Bayrischer Bierzelt-Rhetor
Gehasst und verehrt, vergöttert und verflucht: Franz Josef Strauß war wohl der umstrittenste Politiker der alten Bundesrepublik. Ein genialer Rhetoriker, ein Kommunistenfresser, ein skrupelloser Taktiker, der sich als Verteidigungsminister, Finanzminister und später als bayerischer Ministerpräsident legendäre Rededuelle mit seinen politischen Gegnern geliefert hat. Diesen Franz Josef Strauß muss man im Original hören – und das kann man jetzt ausführlich auf einer Doppel-CD.
"Mich können Sie nicht stoppen, ich bin da!"
"Ich bin dafür bekannt, dass ich das sage, was ich denke, und dass ich auch denke, was ich sage."
"Das sind doch alle diese Verbrecher und Hundsfotte und Volksverhetzer, die außerhalb der Reihen der CDU ihr Unwesen treiben!"
"Ich kenne die Sprache des Volkes, ich kenne die Mentalität und die Psychologie der breiten Schichten, weil das meine Natur ist. Weil das meine Herkunft ist."
Viele solcher Mosaiksteine fügen sich im Laufe des zweieinhalb Stunden-Porträts zu einem facettenreichen Bild des Vollblut-Politikers Franz Josef Strauß. Als Redner etwa nötigte er seinerzeit sogar seinem lebenslangen Widersacher Helmut Schmidt Respekt ab:
"Es gibt Naturtalente, so wie Franz Josef Strauß, die werden wahrscheinlich schon als Redner geboren, weiß ich nich."
Und der große bayerische Kabarettist Gerhart Polt, wahrlich kein Strauß-Anhänger, befindet:
"Der war ein klassischer Tribun, ich sag bewusst nicht Demagoge, sondern Tribun,er war ein Rhetor, er war ein Redner."
Und der hatte eigentlich nur in Herbert Wehner einen ebenbürtigen Gegner. Dessen Debattenbeiträge gehören zu den Highlights dieses Hörbuchs:
"Der Strauß ist geistig ein Terrorist, hab ich gesagt!"
Die "Ära Strauß" knapp ein Vierteljahrhundert nach dessen Tod so dramatisch vorgeführt zu bekommen, hat seinen Reiz und erklärt auch, warum manch einer diesem Mann und seiner Zeit nachtrauert: soviel Aufbruch und politische Reibung war nie - und soviel Volksnähe auch nicht:
"Franz Strauß, genannt Dr. Franz Josef Strauß, bahnt sich, den massigen Schädel zwischen hochgezogenen Schultern nach vorn gereckt, mit kurzen Schritten den Weg zum Podium. Schilderte der Spiegel den Einzug des Parteivorsitzenden und seiner Entourage in den Wolferstätter Keller in Vilshofen, wo bis 1974 der politische Aschermittwoch der CSU stattfand."
Gert Heidenreich, Sprecher und Journalist, der selbst über Strauß gearbeitet hat, führt kenntnisreich und engagiert durch die gut 150 Minuten mit dem - laut "SZ" - "politischen Tier". Autor Jürgen Roth hat dessen häufig rabiate Anwürfe gegen den vermeintlichen "Feind" in Bierzelten und Bundestagsdebatten, jede Menge, oft entlarvende, Selbstzeugnisse sowie Statements unterschiedlichster Zeitgenossen zu diesem Hörbild verarbeitet - musikalisch übrigens trefflich akzentuiert, informativ und gelegentlich sogar überraschend: 1937 nämlich trat Strauß dem NS-Studentenbund bei - die Dokumente liegen wohlverwahrt im Straußschen Familientresor. Nach 1945 jedoch wollte Strauß nichts mehr davon wissen, gerierte sich später gar als "Verfolgter" und beschimpfte Wiederbewaffnungsgegner lautstark in schönster Demagogie:
"Ihr wärt die besten Schüler von Dr. Josef Goebbels gewesen, ihr wärt die besten Anhänger Heinrich Himmlers gewesen, ihr seid die besten Nazis, die es je gegeben hat!"
