Beck: Atomausstieg muss nicht teuer werden
Vor dem Energiegipfel im Kanzleramt hat der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) hohe Kosten des Atomausstiegs angezweifelt. Kernenergie sei angesichts der Aufwendungen für die Endlagerung von Atommüll ein Zuschussgeschäft. Insofern könnten erneuerbare Energien zur Kostendämpfung beitragen.
André Hatting: Die Reaktorkatastrophe von Fukushima lässt die schwarz-gelbe Bundesregierung umdenken, jetzt will auch sie den Atomausstieg. Die große Frage ist nur, wie schnell geht das und zu welchem Preis? Die Energiekonzerne versprechen uns: Das wird teuer. Bundeskanzlerin Merkel gibt sich dagegen gelassen, erst mal eine Ethikkommission einsetzen; nächster Schritt: Bundesländer ins Boot holen. Heute will sie mit den Ministerpräsidenten über die geplante Energiewende sprechen. Am Telefon ist jetzt Kurt Beck, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. Guten Tag, Herr Beck!
Kurt Beck: Schönen guten Tag!
Hatting: Herr Beck, die Bundeskanzlerin setzt auf Konsens, aber schon beim Termin gibt's Ärger, Ihre Parteikollegin aus NRW, Hannelore Kraft, die musste absagen. Werden Sie denn zum Energiegipfel reisen?
Beck: Ich kann es leider auch nicht, obwohl die Bundesregierung wusste, dass an diesem Tag die Bundesgartenschau eröffnet wird, dass der Bundespräsident da ist, dass man selber als Bundesregierung eingeladen war, und ich als Länderkoordinator natürlich dabei sein muss in Koblenz, hat man diesen Termin gewählt. Also man will offensichtlich gar nicht aufeinander Rücksicht nehmen und alle im Boot haben, die ersten beiden Runden hatten ja auch nur mit CDU-Ministerpräsidenten stattgefunden.
Hatting: Die SPD-Länder setzen auch auf Konfrontation, sagen wir es mal anders, sie machen ein bisschen Druck. Denn noch vor dem Gespräch bei der Bundeskanzlerin heute werden Sie einen Gesetzentwurf in den Bundesrat einbringen, der verlangt, die sieben ältesten Atomkraftwerke sollen für immer vom Netz. Ist das, Herr Beck, die Bedingung für Verhandlungen?
Beck: Absolut, denn wir haben davor gewarnt, dass wir die Verlängerung machen. Man hat an uns vorbei agiert im Dezember des letzten Jahres und jetzt will man ein Gesetz, das man verabschiedet hat, durch Zuruf der Bundesregierung und nicht durch Gesetzesänderung wieder verändern. Das kann nicht gut gehen, das wird riesige Schadensersatzforderungen auslösen, und vor allen Dingen keine Rechtssicherheit bringen. Deshalb diese Initiative.
Hatting: Trotzdem ist ja klar, dass die Energiekonzerne schon jetzt, schon beim Moratorium Druck ausüben. Sie wollen nicht mehr in den Ökofonds einzahlen, sie drohen mit Klagen, das Ganze könnte sehr, sehr teuer werden für die Steuerzahler. Wäre es da nicht vielleicht besser, erst einmal abzuwarten und erst einmal auch mit den Energiekonzernen zu sprechen, statt jetzt diesen Gesetzentwurf zur Bedingung für überhaupt Verhandlungen zu machen?
Beck: Keinesfalls, denn dieses Kuddelmuddel hat ja die Bundesregierung angerichtet. Man hatte ja ein konsensuales Energieausstiegsgesetz aus der Regierungszeit Schröder. Das hat man ohne Not und einseitig jetzt verlängert, den Energiekonzernen entsprechend Vorteile zugesagt, und jetzt will man wieder einseitig, ohne sie, aus diesen Zusagen heraus. Aber in jedem Fall ist das problematisch, wenn es eben auf freier Entscheidung und nicht auf klarer Gesetzesgrundlage geschieht.
Hatting: Herr Beck, das urgrüne Thema, das ist jetzt plötzlich bei allen Parteien beliebt: der Atomausstieg. Die Frage nach den Kosten dagegen nicht. Allein in diesem Jahr sind es geschätzte 13,5 Milliarden Euro. Wer soll die eigentlich bezahlen?
Beck: Also zunächst mal darf ich doch sagen, dass das ein Thema ist, das Sozialdemokraten seit vielen, vielen Jahren genau so umtreibt wie die Grünen und das in gemeiner Regierungszeit in Berlin auch angegangen worden ist, sehr erfolgreich sogar. Die schwarz-gelbe Regierung hat das wieder durcheinandergebracht.
