"Beastie Boys Story - Live Documentary"
Regie: Spike Jonze
Ab 24. April auf Apple TV+
Über drei jüdische Jungs, die mehr als Party gemacht haben
07:47 Minuten
Ur-Partner Spike Jonze hat eine Band-Doku sui generis gedreht: Die beiden noch lebenden Mitglieder der Beastie Boys blicken – auf einer Bühne, vor Publikum – zurück auf die Geschichte der Band. Hip-Hop-Experte Fabian Wolff sagt, inwieweit das funktioniert.
Andreas Müller: Kaum eine Gruppe hat den Hiphop so geprägt wie die Beastie Boys: Die drei jüdischen Jungs aus New York haben in den Achtzigerjahren nicht nur in Sachen Sampling und Humor neue Maßstäbe im Genre gesetzt, sie waren auch die ersten weißen Rapper, die ernst genommen wurden. Zudem hat die Band nicht nur musikalisch, sondern auch visuell ihre Spuren hinterlassen – der Clip zur Single "Sabotage", gedreht von Spike Jonze, gilt als einer der einflussreichsten in der Geschichte des Musikvideos.
Im Video zu "Sabotage" treten die Beastie Boys im Stil der Siebzigerjahre mit Schnauzer und Koteletten auf und parodieren alte amerikanische Cop-Serien. Inzwischen ist Regisseur Spike Jonze ein erfolgreicher Spielfilmregisseur, und die Beastie Boys haben sich nach dem Tod von Mitglied Adam Yauch als Musikgruppe aufgelöst.
Wieder mit Ur-Partner Spike Jonze
Jetzt kommen sie, Spike Jonze und die Beasties, noch einmal zusammen, um in der Dokumentation "Beastie Boys Story" die Geschichte der Band Revue passieren zu lassen. Ab morgen ist sie auf Apple TV+ zu sehen, Hip-Hop-Experte Fabian Wolff hat sie sich schon einmal angeschaut. Die Doku will die "Beastie Boys Story" erzählen, deswegen vielleicht zu Beginn ein paar Eckdaten zu dieser Story: Wie sah der Weg der Beastie Boys denn aus?
Fabian Wolff: Dieser Weg begann natürlich in New York, Anfang der Achtziger, damals noch als Punkband und mit Kate Schellenberg als Schlagzeugerin. Die hat dann irgendwann die Band verlassen, bevor es zu diesem Genrewechsel zum Rap kam. Mike Diamond, Adam Yauch und Adam Horovitz waren dann zu dritt und als Beastie Boys waren sie eben übertrieben jungshaft, übertrieben laut und rüpelhaft und schreckten dabei auch vor sexistischen und homophoben Sprüchen nicht zurück. Das war ironisch gemeint, zog aber genau das weiße Macker-Publikum an, das eigentlich parodiert werden sollte. Mike Diamond kommentiert das im Film mit "Wir waren jung und wollten geliebt werden". Schon diese dumpfen Partytracks wie "Fight For Your Right To Party" waren handwerklich exzellent. Mit dem Meisterwerk "Paul's Boutique", das mit mehr als einhundert Samples arbeitet, war der Weg zum ernsthaften und trotzdem humorvollem Kunst-Hip-Hop, den sie machen wollten, komplett – auch wenn sich an dem quäkigen Flow, den die drei halt haben, nichts geändert hat. Die Neunziger und Nullerjahre verbrachten die Beasties dann außerhalb oder parallel zum Hip-Hop: Sie wurden älter, was sich auch durchaus positiv in der Musik widerspiegelte, und eigentlich hätte es noch lange so weitergehen können, bis Adam Yauch 2012 gestorben ist und damit endete die Geschichte der Beastie Boys als Musiker.
Manchmal wie ein TED-Talk
Müller: Trotzdem treten die beiden anderen, also Adam Horovitz und Mike Diamond, noch in der Öffentlichkeit auf. Im vergangenen Jahr veröffentlichten sie die "Beastie Boys Story" als Buch. Jetzt gibt es den Film dazu mit dem Untertitel "Live Documentary" – also "Live Dokumentation". Was soll das sein?