Eindrucksvoll arbeitet Jürgen Roth die prägnantesten Eigenschaften des Politikers heraus. Sein Machtbewusstsein, zum Beispiel:
"Dass es für mich nicht wesentlich ist, wer unter mir Bundeskanzler ist."
- seine Hybris,
"Das schönste Amt, das ein Politiker in Europa haben kann, ist das Amt des Bayerischen Ministerpräsidenten."
- seinen Opportunismus:
"Wir sind ja so flexibel, dass wir sowohl für wie gegen dieselbe Sache eintreten können, je nachdem, wie es die politische Lage erfordert."
- seine Rote-Socken-Paranoia:
"Sozi hoaßns, Kommunisten sans - die gehören weg!"
Es sind die Jahre des Aufbaus und des Kalten Krieges unter den Kanzlern Adenauer, Schmidt und Kohl - und eben jenem mächtigen CSU-Mann Franz Josef Strauß als Bundesminister wichtiger Ressorts und schließlich als bayerischer Ministerpräsident. Er machte aus dem Agrarland Bayern einen Industrie- und Hightech-Standort, das haben ihm die Leute nie vergessen. Die Kehrseite der Medaille: Die "Ära Strauß" wurde sprichwörtlich auch durch zahllose Korruptions- und andere Affären - "Spiegel", Fibag, Starfighter. Geschadet hat ihm das im Mia-san-mia- und bist-a-Hund-Bayern nicht. Strauß war beliebt und sprach dem Volk aus dem Maul, wenn er gegen "Bolschewiken" und linke "Ratten und Schmeißfliegen" wetterte:
"Lieber Gott, hilf mir bitte, mein großes Maul zu halten, wenigstens so lange, bis ich genau weiß, über was ich rede!"
Besprochen von Sigrid Menzinger
Hörbuch
Franz Josef Strauß - "Mich können Sie nicht stoppen, ich bin da!" - ein Porträt in Originaltönen
Autor: Jürgen Roth, Der Interviewte: Gerhart Polt, Sprecher: Gert Heidenreich, Musik: "Fünferl"
2 CDs - Laufzeit 156 Minuten
Antje Kunstmann Verlag, München 2012
"Ich bin dafür bekannt, dass ich das sage, was ich denke, und dass ich auch denke, was ich sage."
"Das sind doch alle diese Verbrecher und Hundsfotte und Volksverhetzer, die außerhalb der Reihen der CDU ihr Unwesen treiben!"
"Ich kenne die Sprache des Volkes, ich kenne die Mentalität und die Psychologie der breiten Schichten, weil das meine Natur ist. Weil das meine Herkunft ist."
Viele solcher Mosaiksteine fügen sich im Laufe des zweieinhalb Stunden-Porträts zu einem facettenreichen Bild des Vollblut-Politikers Franz Josef Strauß. Als Redner etwa nötigte er seinerzeit sogar seinem lebenslangen Widersacher Helmut Schmidt Respekt ab:
"Es gibt Naturtalente, so wie Franz Josef Strauß, die werden wahrscheinlich schon als Redner geboren, weiß ich nich."
Und der große bayerische Kabarettist Gerhart Polt, wahrlich kein Strauß-Anhänger, befindet:
"Der war ein klassischer Tribun, ich sag bewusst nicht Demagoge, sondern Tribun,er war ein Rhetor, er war ein Redner."
Und der hatte eigentlich nur in Herbert Wehner einen ebenbürtigen Gegner. Dessen Debattenbeiträge gehören zu den Highlights dieses Hörbuchs:
"Der Strauß ist geistig ein Terrorist, hab ich gesagt!"