Aber es ist auch nicht so, dass man solche Kosten jetzt frei im Raum stehen lassen kann, denn ohne Frage wird auch eine wirtschaftliche Chance in erneuerbaren Energien stecken. Und wir sind überzeugt, wenn man ein wirkliches Programm vorlegt, dann kann man auch durch regionale Energieerzeugung, durch regionale Netze, durch intelligente Steuerung, durch Einsparen und eben auch durch Übergangstechnologien, beispielsweise im Bereich Gaskraftwerke, einen relativ schnellen Ausstieg schaffen und gegenüber den Abrisskosten, gegenüber den Endlagerkosten, aber auch gegenüber fossilen Energieträgern eher eine Kostendämpfung in der Energie hinbekommen, denn es auf Dauer eine Kostensteigerung sein muss.
Hatting: Das Thema Energiesparen hat jetzt auch die FDP entdeckt. Sie hat einen Vorschlag gemacht und zum Beispiel will sie die Gebäudesanierung fördern, um genau damit Energie einzusparen. Dieser Vorschlag kommt jetzt nicht von der SPD, auch nicht von den Grünen. Ist er trotzdem gut?
Beck: Ja sicher ist er gut und er ist auch immer Teil unseres Konzeptes gewesen, denn es geht darum, regenerative Energien zur Energieversorgung aufzubauen, es geht darum, Energiesicherheit zu haben, aber auch vor allen Dingen Sicherheit für die Bürger, und es geht darum eben auch, Energie zu sparen. Insoweit ist das richtig. Ich bin nur gespannt, wie der Bund mal wieder finanziert. Und wir werden da sehr genau hinschauen, denn das alles zu verlagern auf die Mieter, das geht natürlich letztendlich auch nicht. Und den kleinen Leuten, die ein Häuschen haben, dann Auflagen machen, die sie nicht tragen können, das wäre auch nicht akzeptabel. Aber prinzipiell dort zu helfen Anstöße zu geben: ja.
Hatting: Lassen Sie mich noch mal auf die Kosten kommen. Sie haben gesagt, so könne man die Rechnung nicht aufmachen, weil ja dadurch auch neue Chancen entstehen, wirtschaftliche Chancen auch. Der Bundesumweltminister rechnet zum Beispiel mit 350.000 Arbeitsplätzen auf die Jahre hinweggesehen. Aber funktioniert das so, kann man diese 13,5 Milliarden Euro, die jetzt im Raum stehen und die bezahlt werden müssen, damit einfach wegwischen? Ich erinnere daran, dass die regenerative Energie immer noch ein Zuschussgeschäft ist und das auch lange bleiben wird.
Beck: Es ist auch so, dass die Kernenergie ein Zuschussgeschäft ist und es auf Dauer bleiben wird, denn wir haben für die Endlagerfrage keine Antwort und das hängt alles am Staat. Und insoweit muss man eben diese Belastung auf sich nehmen. Denn wer einen Tiger reitet, der weiß, das Absteigen ist das Schwerste. Und da sind wir gerade dabei.
Und die Größe dieser Kosten wäre natürlich so nicht aufgelaufen, wenn man das Ausstiegsszenario der Schröder-Regierung beibehalten hätte, das muss man einfach sehen. Die Bundesregierung hat sich wissentlich, willentlich und gegen unseren Rat in diese Ecke hineinmanövriert, jetzt muss der Bund auch für diese Kosten geradestehen.
Hatting: Windräder in der Landschaft oder auch viele Solarzellen, das klingt erst mal nach sauberer Energie. Aber machen wir uns nichts vor, das ist natürlich auch eine einschneidende Veränderung, die man dann in der Landschaft vornimmt. Also wenn die Windräder die Weinhänge zum Beispiel in der schönen Pfalz zerspargeln oder die Stromtrassen durch die Landschaft schneiden, wie macht man solche unpopulären Folgen, die der Atomausstieg hat, wie macht man das den Bürgern schmackhaft?
Beck: Man muss natürlich eine vernünftige Planung machen, muss Windparks aufstellen, muss Solarfläche nutzen, die dann nicht zu störend wirken, aber auf der anderen Seite brauchen wir Strom, wir brauchen sichere Stromversorgung für Bürger und Wirtschaft, bezahlbaren Strom. Also wir können nicht alles nicht haben wollen. Und wenn ich das jetzt in Vergleich setze zu der Unbewohnbarkeit ganzer Landstriche in Japan nach diesem Atomunglück, dann, glaube ich, ist man sehr schnell bei einer Antwort. Und im Übrigen denke ich, dass man schon besonders landschaftsempfindliche Teile auch von der Aufstellung von Windkraftanlagen bewahren kann. Also das ist eine Frage des vernünftigen Vorgehens.
