Bayerns ARE-Einrichtungen

Rückführung von Flüchtlingen im Schnellverfahren

Ehemalige Max-Immelmann-Kaserne in Manching / Bayern: Auf dem Gelände befindet sich seit September 2015 eine Ankunfts- und Rückführungseinrichtung für Flüchtlinge, die keine Bleibeperspektive haben.
Ehemalige Max-Immelmann-Kaserne in Manching / Bayern: Auf dem Gelände befindet sich seit September 2015 eine Ankunfts- und Rückführungseinrichtung für Flüchtlinge, die keine Bleibeperspektive haben. © picture alliance / dpa / Peter Kneffel
Von Susanne Lettenbauer |
Zwei Lager in Bayern kümmern sich ausschließlich um Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern. Das hat ihnen die Bezeichnung Abschiebelager eingebracht, auch wenn die Regierung in Oberbayern von Ankunfts- und Rückführungseinrichtungen spricht. Susanne Lettenbauer war vor Ort.
Die provisorischen Absperrgitter zum Flüchtlingslager Manching quietschen beim Öffnen. Bullige Sicherheitskräfte fragen unfreundlich nach dem Ausweis. Unbekümmert umkreisen kleine schwarzhaarige Jungs auf bunten Kinderfahrrädern die Männer. Links von ihnen sieht man einige zweistöckige Gebäude, die Flüchtlingsunterkünfte. Über den Zäunen und Absperrgittern hängt Wäsche. Vereinzelt schauen Menschen aus den Fenstern. Überall wird gebaggert und gegraben, um das Gelände freundlicher zu gestalten.
Hinter hohen Bäumen liegt ein weiteres Gebäude, die Räumlichkeiten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge BAMF:
"Wir begeben uns jetzt in die Räumlichkeiten des Bundesamtes. Ganz grob zur Einteilung: Wir sehen hier den Trakt des Wartebereiches, im Erdgeschoss befindet sich der mittlere Dienst, das sogenannte Asylverfahrenssekretariat, dort werden die Aktenanlagen durchgeführt, die Entgegennahme der Asylanträge, die Dolmetschereinsatzplanung wird durchgeführt. Dort werden auch ID-Behandlungen durchgeführt, also Fingerabdrücke und die Messung der Größe durchgeführt."
So ein Sprecher des BAMF.
"Im ersten Stock befinden sich die Räumlichkeiten der Entscheider und Verwaltung. Wir gehen dann mal weiter."
Es geht weiter durch die schmucklosen Gänge in den ersten Stock. Hinter den Bürotüren sprechen Entscheider mit Asylbewerbern. Im kahlen Warteraum sitzen Frauen mit Kinderwagen, ältere und jüngere Männer mit Terminzetteln auf dem Schoß und warten, dass sie aufgerufen werden. Alles ist durchorganisiert:
"Antragsteller haben einen Termin, melden sich an der Pforte bei den Wachleuten, sagen, sie haben einen Termin. Dann wird geschaut, ist es ein Termin zur Aktenanlege oder zur Anhörung. Dann wird uns Bescheid gegeben und wir holen dann die Antragsteller ab, eben für die Aktenanlege oder für die Anhörung, und diese beiden Tätigkeiten werden dann mit den jeweiligen Dolmetschern durchgeführt."
Ein Lager mit Abschiebeflughafen
Seit gut vier Monaten ist die alte Max-Immelmann-Bundeswehrkaserne von Manching Bayerns Abschiebelager Nummer eins. Eigentlich sollten die im Juli beschlossenen Einrichtungen direkt an der Grenze liegen, in Passau oder Rosenheim. Weil Manching aber einen Militärflughafen besitzt, sagen Kritiker, bekam der Ort bei Ingolstadt den Zuschlag für das "Sonderlager mit Abschiebeflughafen".
Diesen Begriff hört man bei der zuständigen Regierung von Oberbayern gar nicht gern. Offiziell nennt sich das riesige Gelände, von dem nur rund ein halbes Dutzend Gebäude genutzt werden, Ankunfts- und Rückführungseinrichtung, kurz ARE. 1900 Menschen sollen hier sowie an drei nahegelegenen Depandancen Unterkunft finden, derzeit sind 350 Migranten hier untergebracht.
