Erfolgreich geschrumpft
Die Bayern LB hatte sich im Zuge der US-Hypothekenkrise verspekuliert: Mit Notkrediten von zehn Milliarden Euro musste die Landesbank gestützt werden. Die EU-Kommission verordnete eine radikale Schrumpfkur - die von Erfolg gekrönt war.
Vor genau einem Jahrzehnt, im Jahr 2007, sagt Bayerns damaliger Finanzminister Kurt Faltlhauser über die Bayern LB:
"Diese Bank hat eine gute Zukunft!"
Dann kommt die Finanzkrise. Sie reißt die Bayerische Landesbank in den Abgrund. Das Institut überlebt nur, weil ihm der Freistaat Bayern eine gewaltige Finanzspritze verpasst: 10 Milliarden Euro. Finanzminister Georg Fahrenschon, Faltlhausers Nachfolger, begründet die Rettung mit Steuergeldern so:
"Die Bayerische Landesbank ist eine systemrelevante Bank. Deshalb ist die Stabilisierung der BayernLB von höchster Bedeutung - für den Freistaat, aber auch für das Finanzsystem."
Too big to fail. Der Standard-Spruch der Finanzkrise. Heute, im Jahr 2017, erklärt der Nachfolger von Fahrenschon, Bayerns Finanzminister Markus Söder:
"Die Bank ist wieder stark, stabil und lebensfähig. Wir haben nicht nur überlebt, sondern sind besser als zuvor. Und die weiteren Mittel, die mal investiert wurden, die sollen über die Jahre durch solides Wirtschaften zurückkommen."
Wenn bis dahin nicht die nächste Finanzkrise kommt. 10 Jahre geldpolitische Achterbahn-Fahrt: von ganz oben im Spiralsturz nach unten und wieder langsam hinauf. Das Abenteuer der Bayerischen Landesbank ist eine unglaubliche Geschichte.
Die Kroaten gaben nach
Am Anfang steht Edmund Stoiber, der das kleine Provinz-Bänkelchen BayernLB in einen Global Player verwandeln möchte – indem er die Übernahme der österreichischen Landesbank Hypo Alpe Adria forciert. Für dieses Ziel umschmeichelt Stoiber sogar den kroatischen Ministerpräsidenten Sanader bei einem persönlichen Treffen in Zagreb.
"Wir sind natürlich außerordentlich interessiert, dass diese Übernahme der Hypo Alpe Adria – und damit das weitere Engagement nach Südost-Europa – dass diese Übernahme auch erfolgreich ist."
Als die kroatische Nationalbank als Teilhaber der Hypo Alpe Adria Widerstand leistet, wird Stoiber grantig:
"Ich habe auch an die Adresse der Nationalbank deutlich gemacht, dass dies in der Tat das gute deutsch-kroatische Verhältnis trüben könnte."
Die Kroaten geben nach – und kurz darauf stoßen Bayerns Finanzminister Faltlhauser und Hypo-Alpe-Adria-Chef Thilo Berlin auf die Übernahme an:
"Ich glaube, dass die Art und Weise, wie dieses Geschäft zustande kam, Seltenheitswert hat. Die Schnelligkeit, die Entschiedenheit, die Diskretion!"
"Wir sind keine potentiellen Flüchtlinge, sondern strategische, verlässliche, dauerhafte Partner!"
Doch der Deal über 1,7 Milliarden Euro ist von vorne bis hinten faul. Die Münchner Landesbanker müssen Schmiergelder an einen Kärntner Fußballclub zahlen – das verlangt der Kärntner Landeschef und FPÖ-Politiker Jörg Haider, der im Hintergrund die Fäden zieht. Als die Münchner erkennen, dass die Bilanzen der Hypo Alpe Adria durch und durch marode sind, ist es zu spät. Denn der Kauf-Vertrag ist ein Witz, sagt der Münchner Finanzexperte Prof. Manuel Theissen:
"Dieser Kaufvertrag, da bin ich mir sicher, wird in die Geschichte eingehen. Er hat im Prinzip nur zwei Paragraphen. Im einen steht: "Gekauft wie besichtigt". Also so, wie man einen Gebrauchtwagen kauft. Und im zweiten Paragraph steht vereinfacht gesagt drin: wenn bei dem Kauf einige Informationen nicht vollständig oder vielleicht sogar fehlerhaft waren, dann hat der Käufer trotzdem kein Rücktrittsrecht. Wenn Sie sowas einen Kaufvertrag nennen, dann können Sie in Zukunft getrost auf jeden Vertrag verzichten. Denn so eine Rechtsposition, die keine ist – nämlich "Sie haben zu zahlen und den Mund zu halten" – die bekommen Sie auch ohne schriftliche Fixierung."
