Die ganze Sendung mit Zafer Şenocak können sie hier hören:
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Prozess ohne Heilung
Der NSU-Prozess ist bei den Plädoyers angelangt. Was wird vom Prozess bleiben, außer einem Urteil? Der Schriftsteller Zafer Şenocak ist mit Blick auf die türkischstämmige Bevölkerung skeptisch: Versöhnung sei nicht zu erwarten.
Im NSU-Prozess hat die Anklage heute ihr insgesamt 22-stündiges Plädoyer fortgesetzt. Der Schriftsteller Zafer Şenocak verfolgt die Geschehnisse im Gerichtssaal in München mit gemischten Gefühlen. Im Deutschlandfunk Kultur sagte er mit Blick auf die türkischstämmige Bevölkerung in Deutschland, er fürchte, der Prozess werde nicht heilend und versöhnend wirken: "Eher im Gegenteil."
Leider werde das zu wenig wahrgenommen, sagte Şenocak. Es gehe nicht um die Gerichtsverhandlung selbst, sondern eher um das "ganze Drumherum". Das habe bei den Deutschtürken - "vorsichtig formuliert" - mehrheitlich Skepsis ausgelöst. Das sei tragisch, denn für diese sei das deutsche Recht und der Rechtsstaat immer ein Symbol gewesen.
"Die Menschen schätzen das, dass in Deutschland Recht geschützt ist, und dass die Menschen geschützt sind. Und in diesem Fall waren die Menschen eben nicht geschützt."
"Diese Denkweise muss weg"
Problematisch sei zudem gewesen, dass am Anfang Migranten für die Täter gehalten worden seien: "Das ist die Verletzung", sagte Şenocak: "Diese Denkweise, die Denkstruktur, die muss weg. Und die sorgt für böses Blut."
Das Gericht selbst befinde sich hingegen nicht "im Mittelpunkt des Argwohns". Nach Şenocak muss es in Politik und Gesellschaft noch weitere Anstrengungen geben, den NSU-Komplex aufzuarbeiten. Bei einer solchen Gewalt gegenüber Menschen, die einfach nur eine fremde Herkunft hätten, reiche ihm der Begriff "Rassismus" nicht, betonte der Schriftsteller. (ahe)