Baustellen-Dramen

Von Gerd Brendel |
Wieder einmal Jelinek , wieder einmal Karin Baier: Zwei alte Bekanntinnen auf dem Theatertreffen. Immerhin hat Elfriede Jelinek den Text: "Ein Sturz" eigens zur Uraufführung am Kölner Schauspielhaus geschrieben. Heute ein Vierteljahr nach der Kölner Premiere im Herbst eröffnet : "Das Werk/Im Bus/ Ein Sturz das Berliner Theatertreffen.
Vorsicht beim Betreten dieser Baustellen. Denn hier buddelt sich die Technik-Besessenen Gesellschaft ihr eigenes Grab. Und das gleich dreimal: Elfride Jelinek hat im Laufe mehrerer Jahre drei Stücke oder besser Fließtexte geschrieben, in denen es um Baustellenkatastrophen geht und um die Hybris, die hinter Mammutprojekten steckt.

"Eine neue Welt fordert ihre Rechte."

"Das Werk" das erste Stück meint das Wasserkraftwerk Kaprun. Bei dessen Bau in den 40ger Jahren starben Hunderte Zwangsarbeiter. "Im Bus" erzählt von einem Linienbus erzählt, der in einen Krater stürzt, weil eine neue U-Bahn Strecke nicht sorgfältig genug geplant war.

"Ein Sturz" hat endlich den Einsturz des Kölner Stadtarchivs Zum Inhalt. als auch hier der Boden über dem neuen U-Bahn-Tunnel nachgab.

"Alles was wir ausgeschachtet wird, holt sich die Erde zurück."

Karin Baier hat in Köln die drei Stücke zu einem Abend zusammengefasst und daraus ein dadaistisches Oratorium gemacht: Klageweiber gegen Ingenieure, Täter gegen Opfer, Mensch gegen Mutter Natur und Vater Rhein. Dass den Menschen dabei das Wasser bis zum Halse steigt, wird buchstäblich erfahrbar. Das Wasser, dass am Anfang des Abends harmlos dahin plätschert wird im letzten Teil der Trilogie zur trüben Brühe, die knöcheltief über die Bühne schwappt. Unberührt davon zelebrieren die Vertreter des Kölner Klüngels im letzten Teil weiter seine Beschwichtigungsrituale.

Und wer ist schuld?

Gerade dieser letzte Kölner Teil wurde von vielen Kritikern gelobt:

Das Duo Jelinek und Beier…

…begründet die Jury des Theatertreffens ihr Votum für Beiers Inszenierung:

Das Duo Jelinek und Beier überführt die fatalen Unzulänglichkeiten der Kölner Lokalpolitik in tragikomische Allgemeingültigkeit und die Wut der Bürger in ganzheitliche, geradezu in mythologische Weltzusammenhänge.

Negative Kritik gab es dafür von den überführten Lokalpolitikern: (Tadel gab es dafür von den düpierten Lokalpolitikern) Besonders Kölns Oberbürgermeister Schramma kränkte, dass zwischen Schutt und Wasser und einer Aufzählung aller am U-Bahn beteiligten Firmen, auch seine Stimme zu hören ist: Sein Satz "Die Stadt kann sich nicht entschuldigen, dafür muss ja erst mal jemand schuldig sein" erntet jedes Mal beim Publikum herzliches Gelächter. Besser kann auf der Bühne das Theater der Mächtigen nicht entlarvt werden.