Trotz alledem
Vor fünfzehn Jahren nahm in Weimar alles seinen Anfang – heute ist dieses Jugendorchester weltweiter Botschafter und Hoffnungsschimmer. Das West-Eastern-Divan-Orchestra: Junge Menschen aus dem Nahen Osten können und wollen anderes als Hass und Krieg.
Fast jedes Jahr spielten die Musikerinnen und Musiker aus Ägypten, Israel, Palästina, Syrien, Libanon, Jordanien, Iran, Türkei, Spanien und Deutschland unter dem Eindruck von Gewalt, Terror und politischer Hoffnungslosigkeit. Das aktuelle Jubiläumsjahr 2014 macht keine Ausnahme.
Jubiläumsjahr 2014
Die Schüler, Studenten und Jungprofis haben gelernt, ihre unterschiedlichen Ansichten offen auszusprechen. Es kommt unter den Mitgliedern zu Debatten, doch nie zu Auseinandersetzungen. Denn es gibt etwas Gemeinsames – den Orchesterklang unter der Leitung von Daniel Barenboim. Wer einen hochkomplexen Akkord sauber hinbekommen möchte, kann sich nicht um religiöse oder kulturelle Unterschiede kümmern. Beim Divan-Orchestra zählt das Verbindende.
Musik verbindet
Es ist das Gefühl, dass Musik eine eigene Kraft hat - dass Kultur Verbindungen aufzeigen und miteinander ins Gespräch bringen kann - dass etwas wächst, was die Politiker der Herkunftsregion der allermeisten Ensemblemitglieder nicht zustanden bringen: Eine Kraft, die verbindet.
Sommer in Argentinien und Europa
Auch dieses Jahr haben die jungen Musikerinnen und Musiker zwei Wochen geprobt, um anschließend auf Welttournee zu gehen. Den Sommer haben sie in Argentinien verbracht – einige Auftritte in Südamerika standen am Anfang – ein Konzert im Teatro Colon in Buenos Aires zusammen mit Martha Argerich – ein triumphales Heimspiel der Pianistin und des Dirigenten Daniel Barenboim, die beide dort geboren wurden - zusammen mit diesem ganz besonderen Jugendorchester. Anschließend folgen Gastspiele bei großen europäischen Festivals wie Luzern, London und Salzburg, bevor die Sommertour mit einem Konzert in der Berliner Waldbühne endet.
Orchester im Exil
Das Konzert vom 20. August bei den Londoner Proms brachte die neue Divan-typische Mischung. Die bevorzugt Daniel Barenboim in den letzten Jahren, nachdem er in den Anfangsjahren zunächst Klassiker und Klassiker der europäischen Moderne programmiert hatte. Nun gibt es auch zeitgenössische Musik von Künstlern aus der Region, in die das Divan-Orchestra leider nicht mehr reisen kann (und nur zweimal überhaupt gereist ist, vor allem zu dem legendären Ramallah-Konzert vor neun Jahren).
Kareem Roustom und Ayal Adler
Dieses Jahr ergingen Werkaufträge an den syrisch-amerikanischen Künstler Kareem Roustom und den Israeli Ayal Adler. Der Abend beginnt mit einer Mozart-Ouvertüre, denn an der wirklich klassischen Musik wird noch jedes Orchester geschult. Die zweite Hälfte gehört ganz der Musik von Maurice Ravel. Im Prinzip besteht bringen alle vier Werke Ravels, die die orientalischen Musikerinnen und Musiker spielen, aus spanischer Tanzmusik. Für Maurice Ravel war die iberische Musikkultur ungemein inspirierend. In der andalusischen Koexistenz der Religionen auf spanischem Boden zur Zeit des Mittelalters finden ja heute noch all die Hoffnungen Zuflucht, die für die Menschen im Nahen Osten etwas Besseres als permanenten Krieg wünschen. Etwas Besseres als Verzweiflung findet sich nicht zuletzt in der Musik, sei sie auch noch so populär wie das Schlussstück des Abends, Ravels Bolero.
BBC Proms
Royal Albert Hall, London
Aufzeichnung vom 20.08.2014
Wolfgang Amadeus Mozart
Ouvertüre zu "Die Hochzeit des Figaro"
Kareem Roustom
Ramal
Ayal Adler
Resonating Sounds
ca. 20.45 Uhr Konzertpause
"Ihr seid vielleicht Feinde, aber Ihr seid Euch so ähnlich" -
Vor 15 Jahren gründeten Daniel Barenboim und Edward Said das West Eastern Divan Orchestra in Weimar.
Ein Rückblick von Volker Michael
Maurice Ravel
Rapsodie espagnole
Alborada del gracioso
Pavane pour une infante défunte
Boléro
West Eastern Divan Orchestra
Leitung: Daniel Barenboim