Hatting: Kurt Beck war das, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz zum Energiegipfel bei der Bundeskanzlerin. Herr Beck, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Beck: Danke Ihnen auch!
Links zum Thema bei dradio.de:
Atomkraft (dradio.de-Sammelportal)
Der lange Abschied von Kohle, Gas und Öl (dradio.de-Sammelportal)
Energie effizient nutzen (dradio.de-Sammelportal)
Energiepolitik am Scheideweg (dradio.de-Sammelportal)
Sammelportal "Zukunft der Energie" auf dradio.de
Kurt Beck: Schönen guten Tag!
Hatting: Herr Beck, die Bundeskanzlerin setzt auf Konsens, aber schon beim Termin gibt's Ärger, Ihre Parteikollegin aus NRW, Hannelore Kraft, die musste absagen. Werden Sie denn zum Energiegipfel reisen?
Beck: Ich kann es leider auch nicht, obwohl die Bundesregierung wusste, dass an diesem Tag die Bundesgartenschau eröffnet wird, dass der Bundespräsident da ist, dass man selber als Bundesregierung eingeladen war, und ich als Länderkoordinator natürlich dabei sein muss in Koblenz, hat man diesen Termin gewählt. Also man will offensichtlich gar nicht aufeinander Rücksicht nehmen und alle im Boot haben, die ersten beiden Runden hatten ja auch nur mit CDU-Ministerpräsidenten stattgefunden.
Hatting: Die SPD-Länder setzen auch auf Konfrontation, sagen wir es mal anders, sie machen ein bisschen Druck. Denn noch vor dem Gespräch bei der Bundeskanzlerin heute werden Sie einen Gesetzentwurf in den Bundesrat einbringen, der verlangt, die sieben ältesten Atomkraftwerke sollen für immer vom Netz. Ist das, Herr Beck, die Bedingung für Verhandlungen?
Beck: Absolut, denn wir haben davor gewarnt, dass wir die Verlängerung machen. Man hat an uns vorbei agiert im Dezember des letzten Jahres und jetzt will man ein Gesetz, das man verabschiedet hat, durch Zuruf der Bundesregierung und nicht durch Gesetzesänderung wieder verändern. Das kann nicht gut gehen, das wird riesige Schadensersatzforderungen auslösen, und vor allen Dingen keine Rechtssicherheit bringen. Deshalb diese Initiative.
Hatting: Trotzdem ist ja klar, dass die Energiekonzerne schon jetzt, schon beim Moratorium Druck ausüben. Sie wollen nicht mehr in den Ökofonds einzahlen, sie drohen mit Klagen, das Ganze könnte sehr, sehr teuer werden für die Steuerzahler. Wäre es da nicht vielleicht besser, erst einmal abzuwarten und erst einmal auch mit den Energiekonzernen zu sprechen, statt jetzt diesen Gesetzentwurf zur Bedingung für überhaupt Verhandlungen zu machen?
Beck: Keinesfalls, denn dieses Kuddelmuddel hat ja die Bundesregierung angerichtet. Man hatte ja ein konsensuales Energieausstiegsgesetz aus der Regierungszeit Schröder. Das hat man ohne Not und einseitig jetzt verlängert, den Energiekonzernen entsprechend Vorteile zugesagt, und jetzt will man wieder einseitig, ohne sie, aus diesen Zusagen heraus. Aber in jedem Fall ist das problematisch, wenn es eben auf freier Entscheidung und nicht auf klarer Gesetzesgrundlage geschieht.
Hatting: Herr Beck, das urgrüne Thema, das ist jetzt plötzlich bei allen Parteien beliebt: der Atomausstieg. Die Frage nach den Kosten dagegen nicht. Allein in diesem Jahr sind es geschätzte 13,5 Milliarden Euro. Wer soll die eigentlich bezahlen?
Beck: Also zunächst mal darf ich doch sagen, dass das ein Thema ist, das Sozialdemokraten seit vielen, vielen Jahren genau so umtreibt wie die Grünen und das in gemeiner Regierungszeit in Berlin auch angegangen worden ist, sehr erfolgreich sogar. Die schwarz-gelbe Regierung hat das wieder durcheinandergebracht.