Verantwortlich ist die Regierung für Oberbayern mit Sitz in München. In Manching soll der Prozess der Asylantragsbearbeitung deutlich beschleunigt werden, erklärt die Regierungsvizepräsidentin Oberbayern Maria Els während des Rundgangs:
"Ja die Vorteile liegen darin, dass es hier eine Bündelung der entscheidenden Stellen vor Ort gibt, das ist der eine Vorteil, der andere Vorteil ist aber auch, dass die Asylbewerber, um deren Verfahren es geht, sich hier auf dem Gelände beziehungsweise einer Dependance aufhalten, so dass die Koordinierungen und Wege sehr kurz sind."
Alle Behörden an einem Ort
Neben der Dienststelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gibt es auf dem Gelände auch Mitarbeiter der Zentralen Ausländerbehörde, der Regierung von Oberbayern, des Gesundheitsamtes und Büros vom Verwaltungsgericht, wenn Asylbewerber gegen eine Ablehnung klagen wollen.
Normalerweise müssen Asylbewerber die einzelnen Behörden gesondert aufsuchen oder werden mit Shuttlebussen hin- und hergefahren. In Manching ist alles an einem Ort, prinzipiell eine Erleichterung, ist die Regierungsvizepräsidentin Els überzeugt. Wäre da nicht das neue Asylgesetz, das eine Beschleunigung des Asylverfahrens vorsieht. Für Manching heißt das, dass die Asylbewerber nicht mehr nur drei, sondern sechs Monate im Rückführungslager bleiben müssen. Wahrscheinlich eine Mehrbelastung für die oberbayerische Regierung. So genau weiß man das noch gar nicht, so Els:
"Wir sind gerade dabei uns über die Auswirkungen zu informieren, zum Beispiel was bedeutet das, dass die Verweildauer auf bis zu sechs Monate möglich ist. Bedeutet das, dass wir zusätzliche Aufnahmekapazitäten aufbauen sollen?"
Jeweils zu dritt sind alleinstehende Männer in den Zimmern untergebracht, Familien bekommen je nach Personenzahl ein oder mehrere Räume zugewiesen.
"Ja, wir haben, also die Sechsbetten-, das sind unsere wenigen Zimmer. Wir haben in jedem Haus vier Sechsbettzimmer und der Rest sind Dreibettzimmer. Manchmal eben auch Vierbettzimmer, aber das vermeiden wir tunlichst, wenn wir nicht müssen."
Bislang gebe es keine Probleme sagt die Unterkunftsleiterin Bleifuß:
"Nein, das funktioniert, weil die auch ganz genau wissen: Wenn sie hier was erreichen wollen, müssen sie sich auch benehmen, weil sonst gibt es hier Ärger und das wollen die nicht und das wollen wir nicht."
70 Migranten sind untergetaucht
In Manching sind nur Asylbewerber aus den Balkanstaaten untergebracht. Menschen aus sicheren Herkunftsländern, die in Deutschland arbeiten wollen und sich hier mehr Zukunftschancen ausrechnen als in ihrer Heimat. Einer der Flüchtlinge aus dem Kosovo sagt enttäuscht, dass es ihm nicht um Asyl geht, sondern nur um Arbeit. Er will freiwillig nach Hause zurückkehren. Die Zentrale Ausländerbehörde auf dem Gelände koordiniert die Rückführung. 265 Personen wurden seit September abgeschoben, 520 sind freiwillig ausgereist. 70 Migranten sind untergetaucht, wohin weiß keiner.
Dieser Familienvater aus Montenegro klingt auch desillusioniert, obwohl er die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat:
"Ja keine Ahnung, die Leute sagen, es müssen alle auf den Balkan zurück, ich will einfach nur hinbleiben, will arbeiten, Wohnung allein bezahlen."
Vor fünf Monaten kam er mit Frau und drei Kindern nach Deutschland. Die beiden Mädchen mit 17 und 18 Jahren gingen kurzzeitig in die Schule, seit sie in Manching sind, gibt es kein Recht mehr auf Schulbesuch oder Kindergarten. Noch einer der Gründe für die Ankunfts- und Rückführungseinrichtungen: Man spart sich die Kosten für die Betreuung der Minderjährigen:
"Warum bin ich hergekommen? In meinem Land ist es schlecht für Arbeit, schlecht für Kinder, keine Arbeit, schlechte Schule, ist hier besser für Kinder. Wir wollen hierbleiben, die Kinder die Schule fertig machen."
Doch die Bewohner der alten Kaserne von Manching haben kein Recht auf Ausbildung, kein Recht auf Sprach- oder Integrationskurse. Wer hier landet, wartet nur noch auf die Abschiebung.