Beatles-Song markiert ein "neues Zeitalter des Kreativen"
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Fast 43 Jahre nach dem Tod von John Lennon lässt Künstliche Intelligenz seine Stimme in dem neuen Beatles-Song "Now and Then" erklingen. Angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten sei das "total logisch", sagt Musik-KI-Experte Matthias Röder.
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Musik oder anderen Bereichen der Kunst war wohl schon immer umstritten. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es dabei oft um Fragen des Urheber- und des Persönlichkeitsrechts geht. Bei der Veröffentlichung des Songs "Now and Then" der Beatles liegt die Sache aber anders, wie Matthias Röder, Direktor des Karajan-Instituts in Salzburg und Projektleiter der Beethoven-KI, erklärt.
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KI als Werkzeug im künstlerischen Schaffensprozess"
"Was man bei dem neuen Beatles- Song sehen kann, ist, dass KI ein Werkzeug ist, das von Künstlern eingesetzt wird. Hier ist also wirklich jede Note, die in dem Song zu hören ist, von Menschen gemacht, von den Künstlern, den Beteiligten", erläutert Röder. Die KI sei dabei ein Werkzeug, das das Archivmaterial entsprechend vorbereitet habe, damit man heute damit kreativ arbeiten könne. Hier werde die KI als künstlerisches Werkzeug im Schaffensprozess eingesetzt.
Es sei also auch nicht zu vergleichen etwa mit dem im Internet veröffentlichten Song, der angeblich von Drake und The Weeknd stammte, wobei aber eine KI nur eingesetzt wurde, um die Stimmen der beiden zu imitieren.
Rohmaterial war eine Kasettenaufnahme von John Lennon
Der jetzt veröffentlichte Beatles-Song "Now and Then" basiert auf einer Idee von John Lennon, die dieser zu Hause mit einem Kasettenrekorder aufgenommen und sich dabei am Klavier selbst begleitet habe, erklärt Röder. Und bei dieser Tonaufnahme waren Klavier und Gesang miteinander vermischt und das auch nicht ideal. Deswegen wollte man dieses Material so bearbeiten, dass die Stimme und das Klavier einzeln zu hören sind. Da gab es schon in der Vergangenheit andere Technologien, die das möglich machten. "Aber jetzt, mit Hilfe der KI, ist noch mal ein anderes Level an Qualität erreicht", sagt Röder.
In einem Youtube-Video zur Entstehung des Songs erklären die beiden überlebenden Beatles, Paul McCartney und Ringo Starr, auch, warum sie das damals mit diesem Song nicht gemacht haben. Zwei andere Song-Ideen aus dem Nachlass von John Lennon, „Free as a Bird“ und „Real Love“, die ihnen von Lennons Witwe Joko Ono übergeben worden waren, wurden in den 90er-Jahren schon neu abgemischt und veröffentlicht.
Kommt jetzt eine Welle alter Demoaufnahmen?
Skeptiker sehen jetzt schon eine Welle von Neuveröffentlichungen auf die Musikszene zurollen, bei der eigentlich unbrauchbare Demoaufnahmen von Prince, Elvis oder Janis Joplin mit Hilfe der KI doch wieder zum Leben erweckt werden.
Künstler hätten sich schon immer ihre Archivaufnahmen wieder angehört und überlegt, was davon genutzt werden könnte, sagt Röder. Technologie könne dabei helfen, das Material zu sichten, zu sortieren, qualitativ aufzubereiten und Projekte, die liegen geblieben sind, fortzuführen. "Das ist im Grunde genommen nichts Neues."
Wenn sich eine Künstlerin oder einer Künstler mit einer Idee befasst habe und sie nicht zu Ende bringen konnte, dann bleibe da immer so ein Fragezeichen. Und das aufzulösen, liegt, glaube ich, in der Natur der Künstler. Und insofern ist das, was jetzt hier mit dem Beatles-Song passiert, total logisch.
Alte Werke neu interpretiert
Wenn alte Musik neu interpretiert werde, "dann tun wir genau das, was Musiker schon immer getan haben", sagt Röder. Musik ist ja nicht in einem Museum und kann nicht mehr angegriffen werden, sondern das Besondere an der Musik ist, dass sie in den Interpretationen der Nachwelt weiterlebt. Die Werke von Beethoven, Bach, Mozart leben ja davon, dass Musiker sie immer wieder neu sehen, interpretieren und ihre eigene Idee hinzu geben. "Und das ist genau das, was die Beatles hier mit ihrer eigenen Musik gemacht haben."
Rechtliche Fragen durch die Nutzung von KI
"Spannend wird es, wenn wir die Technologien nutzen, um dann neue Musik daraus zu generieren", erklärt Röder. "Ich kann ja hingehen und den Gesang von John Lennon mit Hilfe einer solchen Technologie ganz sauber archivieren. Und darauf basiert dann eine KI entwickeln, die so wie er singt und Texte dichtet."
Aber wenn eine KI dann wirklich Neues auf der Grundlage alten Materials schafft, dann stellen sich gleich rechtliche Fragen. "Ich glaube, wenn die Technologien von den Bands selber benutzt werden, sollte es rechtlich keine Probleme geben", sagt Röder. Wenn die Technologie von Dritten verwendet wird, dann muss man natürlich ganz genau schauen. Das sind die Diskussionen, die jetzt geführt werden.
Aber es sei eine spannende Zeit. "Rein künstlerisch-kreativ würde ich sagen, stehen wir vor einem neuen Zeitalter des Kreativen." Die Nutzung dieser Technologien schaffe unglaublich neue künstlerische Möglichkeiten. Das gelte nicht für Bands mit einem ikonischen Status wie den Beatles, sondern auch für Künstler, die aktuell angesagt sind, die einfach die Technologien nutzen, um Ideen, die sie haben, besser und direkter umzusetzen.
deutschlandradio, gue