Ihr Kaninchen in Blau wurde ein Star
Einen Zoo von Kleintieren scharte sie um sich, um nicht einsam zu sein: Beatrix Potter, am 28. Juli 1866 im viktorianischen London geboren. Ihr Peter Rabbit, das vorwitzige Kaninchen mit der blauen Jacke, ist bis heute ein Klassiker der britischen Kinderliteratur.
Ein braunes Kaninchen mit blauer Jacke und winzigen Holzschuhen. Den Kopf zurückgelehnt, sitzt es aufrecht im Gemüsegarten und kaut an einem Rettich. Ganz schön kühn, dieser Peter Rabbit. Schließlich hat ihn die Mutter doch extra gewarnt.
"Geh nicht in Mr. MacGregors Garten; dein Vater hatte dort einen Unfall; er wurde von Mrs. McGregor zu einer Pastete verarbeitet." (aus Peter Rabbit)
Ganz schön kühn, diese Beatrix Potter! Verfasst ein Häschen-Kinderbuch, in dem die Hauptfiguren menschliche Züge besitzen. Doch gleich auf der ersten Seite deutet sie an, dass diese Häschen durchaus auch mal im Kochtopf landen.
"Kaninchen sind Geschöpfe von warmem, flatterhaftem Wesen, dabei oberflächlich und lächerlich durchschaubar. Gerade diesen Hauch von Natur finde ich an Mr. Benjamin Bunny so herrlich, wenngleich ich seine Gewöhnlichkeit freimütig einräume."
Beatrix Potter, geboren am 28. Juli 1866 in London, umgab sich ihr ganzes Leben lang mit Tieren. Doch keines liebte sie so sehr wie Benjamin Kaninchen. Sie führte ihn an der Leine im Krautgarten spazieren und setzte ihn auf den Esstisch, wo er gelegentlich einen Rappel bekam und Krüge und Teetassen umwarf. Hinterher, so notierte sie vergnügt in ihr Tagebuch, hatte er dann immer erkennbar ein schlechtes Gewissen:
"Er ist ein elender Feigling, aber auch ein selbstbewusstes Großmaul; kann unseren alten Hund mit seinem Blick aus der Fassung bringen und die Katze jagen, die schon die Flucht ergriffen hat."
Im England des 19. Jahrhunderts ist nichts verpönter als Gefühlsduselei. Beatrix Potter hat es gelernt, sich daran zu halten.
"Aufgewachsen als Tochter einer 'besseren Familie', fiel sie ganz strikt unter das Bild einer viktorianischen jungen Frau: Ihr Leben war dadurch bestimmt, dass sie sich selbst unterhielt, dass sie forschte, dass sie viel las - sie durfte ja nicht arbeiten."
Die Kinderbuchexpertin Roswitha Budeus-Budde:
"Und sie war nun ein sehr gescheites Kind, und sie war, glaube ich, sehr neugierig. In ihrer Einsamkeit hatte sie zuhause einen kleinen Zoo von Tieren, die sie beobachtet hat. Und diese Tier-Erlebnisse, die hat sie dann in Kindergeschichten verwandelt."
Den Anfang machte Potters Interesse für Pilze und Moose. Sie begann mit wissenschaftlichen Studien und fertigte dafür detailgetreue Bilder an, in denen sich bereits ihr großes Talent im Zeichnen und Malen offenbart.
Erfolg in geschäftlichen Dingen und als Farmerin
1901 dann erschien das erste eigene Büchlein: "The Tale of Peter Rabbit", ein Privatdruck mit einer Auflage von 250 Stück. Ein Jahr später kam bei Frederick Warne & Co. die erste "offizielle" Ausgabe heraus: die 8000 Exemplare waren bereits vergriffen, bevor sie überhaupt in den Handel kamen.
"Sie wusste von Anfang an, worauf es ankam beim Bücher-Verlegen. Man darf sich nicht zu billig verkaufen."
Potter, die sich laut Gesetz bei Vertragsabschlüssen immer noch von einem männlichen Vormund vertreten lassen musste, erwies sich in geschäftlichen Dingen als derart erfolgreich, dass sie sich 1905 einen Lebenstraum erfüllen konnte. Mit ihrem eigenen Geld kaufte sie eine Farm im Lake District, dessen einsam-malerische Landschaft ab nun den Hintergrund bildete für ihre insgesamt 23 Bücher.
Die frisch gebackene Farmerin engagierte sich im Umweltschutz, züchtete erfolgreich Schafe und lief bevorzugt in Holzschuhen und Tweedkleidern herum, angefertigt aus Wolle der eigenen Tiere.
Ihre Bücher wurden Klassiker und sie selbst eine der größten Grundbesitzerinnen der Gegend.
Bei ihrem Tod 1943 vermachte die 77-Jährige das gesamte Land dem National Trust. Und der hat den Besitz fast unverändert erhalten. So können Besucher dort noch heute eintauchen in die ganz reale Traumwelt der Beatrix Potter.
"Ihr großer Erfolg basiert darauf, dass die Kinder beim Lesen merken, das sind nicht so nette Häschen-Geschichten, sondern dahinter stecken beinharte, auch biologische Erfahrungen. Sie wollte eigentlich ihre eigenen Erlebnisse, ihre eigenen Empfindungen nochmal in die Geschichten einbringen. Weil sie gewusst hat, das gefällt den Kindern, das hat mir gefallen. Es hat ihr geholfen."