Bürgermeister will mehr Flüchtlinge unterbringen
"Jetzt erst recht!" Das sagte Alexander Ahrens im Februar, am Morgen nach dem Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Bautzen. Der parteilose Bürgermeister ist im Ort ein angesehener Mann. In seiner Flüchtlingspolitik lässt er sich nicht beirren.
Zum Vorgespräch in seinem Amtszimmer hatte Alexander Ahrens noch Erdbeerkuchen serviert, den ihm eine Bürgerin vorbeigebracht hatte. Weil sie wusste, dass er ihn so gerne mag. Nun blickt er auf die Ruine des abgebrannten Husarenhofes. Als im Februar die geplante Flüchtlingsunterkunft angesteckt wurde, als Anwohner applaudierten und die Löscharbeiten behinderten, war Ahrens gerade einmal sechs Monate Oberbürgermeister von Bautzen, auf den Tag genau.
"Es gab eben auch Stimmen, die gesagt haben, naja, ist ja ganz gut, dass es abgebrannt ist. Das waren zwar nur ganz, ganz wenige Stimmen, aber da wollte ich an der Stelle auch 'ne ganz unmissverständliche Botschaft setzen, dass wir uns so nicht aus der Diskussion verabschieden. Das geht nicht. Das können wir als demokratische Gesellschaft nicht akzeptieren."
Am nächsten Morgen sah das Land ein ungewöhnliches Interview im Fernsehen. Ahrens sagte: "Jetzt erst recht!" - Flüchtlinge nach Bautzen holen, unterbringen, integrieren.
"Du hast da überhaupt keine Chance"
Ahrens, ein schlanker, filligraner Mann, 50 Jahre alt, kurzes graues Haar, Drei-Tage-Bart. Als er im letzten Jahr - ein halbes Jahr vor dem Brandanschlag - in den Wahlkampf startete, wiederholte er es mantraartig, vom ersten Tag an: Mit ihm werde es keine Politik gegen Flüchtlinge geben. Für sächsische Verhältnisse fast schon unerhört.
"Und mir wurde von Anfang an gesagt, du hast da überhaupt keine Chance. Du kommst nicht von hier, du bist noch nicht mal in der DDR aufgewachsen, und obendrein trittst du in den Wahlkampf mit dem Slogan: Mit mir gibt es keine Politik gegen Flüchtlinge. Und das in einer Stadt, die bei der Landtagswahl den höchsten Stimmenanteil an AfD- und NPD-Stimmen hatte."
Der gebürtige Westberliner kam seiner Frau wegen nach Bautzen, die aus der Region kommt – und der Stadt wegen, in die er sich verliebt hat. Bis Ende 2012 hat Ahrens, Sinologe und Jurist, als Rechtsanwalt und Wirtschaftsberater gearbeitet und die Welt gesehen. Bis nach China. Dann entschied er sich ganz und gar für die 40.000-Einwohnerstadt in der sächsischen Oberlausitz – und für seine Familie.
"Da war gerade unser viertes Kind zur Welt gekommen, und ich hab' mir gesagt, da hätt‘ ich gerne ein bisschen mehr mitbekommen von der Kleinen, als das vorher der Fall war. Und vor dem Hintergrund hab ich halt gesagt: Machste jetzt mal 'ne Elternzeit, die hat dann zwei Jahre gedauert. Und da hab' ich dann aber auch schon in der Zeit ne neue Herausforderung gesucht. - Hallo, Hallo Nino!"
Ahrens hört zu, hat aber eine klare Position
Spaziergang durch die restaurierte historische Altstadt. Es ist belebt, Restaurants und Kneipen säumen die Straßen und Plätze. Ahrens schüttelt Hände, grüßt diese und jenen, mit vielen ist er per Du. Die klare Positionierung pro Asyl scheint ihm nicht geschadet zu haben. Als er in den Wahlkampf startete, kannten ihn vielleicht 20 Leute in Bautzen, sagt er. Ahrens hört zu, erfragt die Sorgen der Bürger, aber bewahrt dabei sein Rückgrat.
"Und ich hab' die Erfahrung gemacht, dass die Leute diese Klarheit in der Positionierung geschätzt haben. Eben unabhängig von der Frage, ob sie diese Position jetzt teilen oder nicht. Die Leute haben das respektiert, dass man für etwas einsteht, und eben auch streitbar ist, in dem Punkt, aber eben auch gesprächsbereit."
Auf einem kleinen Platz in der Altstadt ist eine Tribüne aufgebaut, die Tribüne des Bautzner Theatersommers. Ahrens begrüßt die Veranstalter. Ein amerikanisches Ensemble hat heute Abend seinen Auftritt.
"Hi, nice to meet you. Alexander Ahrens, I’m the mayor here in Bautzen."
Der Bürgermeister lädt das Ensemble in fließendem Englisch zu einer Führung durchs Rathaus ein.
"I invite you for this afternoon, if you find the time, to make a short visit to the town hall, just a short glimpse, short impression, cause the townhall is from twelvehundredthirteen."
Spontan gibt das Ensemble ein Ständchen für den Oberbürgermeister.
"Ich geb' mich nicht der Illusion hin, dass da ausschließlich Mediziner und Facharbeiter zu uns kommen. Das ist aber gar nicht die Frage. Die Frage ist doch, ob wir die Motivierten einbinden wollen und können. Und, ja, wir werden die brauchen, das ist ganz klar. Wir brauchen jeden, der hierhin kommt, und ich sag' immer: Das größte Problem, dass ich mit der Flüchtlingsbewegung hab', ist, dass die Leute, die ich hierbehalten möchte, vielleicht gar nicht hierbleiben."