Wolff: Diese Dokumentation besteht aus einer im Grunde Two-Man-Show, bei der Diamond und Horovitz in Brooklyn auf einer Theaterbühne stehen, vor Publikum, und die Geschichte der Band erzählen, begleitet von Clips, Bildern und Musik, die eingespielt werden. Diese "Beastie Boy Story" als Buch war ja auch keine klassische Musikmemoiren-Sammlung, sondern eine Sammlung von Essays und kommentiertem Archiv, was auch sehr gut funktioniert hat. Und diese Doku soll auch keine klassische Musikdoku sein wie man sie kennt, mit Interviews und Montage-Sequenzen, sondern etwas anders. Ehrlich gesagt, funktioniert das als Film nicht so gut, es ist fast ein bisschen peinlich: Es wirkt manchmal wie ein langer TED-Talk, also diese Youtube-Clips, wo jemand vor Publikum in zehn Minuten die Welt erklären möchte. Die Gags, die sich die beiden überlegt haben, zünden auch nicht immer, manche dramaturgischen Akzente sind ein bisschen zu platt und ein bisschen zu offensichtlich. Trotzdem gibt es auch immer wieder Momente, in denen eben durch diese merkwürdige Form eine besondere Intensität erreicht wird, die es vielleicht sonst nicht gegeben hätte: Wenn zum Beispiel Adam Horovitz kurz die Tränen kommen, wenn er über Leute spricht, die nicht mehr in seinem Leben sind; oder wenn sie sich an das letzte gemeinsame Konzert erinnern.
Beastie Boys als Brücke
Müller: Die Anfänge der Band sind ja das New York der Siebziger und der Achtziger, ein legendärer Ort, an dem Hip-Hop entstand und wuchs. Diese Entstehung wird ja seit einigen Jahren in vielen Dokumentationen, Filmen und Serien erzählt. Woher kommt diese Nostalgie, und bedient die "Beastie Boys Story" die auch?
Wolff: Das ist ja wirklich so ein Mythos: Hip-Hop – geboren aus den Flammen der brennenden Bronx, zwischen urbanem Verfall, Rassismus und verzweifelter Kreativität. Auch diese Verbindung von Street Kids und der Kunstszene in Downtown. Im Zuge der #BlackLivesMatter-Bewegung gab es im amerikanischen Entertainment und in den amerikanischen Medien ein neues historisches Bewusstsein für die Geschichte von Ausgrenzung, und Hip-Hop hat sich natürlich besonders dafür geeignet, diese Kontinuitäten von Rassismus und Polizeigewalt und Armut zu erzählen. Das ist nun gerade nicht die Geschichte der Beastie Boys, die ja drei jüdischen Jungs aus der Mittelschicht sind. Sie sind vielleicht eher die Brücke zwischen diesen rauen Siebzigern und dem Hedonismus der Achtziger – dafür steht vielleicht auch, dass sie immerhin die Vorgruppe für Madonna Mitte der Achtziger waren. Wegen der Monologform können solche historischen Bögen in ihrer Geschichte eher schwer aufgezeigt werden, aber sie sind trotzdem irgendwie präsent und fühlbar, und sei es eben durch so einen nostalgischen Effekt von Archivaufnahmen, die gespielt werden.
Kompliziertes Erbe
Müller: Musik machen die Beastie Boys, wenigstens unter diesem Namen, nicht mehr. Die Doku ist vielleicht auch so etwas wie ein Abschluss. Was bleibt von ihnen?
Wolff: Ich finde, ihr Erbe ist kompliziert. Die Musik funktioniert immer noch, auch wenn die späten Alben wenig damit zu tun haben, was sonst gerade im Genre Hip-Hop los war. Sie haben auch das Skript für alle glaubhaften weißen Rapper geschrieben, die nach ihnen kamen. Sie sind auch das erklärte Vorbild für Eminem, der sich auch an diesem quäkigen Flow orientiert hat. Da fangen die Probleme aber schon an, denn auch Eminem hat diese homophoben und misogynen Zeilen wie die Beastie Boys in den Achtzigern. Manche Leute sagen sogar, es waren die Beastie Boys, die die Homophobie erst groß in den Rap gebracht hätten. In der Doku gibt es den sehr bezeichnenden Moment, in dem der Musikproduzent Rick Rubin das erste Mal erwähnt wird – das Publikum applaudiert, weil das eine Musiklegen ist; kurze Zeit später wird sein eigentlich ebenso legendärer Partner Russell Simmons das erste Mal erwähnt – und dann schweigt das Publikum aber, denn Simmons wurde inzwischen mehrfach Vergewaltigung vorgeworfen. Die Beastie Boys, das ist ganz wichtig zu betonen, haben all das reflektiert: Sie haben sich für die Homophobie und Sexismus in ihren früheren Auftritten mehrfach entschuldigt. Adam Horovitz hat sich sogar von seinem Vater, dem Bühnenautor Israel Horovitz losgesagt, weil mehrere Frauen diesem sexuelle Belästigung und Übergriffe vorgeworfen haben. Nur in der Bühnenshow ist – auch da wieder vielleicht wegen dieser Nostalgie – dafür kein Platz. Deswegen entzaubert die Doku eigentlich den Mythos der Beastie Boys, ein bisschen zu sehr vielleicht, gerade, weil die Doku diesen Mythos vor allem feiern möchte.