Beerdigung einer Familie
Beim Heidelberger Stückemarkt erhielt Eva Rottmanns Drama "Unter jedem Dach" über eine zermürbte, die Eltern betreuende Frau den Publikumspreis. Es ist nun am Heidelberger Theater zu sehen. Die Uraufführung hinterlässt zwiespältige Gefühle.
Die Pflege der hinfällig gewordenen Eltern: Dieses Thema ist spätestens seit Nis-Momme Stockmanns erstem Stück "Der Mann der die Welt aß" bühnenrelevant geworden. Ob man es aber so wortkarg und alltagsbanal machen muss wie Eva Rottmann, das ist die Frage.
Auf einem Bauernhof pflegt Christine ihre bettlägerige Mutter (und nebenbei auch den trunksüchtigen Vater); die beiden älteren Geschwister sind längst über alle Berge, in die Stadt. Als die Mutter stirbt und die Geschwister zur Beerdigung anreisen, ist Christine verschwunden.
Eigentlich eine spannende Exposition - allerdings verrät Eva Rottmann schon zu Beginn mit maniriert wirkenden Einwortsätzen und lakonischen Statements, dass sie uns die Sprachlosigkeit zwischen den Familienmitgliedern quasi didaktisch um die Ohren schlagen will. Die Regie hat gerade am Anfang einiges gestrichen, ein nervendes, metronomhaftes Tacktacktack, das in die Monologe eingearbeitet ist, findet nicht statt. Und trotzdem ist die ganze erste Hälfte der nur 80-minütigen Aufführung eine zähe Angelegenheit.
Regisseur Dominique Schnizer beginnt und endet mit Super-8-Filmen, die im Skript gar nicht vorgesehen sind, um die familiäre Idylle vergangener Tage zu beschwören. Und dann lässt er die ganze Alterstristesse dieses Stücks zeitlupenhaft ausspielen; die Schwächen des banalitätenlastigen Texts werden dadurch nur umso sichtbarer. Allerdings gelingt es Schnizer mit zunehmender Spieldauer, einzelnen Figuren einiges abzugewinnen: die pflegende Tochter, die ihr eigenes Leben nicht leben darf, ist bei Christina Dom eine melancholische Zukurzgekommene – freilich könnte man die Figur auch viel aggressiver konzipieren; hier ergibt sie sich in ihr Schicksal. Der Vater, den Ronald Funke mit sardonischer Freude zum Familienekel aufbläst, bringt mit seinen Sarkasmen immerhin ein wenig Schwärze in die ansonsten eher fade Familienaufstellung. Die beiden zugereisten Geschwister, die die Familienmisere besprechen müssen und dabei den Kühlschrank plündern, bleiben eher blass.
Die Bühne von Christin Teunert ist ziemlich leer und vermeidet jede ländliche Andeutung; leer ist allerdings auch die Dramaturgie des Stücks, das biografische Brocken der Figuren gegeneinander schneidet. Die abgehauene, abwesende Christine beredet in Rückblenden ihr bereits verpasstes Liebesleben; Gespräche mit der toten Mutter, auch sie gepeinigt vom erotischen Verzicht, beschwören die depressive Verklammerung zwischen alter und jüngerer Generation: Sie können nicht miteinander, aber sie können voneinander auch nicht lassen. Dazu kommen die wartenden Geschwister und der Vater als Haustyrann.
Eva Rottmann hat leider nicht die Mittel, dieses wunschlose Unglück dramaturgisch interessant zu machen. Es gibt viele gute Ansätze, die aber nicht wirklich ausgeführt werden – die von der Dauerbetreuung der Eltern zermürbte Christine, die eine Art Pflege-Handbuch mit sämtlichen zu erledigenden Tätigkeiten angelegt hat: das könnte schon eine sehr aktuelle Figur sein. Leider ist der ländliche Kosmos, in dem all das stattfindet, nicht ausreichend beschrieben – ein wenig mehr Kroetzsche Enge hätte, auch sprachlich, nicht geschadet.
