacht wieder hier oben schlafen."
Das Baumhaus steht neben hohen Birken, auf Stelzen in der Ecke seines Gartens. Ein Quader mit Fenstern und einer Edelstahl-Fassade, in der sich die Wolken spiegeln. Innen ist alles mit hellem Holz ausgekleidet, auf einem Podest liegen Matratzen, "viele Kissen, Fell und Bücher". Das Innere des Baumhauses sagt: "Bleib hier, ruh Dich aus."
Unter dem Baumhaus hoppeln Kaninchen in ihrem Gehege, eine lange Wand aus Brennholz erstreckt sich über die Rückwand des Gartens, das "Baumhaus der Insekten" wie Wenning es nennt.

In Shorts und T-Shirt sitzt er an einem Gartentisch über ihm rauschen die Birken im Sommerwind, er blickt auf sein Baumhaus. Es ist eins von zwei Baumhäusern, die ihm selbst gehören. Das andere steht ein paar Kilometer von Bremen entfernt in Bassum, das erste Baumhaus, das er gebaut hat:
"Mein Lieblingsbaumhaus ist mein eigenes Baumhaus, weil das ist einfach der Urknall. Das hat auch Qualitäten, das muss man auch sagen, die viele andere nicht haben. Obwohl es nicht so präzise gebaut ist, wie die darauf folgenden Baumhäuser, ist es zumindest sehr urig. Und dieses Spannungsfeld zwischen designter Konstruktion, was auch manche sind, moderne Architektur in den Bäumen, wenn man so will, und das ganz Urige, Robuste, das ist etwas, wo ich auch selber mit mir hadere, weil ich in beiden Feldern mein Herz habe. Und da, in diesen Welt bewege ich mich hin und her."
Andreas Wenning ist gelernter Tischler, nach seinem Architektur-Studium in Bremen hat er in Architekturbüros gearbeitet und wollte dann mit Freunden ein Baumhaus bauen. Am Ende hat er es aber alleine entworfen und mit einer Zimmerei in Bassum gebaut.
Der Baumhausarchitekt Andreas Wenning steht in einem blauen T-Shirt vor einem Stapel Feuerholz.
Für Architekt Andreas Wenning sind Baumhäuser Rückzugsorte, in denen man "den Konventionen des alltäglichen Lebens" entkommen kann.© F. Boeselager

Ein Baumhaus im Dschungel von Brasilien

"Das hatte dann auch Beachtung in den Medien gefunden. Ich hab mich dann auch darum gekümmert und gesagt, jetzt ist eigentlich der Moment, an dem ich mich selbstständig machen will, also nicht mehr in Architekturbüros arbeiten wollte und dann bin ich dieser Sache nachgegangen."
Das war vor 15 Jahren. Es folgte der erste Auftrag aus Bremerhaven, von dort aus ging es nach Österreich zu seinem ersten Auslandsprojekt und kurze Zeit später über den Atlantik nach Brasilen, der 53-Jährige strahlt und überschlägt sich, wenn er davon erzählt.
"Da klingeln, da öffnet, da ist ja der Fantasie Tor und Tür geöffnet, also nicht nur, weil man da an Dschungel denkt, sondern auch, wegen der Baukultur, diesem Lebensstil. Und dann war irgendwie auch klar: If I can build it there, I can build it everywhere!"
Inzwischen stehen seine Baumhäuser in der ganzen Welt: Argentinien, Moskau, China und in den USA. Modelle zwischen vier und 50 Quadratmetern mit Baukosten zwischen 10.000 und 160.000 Euro. Überall verbirgt sich hinter dem Baumhaus die gleiche Sehnsucht:
"Der Begriff steht als Metapher für eben das Abenteuerliche, das Entrückt-Sein und eben das Entkommen von den Konventionen des alltäglichen Lebens."

"Man spürt es, dass es ein besonderer Raum ist"

Wennings Baumhäuser sehen ganz unterschiedlich aus, rund und futuristisch, mit großen Fenstern, elegant und offen, manche auf Stelzen, manche aufgehängt in den Bäumen. Orte, die eigentlich niemand braucht, sie sind ein zusätzlicher Wohlfühlraum, sagt Wenning.
"Man spürt es, dass es ein besonderer Raum ist, den man auch wirklich vielfältig nutzen kann. Er wird Phasen haben, an denen er anders genutzt wird, wenn die Kinder kleiner sind, wird er wieder anders genutzt werden, als wenn die Kinder halbwüchsig sind und dann wohlmöglich mit ihren ersten Freundinnen da raufgehen."
Deshalb wünscht er sich, dass die Besitzer ihre Baumhäuser pflegen und sie sich immer wieder neu erobern. So spielen auch seine zwei Baumhäuser in der Familie eine wichtige Rolle, erst vergangene Nacht hat er in dem Baumhaus in Bassum geschlafen und die Ruhe zum Zeichnen genutzt.

Der Traum vom Haus in einem Mammutbaum

Auch mit seinen zwei Söhnen, sie sind fünf und bald acht Jahre alt, schläft er manchmal im Baumhaus. Und auch wenn er schlechter schläft, weil die Jungs so strampeln, ist es für ihn jedes Mal wieder ein ganz spezielles Erlebnis.

Andreas Wenning sagt, dass er einen Traumjob hat, er kann anderen Menschen Träume erfüllen und er selbst hat auch noch einen Traum.
"Oben in einem Mammutbaum in Kaliforniern etwas zu installieren, wow. Das wär schon mal toll. Der Unterschied ist eben, dass das unglaublich große Bäume sind, sehr, sehr, sehr hoch. Und die statischen Möglichkeiten, die man mit einem oder mehreren Mammutbäumen hätte, wären astronomisch. Also ein Mammutbaum, das ist eine Holzsäule, die große Häuser tragen könnte."
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