Ein Holzhochhaus für die Kreuzberger Mischung
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Berlin braucht Wohnungen und hat wenig Platz: Der Projektentwickler UTB will deshalb in die Höhe bauen und in dem Hochhaus alle sozialen Schichten unter einem Dach beherbergen. Das Besondere: Das Hochhaus soll aus Holz gebaut werden.
In Berlin will ein Projektentwickler Deutschlands höchstes Wohnhaus aus Holz errichten – das WoHo. Vier einzelne Baukörper, leicht versetzt übereinandergestapelt, 100 Meter hoch. Es soll ein Wohnturm der Superlative werden: 29 Geschosse, 150 Wohnungen und 18.000 Quadratmeter Nutzfläche.
"Das Projekt befindet sich im Bebauungsplanverfahren, mit einer Fertigstellung wird frühestens ab 2026 gerechnet", heißt es auf der Website des Immobilienentwicklers UTB Projektmanagement GmbH. Bis auf Untergeschoss, Treppenhäuser und Aufzugsschächte soll das gesamte Gebäude in Holzbauweise ausgeführt werden.
Gemischte Sozialstruktur im Hochhaus
Berlin braucht Wohnungen. Und weil Baugrundstücke in der Hauptstadt Mangelware sind, die Flächen begrenzt und die Bodenpreise steigen, überlegen immer mehr Projektentwickler, in die Höhe zu bauen. So auch Thomas Bestgen von der UTB.
Mit dem WoHo nahe dem Potsdamer Platz im Berliner Ortsteil Kreuzberg verspricht er etwas zu schaffen, was für diesen Gebäudetyp als bisher unvereinbar gilt: eine gemischte soziale Struktur. "Hochpreisliche Eigentumswohnungen, auf dem gleichen Grundstück die Entwicklung von genossenschaftlichem Wohnen bis hin zu sozialen Mietwohnungen. Wir sind überzeugt davon, dass es uns gelingt, das in die Vertikale zu bringen", sagt Thomas Bestgen.
Wie schon bei anderen Quartieren des Unternehmens sollen im Sockelbereich des Wohnturms soziale Einrichtungen und Träger Platz finden: Kita, Hort, Kiezkantine, betreutes Wohnen für Jugendliche und Demenzkranke, Familienwohnungen, Ateliers und Gewerbeeinheiten. Die Kreuzberger Mischung also, aber im Hochhaus – und mit öffentlichem Zugang im Erdgeschoss und aufs Dach.
50 Mietwohnungen zu 6,50 Euro nettokalt
Projektentwickler Thomas Bestgen kennt sich aus. Seit knapp drei Jahrzehnten organisiert er gemischte Quartiere. Im WoHo wird er zudem Wohnungen für sozial benachteiligte Menschen schaffen. So will es das Land Berlin.
50 der geplanten 150 Wohnungen müssen mietpreisgebunden sein, 6,50 Euro nettokalt den Quadratmeter. Kein Problem, versichert Bestgen. "Selbstverständlich haben wir steigende Baukosten. Was wir aber haben, sind exorbitant niedrige Zinsen. Das heißt: Die Miete setzt sich ja nicht zusammen aus Baukosten, die Miete setzt sich zusammen aus der Refinanzierung. Wie finanziere ich das? Zu welchen Konditionen? Und die Zinsen sind ja die Kosten", erklärt er.
"Wenn die Zinsen um 60 Prozent sinken, die Baukosten steigen um wahnsinnige 30 Prozent, dann habe ich ja immer noch geringere Kosten als vorher", präsentiert er seine Kalkulation. "Und so können wir dann auch die soziale Mischung garantieren. Ganz einfach: Ein Zinsniveau von einem Prozent lässt hervorragende Qualitäten finanzieren und auch eine gute Mischung."
Baupolitiker in Kreuzberg uneins
Der gelernte Bankkaufmann räumt ein, dass die frei finanzierten Wohnungen dadurch teurer werden. Gleichwohl kommt sein Hochhausprojekt gut an in der rot-rot-grünen Stadtentwicklungspolitik.
Der zuständige Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt von Bündnis 90/Die Grünen – eher bekannt als Investorenschreck – unterstützt das Vorhaben uneingeschränkt. Das WoHo könne, so schreibt er, "die Funktion eines Pilotprojektes mit Leuchtturmcharakter haben, das weit über Berlin hinaus ein Zeichen setzt, dass der Umbau der Stadt hin zu einem sozialen und ökologischen Paradigmenwechsel möglich ist."