Regisseur Dominique Schnizer rettet die Uraufführung, indem er zum Ende hin eine atmosphärisch immer dichter werdende Grabesstimmung inszeniert: die Beerdigung einer Familie, nicht nur der Mutter. Über weite Strecken allerdings ist das Schweigen, mit dem er die Figuren hantieren lässt, auch hilflos; und das übertriebene Gebrüll, mit dem er dann den tyrannischen Vater in Szene setzt, ist ein rein formaler Kontrapunkt.
Heidelberger Theater: "Unter jedem Dach"
Auf einem Bauernhof pflegt Christine ihre bettlägerige Mutter (und nebenbei auch den trunksüchtigen Vater); die beiden älteren Geschwister sind längst über alle Berge, in die Stadt. Als die Mutter stirbt und die Geschwister zur Beerdigung anreisen, ist Christine verschwunden.
Eigentlich eine spannende Exposition - allerdings verrät Eva Rottmann schon zu Beginn mit maniriert wirkenden Einwortsätzen und lakonischen Statements, dass sie uns die Sprachlosigkeit zwischen den Familienmitgliedern quasi didaktisch um die Ohren schlagen will. Die Regie hat gerade am Anfang einiges gestrichen, ein nervendes, metronomhaftes Tacktacktack, das in die Monologe eingearbeitet ist, findet nicht statt. Und trotzdem ist die ganze erste Hälfte der nur 80-minütigen Aufführung eine zähe Angelegenheit.
Regisseur Dominique Schnizer beginnt und endet mit Super-8-Filmen, die im Skript gar nicht vorgesehen sind, um die familiäre Idylle vergangener Tage zu beschwören. Und dann lässt er die ganze Alterstristesse dieses Stücks zeitlupenhaft ausspielen; die Schwächen des banalitätenlastigen Texts werden dadurch nur umso sichtbarer. Allerdings gelingt es Schnizer mit zunehmender Spieldauer, einzelnen Figuren einiges abzugewinnen: die pflegende Tochter, die ihr eigenes Leben nicht leben darf, ist bei Christina Dom eine melancholische Zukurzgekommene – freilich könnte man die Figur auch viel aggressiver konzipieren; hier ergibt sie sich in ihr Schicksal. Der Vater, den Ronald Funke mit sardonischer Freude zum Familienekel aufbläst, bringt mit seinen Sarkasmen immerhin ein wenig Schwärze in die ansonsten eher fade Familienaufstellung. Die beiden zugereisten Geschwister, die die Familienmisere besprechen müssen und dabei den Kühlschrank plündern, bleiben eher blass.
Die Bühne von Christin Teunert ist ziemlich leer und vermeidet jede ländliche Andeutung; leer ist allerdings auch die Dramaturgie des Stücks, das biografische Brocken der Figuren gegeneinander schneidet. Die abgehauene, abwesende Christine beredet in Rückblenden ihr bereits verpasstes Liebesleben; Gespräche mit der toten Mutter, auch sie gepeinigt vom erotischen Verzicht, beschwören die depressive Verklammerung zwischen alter und jüngerer Generation: Sie können nicht miteinander, aber sie können voneinander auch nicht lassen. Dazu kommen die wartenden Geschwister und der Vater als Haustyrann.
Eva Rottmann hat leider nicht die Mittel, dieses wunschlose Unglück dramaturgisch interessant zu machen. Es gibt viele gute Ansätze, die aber nicht wirklich ausgeführt werden – die von der Dauerbetreuung der Eltern zermürbte Christine, die eine Art Pflege-Handbuch mit sämtlichen zu erledigenden Tätigkeiten angelegt hat: das könnte schon eine sehr aktuelle Figur sein. Leider ist der ländliche Kosmos, in dem all das stattfindet, nicht ausreichend beschrieben – ein wenig mehr Kroetzsche Enge hätte, auch sprachlich, nicht geschadet.
Regisseur Dominique Schnizer rettet die Uraufführung, indem er zum Ende hin eine atmosphärisch immer dichter werdende Grabesstimmung inszeniert: die Beerdigung einer Familie, nicht nur der Mutter. Über weite Strecken allerdings ist das Schweigen, mit dem er die Figuren hantieren lässt, auch hilflos; und das übertriebene Gebrüll, mit dem er dann den tyrannischen Vater in Szene setzt, ist ein rein formaler Kontrapunkt.
Heidelberger Theater: "Unter jedem Dach"