Edmund Stoiber, die treibende, fatale Kraft?
Es kommt, wie es kommen muss: in der weltweiten Finanzkrise bricht die Hypo Alpe Adria zusammen und droht auch die BayernLB in den Abgrund zu reißen. Im letzten Moment verkauft der Freistaat die HGAA für einen symbolischen Euro an Österreich zurück – und muss für die Folgekosten tief in die Tasche greifen. 3,7 Milliarden Euro verliert die Landesbank.
Mehrere Untersuchungs-Ausschüsse und Gerichtsprozesse versuchen, die Verantwortung für das Desaster zu klären. Doch weder die Banker noch die aufsichtführenden Politiker müssen für die Verluste haften. Der langjährige Vorstands-Vorsitzende der BayernLB, Michael Kemmer, kommt mit einer Geldstrafe von 20.000 Euro davon.
"Juristisch ist das eine Einstellung, aber de facto, wenn Sie sich die Begründung des Gerichts anschauen, wenn Sie sich den Prozessverlauf anschauen, können wir schon davon sprechen, dass wir de facto freigesprochen worden sind."
Auch der CSU-Politiker Erwin Huber, der damals dem BayernLB-Verwaltungsrat vorsaß, kommt ohne Strafe davon:
"Das hier letztlich eine wirtschaftliche Fehl-Investition erfolgt ist, das ist leider so– und ich sage leider, denn der Verlust schmerzt mich. Aber ich sehe nicht, dass ich Schuld im Sinne von Vernachlässigung der Kontrollpflichten auf mich geladen hätte."
Und Edmund Stoiber, die treibende Kraft hinter der fatalen Expansion der BayernLB? Sieht das so:
"Wenn ich eine Autobahn baue, bin ich nicht verantwortlich dafür, dass auf dieser Autobahn Unfälle passieren."
Steuerzahler soll nicht mehr für Banken blechen
Der Unfall war eine veritable Massen-Karambolage. Ein finanzpolitischer Milliarden-Crash. Umso erstaunlicher, wie gut sich die Bayerische Landesbank seitdem erholt – oder besser: gesundgeschrumpft hat. Vergangenes Jahr erzielte sie einen Gewinn von 545 Millionen Euro. Und im Juli dieses Jahres verkündet Bankchef Johannes-Jörg Riegler die Rückzahlung der letzten Milliarde Euro an den Freistaat Bayern. Damit ist das EU-Beihilfe-Verfahren zur Rettung der Bank abgeschlossen.
"Und dann ist es natürlich unser Ziel, diese Bank wieder so aufzustellen, dass sie unseren Eignern und Trägern – dem Freistaat Bayern und den Sparkassen – wieder Freude macht. Das heißt, wir werden dividendenfähig werden."
Mit anderen Worten: der Steuerzahler soll wieder an der Bank verdienen statt für sie zu blechen. Man habe aus alten Fehlern gelernt, sagt Bayerns heutiger Finanzminister Markus Söder.
Die Landesbank verzichte auf unkontrolliertes Engagement im Ausland. Sie mache keine Geschäfte mehr mit Panama, den amerikanischen Jungferninseln, den Seychellen und 34 anderen Staaten. Mit Kärnten dagegen steht man wieder im Kontakt – die Zeit heilt viele Wunden. Ansonsten konzentriert sich die BayernLB auf Bayern.
"Die Bank ist gut für den bayerischen Mittelstand. Und dadurch auch wieder gut für den Steuerzahler. Das ist der richtige Weg."
Hoffentlich. Wir erinnern uns: vor zehn Jahren sagte Söders Vorgänger, Finanzminister Faltlhauser:
"Diese Bank hat eine gute Zukunft!"
Was dann kam, konnte ja niemand ahnen...