Ganz anders sieht das John Dahl von der SPD, Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen im Bezirk. Er glaubt nicht an die Idee des gemischten Quartiers in der Vertikalen. "Sprich: Von den Großkopferten bis zu den Benachteiligten, alle kommen irgendwie unter, und das soll dann irgendwie funktionieren." Die Erfahrung, die man in der Vergangenheit mit solchen Projekten, zumindest in West-Berlin und in Westdeutschland gemacht habe, seien eher negativ gewesen. "Die Wohnhochhäuser, die funktionieren, sind in der Regel dann auch eher hochpreisiger, oder sie haben dann eben die Abgehängten, die in so einem Hochhaus drin wohnen."
Der Entwurf für das WoHo ist jetzt in der Öffentlichkeit. Interessierte Akteure und Akteurinnen aus der Nachbarschaft haben ihre Einwände zu Abstandsflächen, Verschattung und Fallwinden vorgetragen.
Sibylle Lacheta geht allerdings nicht davon aus, dass die Architekten noch Wesentliches an dem Konzept verändern werden. "Es sind gute Ideen, finde ich auch. Es ist toll, wenn es funktioniert." Aber beworben werde ja auch das öffentliche Treppenhaus, auch öffentliche Dachterrasse. "Ich bin mir sicher, sobald da mehrere Gruppen Jugendlicher hochgehen, da ein bisschen Party machen, ist das Ding zu."
Noch keine Garantie für Holzbau
Inwieweit das WoHo einen städtebaulichen Mehrwert haben wird, hängt auch davon ab, ob es tatsächlich aus Holz gebaut wird, wie es die Planungen vorsehen. Holz ist seit jeher ein guter Baustoff. Leicht zu bearbeiten, fast überall vorhanden, nachwachsend, klimafreundlich. "Holz bindet unheimlich viel CO2", sagt Projektentwickler Thomas Bestgen. "Wir haben ja die Herausforderung, klimaneutral zu bauen, und die Produktion von Fertigbauteilen und überhaupt die Produktion von Beton ist ein starker CO2-Killer."
Sibylle Lacheta, studierte Landschaftsarchitektin, hingegen zweifelt. "Holz geht schnell, spart Baukosten. Ich weiß aber, dass ein Hochhaus wegen der Statik, wegen der Windlast natürlich extrem viel Baustoff braucht. Ich meine, diese Massen an Holz sind schon viel. Wenn ich denke, so ein kleines Bäumchen, was ich mit meinen Händen umfassen kann, ist 15 Jahre alt, und ein großer Baum, den man braucht, ist 60 Jahre alt: Wie viele Bäume brauche ich? Also wenn alle jetzt mit Holz bauen, das kann auch nicht funktionieren. Ich weiß aber auch keine Lösung."
Da der Rohstoff Holz auf dem Weltmarkt immer knapper und kostspieliger wird, will auch Thomas Bestgen mittlerweile keine Garantie dafür abgeben, dass der Wohnturm wirklich aus Holz gebaut wird. "Garantien gibt es nicht. Gibt es zu keiner Zeit. Wenn mir das Land Berlin eine Garantie gibt, dass ich in zwei Jahren Baurecht habe, dann könnte ich Ihnen heute sagen: Dann garantiere ich auch, dass es aus Holz wird, weil, dann kann ich heute die Preise fixieren."
Marketing mit dem Baustoff Holz
Sozialdemokrat John Dahl ergänzt, die Frage des Baumaterials könne man rechtlich sowieso nicht festlegen. In den Bebauungsplan würde lediglich hineingeschrieben, was gebaut werde – und in welcher Höhe oder Tiefe.
"Ob das nun aus Holz ist oder aus einem anderen Material, das halte ich in so einer Fragestellung eher für nachrangig, ich halte das auch eher für eine Marketing-Strategie, so was hier dann eben zu verkaufen, indem man sagt: Wir retten die Welt, indem wir das Haus aus Holz bauen", sagt er.
"Meine Aufgabe als öffentliche Hand ist es ja nun, nicht auf jeden Marketing-Gag reinzufallen, letztlich ist das Interesse jeden Vorhabenträgers in der Regel, sofern er nicht ein gemeinnütziger ist oder ein öffentlicher, Rendite zu machen. Und das ist bei Herrn Bestgen nicht anders. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt würde ich diesem Projekt nicht meine Zustimmung geben."
Politikerinnen und Politiker in Kreuzberg tun sich schwer mit den Plänen für den Turmbau in ihrem Kiez. Bis der Bebauungsplan für Deutschlands höchstes Wohnhochhaus aus Holz ausliegt, wird es dauern.
(für Online bearbeitet: mfu)