"Tristan und Isolde" in Bayreuth
Liebeswund: Tristan (Stephen Gould) wird von Blitzen der Leidenschaft getroffen. © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath
Paare und Passanten im Videogeflimmer
07:19 Minuten
Mit Richard Wagners Liebesdrama "Tristan und Isolde" eröffnen die Bayreuther Festspiele. Das Publikum feiert Roland Schwabs Inszenierung. Doch Kritiker Jörn Florian Fuchs ist enttäuscht von viel Dekor und verbrauchten Gesten.
Nimmt man die Publikumsreaktionen als Maßstab, so war dies möglicherweise die beste Premiere der Saison. Nach jedem Aufzug herrschte Jubel, Trubel und Fußgetrampel. Am Ende gab es kein Halten mehr, noch in die letzten Töne hinein begann das Klatschen.
Wer ganz genau hinhörte, erkannte vielleicht einige wenige Buhs für den Tristan-Tenor Stephen Gould, aber es waren möglicherweise nur missverstandene Jubelrufe. Handelt es tatsächlich bei dieser Bayreuther Festspieleröffnung um eine Sensation?
Solide Stimmen, verschliffene Texte
Eher weniger. Geboten wird eine Sängerbesetzung, die im Großen und Ganzen solide ist. Erwähnter Stephen Gould schmettert eindrucksvoll eindringliche Kantilenen, die oft messerscharf beginnen und manchmal wabbelig-tremolierend enden.
Catherine Foster verkörpert eine vokal wie gestisch fast ständig unter Starkstrom stehende Isolde, mit einschlägigen Trompetentönen, die leider öfters ins Scharfe oder – freundlicher formuliert – Überakzentuierte gehen. Den Text versteht man praktisch nicht, wie solch gestandenen Künstlern plötzlich ihre Gabe zu deutlicher deutscher Diktion abhandengekommen ist, bleibt ein Rätsel.
Die kleinen, feinen Partien sind exzellent besetzt, vor allem mit Georg Zeppenfeld als König Marke und Markus Eiche als Kurwenal. Was dem recht kurzfristig eingesprungenen Dirigenten Markus Poschner gelingt, ist eine sehr gute Verzahnung zwischen Graben und Bühne.
Es ist ein Sturm-und-Drang-Konzept, das Poschner da umsetzt und auch Regisseur Roland Schwab zeigt viel Aufgepeitschtes im Innenleben der Protagonisten. Nur verliert sich die Inszenierung leider häufig im Händeringen und verzweifelt am Bodenliegen oder Augenrollen – muffige Standardgesten aus alten, schlechten Opernzeiten.
Wellen, Blut und weißes Rauschen
Hinzu kommt eine über drei Aufzüge hinweg dann doch nervende Bühne (Piero Vinciguerra). Oben sind Wolkenprojektionen oder ein Sternenhimmel, unten sieht man Wasser, Wellen, Blut, sich drehende Kreisel, weißes Rauschen – je nach Stimmung und Situation im Stück. Das bleibt alles Dekor und wirkt in seiner einhämmernden Wiederholung unangenehm aufdringlich.
Zwei Ideen hat die Regie – und eine trifft. Tristan wird bei der Begegnung mit Isolde quasi vom Blitz getroffen, er trägt eine Art Brandwunde (auf seinem T-Shirt), Melot muss ihn später gar nicht mehr verletzen, Eros tat beziehungsweise tut hier die Arbeit von ganz allein. Die zweite Sache: Am Anfang sieht man, während des Vorspiels, ein junges verträumtes Paar. Später läuft ein älteres durch die Szenerie und zum Schluss von Isoldes Liebestod schleppt sich ganz langsam ein Greisenpaar in Richtung Publikum.
Schaulaufen der Prominenz
Dies mag als Hoffnungsschimmer zu deuten sein, es gibt eben auch Paare, deren Liebe bis ins hohe Alter hält. Allerdings, und gerade davon erzählt ja Wagners Oper, für Tristan und Isolde gilt das nun gerade nicht. So bleibt dieser Bayreuther Auftakt eine eher mittelmäßige Angelegenheit mit ein paar schönen Momenten, keinerlei Provokationspotential, wenig Denkaufgaben.
Eine leichte Spannung gab es indes, als der bayerische Ministerpräsident Markus Söder nebst Gattin ins Blitzlichtgewitter der Adabei-Presse tauchen wollte und ausgerechnet in diesem Moment die Gottschalks erschienen. Und schwupps waren die Kameras auf den unverwüstlichen Entertainer und seine Frau gerichtet. Allen vieren hat der Abend übrigens, wie später zu hören war, außerordentlich gut gefallen. Na denn!