Die "Ära Strauß" knapp ein Vierteljahrhundert nach dessen Tod so dramatisch vorgeführt zu bekommen, hat seinen Reiz und erklärt auch, warum manch einer diesem Mann und seiner Zeit nachtrauert: soviel Aufbruch und politische Reibung war nie - und soviel Volksnähe auch nicht:
"Franz Strauß, genannt Dr. Franz Josef Strauß, bahnt sich, den massigen Schädel zwischen hochgezogenen Schultern nach vorn gereckt, mit kurzen Schritten den Weg zum Podium. Schilderte der Spiegel den Einzug des Parteivorsitzenden und seiner Entourage in den Wolferstätter Keller in Vilshofen, wo bis 1974 der politische Aschermittwoch der CSU stattfand."
Gert Heidenreich, Sprecher und Journalist, der selbst über Strauß gearbeitet hat, führt kenntnisreich und engagiert durch die gut 150 Minuten mit dem - laut "SZ" - "politischen Tier". Autor Jürgen Roth hat dessen häufig rabiate Anwürfe gegen den vermeintlichen "Feind" in Bierzelten und Bundestagsdebatten, jede Menge, oft entlarvende, Selbstzeugnisse sowie Statements unterschiedlichster Zeitgenossen zu diesem Hörbild verarbeitet - musikalisch übrigens trefflich akzentuiert, informativ und gelegentlich sogar überraschend: 1937 nämlich trat Strauß dem NS-Studentenbund bei - die Dokumente liegen wohlverwahrt im Straußschen Familientresor. Nach 1945 jedoch wollte Strauß nichts mehr davon wissen, gerierte sich später gar als "Verfolgter" und beschimpfte Wiederbewaffnungsgegner lautstark in schönster Demagogie:
"Ihr wärt die besten Schüler von Dr. Josef Goebbels gewesen, ihr wärt die besten Anhänger Heinrich Himmlers gewesen, ihr seid die besten Nazis, die es je gegeben hat!"
Eindrucksvoll arbeitet Jürgen Roth die prägnantesten Eigenschaften des Politikers heraus. Sein Machtbewusstsein, zum Beispiel:
"Dass es für mich nicht wesentlich ist, wer unter mir Bundeskanzler ist."
- seine Hybris,
"Das schönste Amt, das ein Politiker in Europa haben kann, ist das Amt des Bayerischen Ministerpräsidenten."
- seinen Opportunismus:
"Wir sind ja so flexibel, dass wir sowohl für wie gegen dieselbe Sache eintreten können, je nachdem, wie es die politische Lage erfordert."
- seine Rote-Socken-Paranoia:
"Sozi hoaßns, Kommunisten sans - die gehören weg!"
Es sind die Jahre des Aufbaus und des Kalten Krieges unter den Kanzlern Adenauer, Schmidt und Kohl - und eben jenem mächtigen CSU-Mann Franz Josef Strauß als Bundesminister wichtiger Ressorts und schließlich als bayerischer Ministerpräsident. Er machte aus dem Agrarland Bayern einen Industrie- und Hightech-Standort, das haben ihm die Leute nie vergessen. Die Kehrseite der Medaille: Die "Ära Strauß" wurde sprichwörtlich auch durch zahllose Korruptions- und andere Affären - "Spiegel", Fibag, Starfighter. Geschadet hat ihm das im Mia-san-mia- und bist-a-Hund-Bayern nicht. Strauß war beliebt und sprach dem Volk aus dem Maul, wenn er gegen "Bolschewiken" und linke "Ratten und Schmeißfliegen" wetterte:
"Lieber Gott, hilf mir bitte, mein großes Maul zu halten, wenigstens so lange, bis ich genau weiß, über was ich rede!"
Besprochen von Sigrid Menzinger
Hörbuch
Franz Josef Strauß - "Mich können Sie nicht stoppen, ich bin da!" - ein Porträt in Originaltönen
Autor: Jürgen Roth, Der Interviewte: Gerhart Polt, Sprecher: Gert Heidenreich, Musik: "Fünferl"
2 CDs - Laufzeit 156 Minuten
Antje Kunstmann Verlag, München 2012