Aber es ist auch nicht so, dass man solche Kosten jetzt frei im Raum stehen lassen kann, denn ohne Frage wird auch eine wirtschaftliche Chance in erneuerbaren Energien stecken. Und wir sind überzeugt, wenn man ein wirkliches Programm vorlegt, dann kann man auch durch regionale Energieerzeugung, durch regionale Netze, durch intelligente Steuerung, durch Einsparen und eben auch durch Übergangstechnologien, beispielsweise im Bereich Gaskraftwerke, einen relativ schnellen Ausstieg schaffen und gegenüber den Abrisskosten, gegenüber den Endlagerkosten, aber auch gegenüber fossilen Energieträgern eher eine Kostendämpfung in der Energie hinbekommen, denn es auf Dauer eine Kostensteigerung sein muss.
Hatting: Das Thema Energiesparen hat jetzt auch die FDP entdeckt. Sie hat einen Vorschlag gemacht und zum Beispiel will sie die Gebäudesanierung fördern, um genau damit Energie einzusparen. Dieser Vorschlag kommt jetzt nicht von der SPD, auch nicht von den Grünen. Ist er trotzdem gut?
Beck: Ja sicher ist er gut und er ist auch immer Teil unseres Konzeptes gewesen, denn es geht darum, regenerative Energien zur Energieversorgung aufzubauen, es geht darum, Energiesicherheit zu haben, aber auch vor allen Dingen Sicherheit für die Bürger, und es geht darum eben auch, Energie zu sparen. Insoweit ist das richtig. Ich bin nur gespannt, wie der Bund mal wieder finanziert. Und wir werden da sehr genau hinschauen, denn das alles zu verlagern auf die Mieter, das geht natürlich letztendlich auch nicht. Und den kleinen Leuten, die ein Häuschen haben, dann Auflagen machen, die sie nicht tragen können, das wäre auch nicht akzeptabel. Aber prinzipiell dort zu helfen Anstöße zu geben: ja.
Hatting: Lassen Sie mich noch mal auf die Kosten kommen. Sie haben gesagt, so könne man die Rechnung nicht aufmachen, weil ja dadurch auch neue Chancen entstehen, wirtschaftliche Chancen auch. Der Bundesumweltminister rechnet zum Beispiel mit 350.000 Arbeitsplätzen auf die Jahre hinweggesehen. Aber funktioniert das so, kann man diese 13,5 Milliarden Euro, die jetzt im Raum stehen und die bezahlt werden müssen, damit einfach wegwischen? Ich erinnere daran, dass die regenerative Energie immer noch ein Zuschussgeschäft ist und das auch lange bleiben wird.
Beck: Es ist auch so, dass die Kernenergie ein Zuschussgeschäft ist und es auf Dauer bleiben wird, denn wir haben für die Endlagerfrage keine Antwort und das hängt alles am Staat. Und insoweit muss man eben diese Belastung auf sich nehmen. Denn wer einen Tiger reitet, der weiß, das Absteigen ist das Schwerste. Und da sind wir gerade dabei.
Und die Größe dieser Kosten wäre natürlich so nicht aufgelaufen, wenn man das Ausstiegsszenario der Schröder-Regierung beibehalten hätte, das muss man einfach sehen. Die Bundesregierung hat sich wissentlich, willentlich und gegen unseren Rat in diese Ecke hineinmanövriert, jetzt muss der Bund auch für diese Kosten geradestehen.
Hatting: Windräder in der Landschaft oder auch viele Solarzellen, das klingt erst mal nach sauberer Energie. Aber machen wir uns nichts vor, das ist natürlich auch eine einschneidende Veränderung, die man dann in der Landschaft vornimmt. Also wenn die Windräder die Weinhänge zum Beispiel in der schönen Pfalz zerspargeln oder die Stromtrassen durch die Landschaft schneiden, wie macht man solche unpopulären Folgen, die der Atomausstieg hat, wie macht man das den Bürgern schmackhaft?
Beck: Man muss natürlich eine vernünftige Planung machen, muss Windparks aufstellen, muss Solarfläche nutzen, die dann nicht zu störend wirken, aber auf der anderen Seite brauchen wir Strom, wir brauchen sichere Stromversorgung für Bürger und Wirtschaft, bezahlbaren Strom. Also wir können nicht alles nicht haben wollen. Und wenn ich das jetzt in Vergleich setze zu der Unbewohnbarkeit ganzer Landstriche in Japan nach diesem Atomunglück, dann, glaube ich, ist man sehr schnell bei einer Antwort. Und im Übrigen denke ich, dass man schon besonders landschaftsempfindliche Teile auch von der Aufstellung von Windkraftanlagen bewahren kann. Also das ist eine Frage des vernünftigen Vorgehens.
Hatting: Kurt Beck war das, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz zum Energiegipfel bei der Bundeskanzlerin. Herr Beck, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Beck: Danke Ihnen auch!
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Atomkraft (dradio.de-Sammelportal)
Der lange Abschied von Kohle, Gas und Öl (dradio.de-Sammelportal)
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